Streng geht’s im „Monella" nur in Sachen Produktqualität zu. Ansonsten experimentieren die Pizzaioli locker mit ungewöhnlichen Belägen und Kombinationen für die neapolitanischen Pizzen herum. Was aus dem Bauch des außergewöhnlich verkleideten Ofens kommt, landet zügig in Pappschachteln und wird von Gästen abgeholt.
Laute Musik aus der Independant-Ecke, Negronis und Gin Tonics an der Bar. Neapolitanische Pizzen werden aus dem Discokugel-Ofen gezogen, zügig an den auseinandergestellten Tischen verteilt. Mittendrin wirbelt Service-Chefin Camilla Simon. Organisiert flugs und freundlich Reservierungen, Bestellungen und das Treiben im „Monella". So sah es vor Kurzem noch in der Pizzeria und Bar an der Neuköllner Weichselstraße aus. Die laute Musik ist geblieben. Doch aktuell im Lockdown beschallt sie ausschließlich Pizzaioli, Service, Lieferanten und Gäste, die Pizzakartons abholen. Dann gibt es eben La Violeta und La Zucchona zum Genießen daheim! Mit Extra-Modellen, sämtlichen anderen Pizzen, Vorspeisen und Desserts von der „normalen" Karte versorgt das „Monella"-Team derzeit abends seine Gäste.
Die Violette macht ihrem Namen alle Ehre: Gorgonzola und Mozzarella Fior di Latte verschmelzen auf dem Teig zu einem üppigen Bett für knusprige lila Chips. „Rote Bete?", fragt der italienische Feinschmecker-Fotograf, der langsam seine Liebe zu den Knollen entdeckt hat. Aber nein: Die Chips sind aus lila Kartoffeln. Das passt super zueinander: der Mix aus Soulfood-Wohligkeit mit Käse-Umami und dem kleinen Crunch beim Reinbeißen.
Gute Mischung aus Tradition und Innovation
Die zweite Pizza schlägt eine andere Richtung ein. La Zucchona bezieht eine milde Fruchtigkeit aus einem Kürbiskern-Aufstrich und Mozzarella Fior di Latte d’Argerola. Bacon-Streifen sind bei ihr der Umami-Counterpart. Beide Kreationen zeigen, wie die sehr kurz und sehr heiß gebackene neapolitanische Pizza weitergedacht werden kann. Tradition: Ja, bitte, was die Strenge bei der Produktqualität und -auswahl betrifft. Aber bitte kein folkloristisches Festhalten am Althergebrachten. Diese Herangehensweise ist nicht zuletzt den drei Pizzaioli zu verdanken, die neben ihrem Können am Steinofen ausgebildete Köche sind. Da klappt’s mit dem Zusammenbauen ungewohnter Beläge bereits im Kopf.
„Jeder kann Pizza machen", sagt „Monella"-Betreiber Dario Miconi, der im August 2020 eröffnete. „Aber nicht auf diesem Level, was Produkte und Frische angeht." Das geballte Knowhow gibt Spielraum für die regelmäßig wechselnden Specials, die gerade jetzt mit Abwechslung und Vielfalt zahlreiche Gäste aus der Nachbarschaft locken sollen. Neu ist auch das Lunch-Angebot: Eine Margherita, eine Capricciosa oder eine Pizza Pepe stehen zwischen 12 und 16 Uhr zur Wahl. Pizza plus ein italienisches Bier kosten zusammen nur zehn Euro. „Wir wollten etwas anderes dazu anbieten als Wein", sagt Camilla Simon. Da „Pizza und Drinks" die Unterzeile des „Monella"-Logos sind, passt das.
Lunch-Angebote, abendliche Pizza von der ganzen Karte und Verve beim Umgang mit der Situation. So geht es seit Anfang November mit dem „Lockdown 2" im „Monella" zu. Das war im Frühjahr anders. Vorbesitzerin Katie Rosentritt, die das Lokal 2014 im Stil einer hippen Wohnzimmerkneipe gestaltet und in Schwung gebracht hatte, zog sich nach der coronabedingten Schließpause im Frühjahr zurück und übergab im Sommer an Dario Miconi. Sie ist dennoch die Eminenz im Hintergrund, die gern auf Focaccia, Antipasti und einen Wein hereinschaut. Mit Miconi übernahm ein neues Team. Das „Monella" – das italienische Pendant zur Berliner „Göre"– setzt auf sehr gute Pizzen und Drinks von der Bar. Der mit silbernen Spiegelpailletten beklebte Pizzaofen bekommt jetzt die Aufmerksamkeit, die ihm nicht nur wegen seiner 70er-JahreDiscokugel-Optik gebührt.
Neues Küchenteam nach erstem Lockdown
„Früher gab es mehr Antipasti und Weine", weiß Camilla Simon. Bartender Wolfie sorgt am Tresen parallel zur Action in der offenen Küche dafür, dass genügend Negroni oder Negroni Bianco bereitstehen. Die beiden, in italienischer Manier bitter- und alkoholbetonten, Drinks werden nun auch außer Haus angeboten. Als Alternative gibt es einen Monella Frizz mit Amaro oder einen Campari Spritz im Take-away. Für sieben oder acht Euro ist das eine echte Alternative zu Bar-Heimwerkerei und eine der Pizza würdige Begleitung.
Mag der pfeffrige Bruder Pepe auf der gleichnamigen Pizza mit Fior di Latte, Cacia Cavallo und Pecorino käseschmeichelnd herüberkommen, gilt mein Augenmerk dennoch einem anderen neapolitanischen Klassiker. Ich mag das Modell Salciccia e Friarelli mit der Kombi aus Fior-di-Latte-Mozzarella, leicht bitterem Stängelkohl und würzigen groben Wurstbrät-Bröckchen ausgesprochen gern. Wer mit dem Begriff Friarelli nicht vertraut ist, hat womöglich von Cime di Rapa gehört, so wie das Wintergemüse in Apulien bezeichnet wird. Wir bleiben beim Besuch vor der Schließung lieber flach als hügelig und nehmen eine mit Blattsalaten, Rucola, Tomaten und Parmesandressing üppig gefüllte Schale nur aus dem Augenwinkel zur Kenntnis.
Bei unseren Nachbarn steht ebenfalls ein Teller mit Bruschetta auf dem Tisch und beweist, dass italienische Aerosole spielend mehr als 1,5-Meter-Abstand überwinden: Der Knoblauchduft vom warmen Tomaten-Basilikumbrot weht uns verführerisch an. Gut, dass unsere Arme so weit nicht reichen! Es ist schließlich gebührend unkompliziert, immer wieder eine neue Pizza, einen Salat oder eine Vorspeisenplatte mit Wurst und Käse zu ordern und sich durchzuprobieren. Für sieben Euro gibt’s bereits eine von Hause aus vegane Pizza Marinara mit San-Marzano-Tomaten, Knoblauch, Oregano und Olivenöl on top. Je mehr Käsesorten, Prosciutto Crudo oder Parmaschinken sich auf der Pizza tummeln, desto höher geht der Preis, endet aber bei 14 Euro ohne Extras. Kein Wunder, dass das „Monella" im angesagten, aber keineswegs durchgentrifizierten Kiez zwischen Sonnenallee und Landwehrkanal beliebt ist – zum Preis einer Pizza gibt’s viel Qualität und Geschmack auf den Hefeteig.
Bisweilen gibt es tatsächlich Pizza-Hügel auf den Tellern. So zählt etwa im „Monella" eine mit Fior di Latte, Ricotta, gebackenem Schinken oder neapolitanischer Salami gefüllte Calzone zu den Klapp-Klassikern. Ein Saltimbocca dagegen besteht in diesem Fall keineswegs aus Schnitzelchen, sondern aus Pizzabrot, das mit Fior di Latte, Tomaten, Rucola und Parmaschinken im Sandwich-Stil belegt wird. Wann was wo jenseits der Calzone nur zum Essen oder schon beim Backen geklappt wird, habe ich noch nicht ganz genau herausgefunden. Fakt ist aber, dass sich die dünnen, fluffigen Böden mit dem dicken, blasigen Rand prima zum kleckerfreien Verzehr aus der Hand eignen.
Pizza-Knigge schreibt Besteck bei Calzone vor
Umgekehrt schreibt der Pizza-Knigge bei einer Calzone den Gebrauch von Besteck vor. Es ist zwar nicht so einfach, sich korrekt zu verhalten, aber geviertelte und zum Aus-der-Hand-Essen zusammengelegte Pizza toleriert auch noch der strengste Süditaliener. Im „normalen Leben" ist es ohnehin im „Monella" eher schummerig und in guter Gesellschaft so lebhaft, dass keine Pizza-Polizei den korrekten Verzehr überwachen könnte. Auf den gewohnten, selbst mit Abstand und Hygieneregeln trubeligen Betrieb müssen Dario, Camilla und das Team allerdings wohl noch etwas warten.
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, bald eine Terra Napoli zu ordern und mir nach Hause liefern zu lassen. Von neapolitanischer oder zumindest sehr naher Erde stammen Fior di Latte, Salami, Parmiggiano Reggiano, Tomaten und Basilikum für den Belag. Aber auch die Taralli. Traditionell werden diese neapolitanischen Kekse mit Schmalz, Mandeln und Pfeffer aus Resten von Brotteig zubereitet. Jetzt finden sie sich auf der Pizza stückweise als Belag wieder. Italo-amerikanisch mutet dagegen der mit Ricotta gefüllte Rand an. Das alles klingt so ungewöhnlich, dass ich es unbedingt probieren möchte. Bei meinem letzten Besuch war diese Version leider aus. Das macht aber nichts. Denn von Pizza, dem nach Döner Kebab und Currywurst dritten Leibgericht der Berlinerinnen und Berliner, kann sowieso niemand genug bekommen – eine interessante, neue oder ungewohnte Variante geht immer!