In den kommenden fünf Jahren wird knapp ein Drittel der Deutschen älter als 60 Jahre sein. Eine Herausforderung, die nur durch eine wesentlich intensivere Zusammenarbeit der Sozialpartner zu meistern ist, sagt der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Bank, Thomas Katzenmayer.
Herr Katzenmayer, eine der großen Aufgaben in der Sozialwirtschaft ist die Alterung der Gesellschaft. Wird die Alten- und Krankenpflege in unserer Gesellschaft immer bedeutender?
Die Herausforderung besteht zum einen tatsächlich darin, dass die Gesellschaft immer älter wird. Es ist schön, dass wir die Menschen medizinisch so fit halten können, dass sie einen langen Lebensabend genießen können. Hierdurch entstehen allerdings auch unsere demografischen Herausforderungen, die uns allen mehr als geläufig sind. Wir Babyboomer gehen langsam auf das Rentenalter zu. (lacht) Wir stehen vor gigantischen Aufgaben, die die Sozialsysteme zu bewältigen haben, wenn mehr Rentner als Einzahler in Deutschland leben. Die Babyboomer werden gern ihr Leben in ihrem Zuhause weiterführen wollen. Hier werden sie zu irgendeinem Zeitpunkt Hilfe oder auch Pflege benötigen. Das bedeutet, wir müssen hier völlig umdenken und vermutlich auch in diesem Bereich einen Wechsel vorbereiten: bei Hilfe, Betreuung und Pflege. Damit müssen sich alle Sozialpartner, die dafür zuständig sind, intensiv zusammensetzen und tragfähige Konzepte dazu entwickeln.
Ist dies die Idee Ihrer neuen Tochtergesellschaft Change Hub? Das Zusammenbringen von Ideen?
Nehmen Sie einen Betrieb in der Sozialwirtschaft. Der sieht genau diese Aufgaben, dieses Umdenken zum Beispiel bei der Betreuung. Und in diesem Betrieb wird sich nun jeder in seinem Zuständigkeitsbereich seine Gedanken machen. Man findet gemeinsam gute oder vielleicht auch weniger gute Lösungen. Aber eben nur in diesem einen Betrieb. Unsere Idee ist es, diese Mitarbeiter der vielen Unternehmen, die alle an der gleichen Aufgabe tüfteln, regelmäßig für ein oder zwei Tage in den Räumen im Change Hub zusammenzubringen, damit diese sich in einzelnen Arbeitsgruppen austauschen können. Wissen Sie, es geht hier nicht darum, das Rad neu zu erfinden, und dass der Mitarbeiter von Pflegestation A irgendjemanden von einem anderen Unternehmen eine Idee stiehlt. Es geht darum, dass wir aus allen sozialen Bereichen, in denen wir immer mit Menschen zusammenarbeiten, das Beste rausholen, eben für diese Menschen. Ich habe es bereits erwähnt, bei uns geht es nicht um Gewinnmaximierung, sondern um den Menschen.
Also ist Change Hub ein Netzwerk ausschließlich für soziale Unternehmen?
Nein, primär wird das Netzwerk aus den Einrichtungen bestehen, die zu unserem Kernklientel gehören. Daneben steht Change Hub allen Unternehmen zur Verfügung. Denn die zunehmende Alterung der Gesellschaft ist eine Aufgabe, die die Gesellschaft in der ganzen Breite beschäftigt. Darum sind im Change Hub selbstverständlich neben den Akteuren aus der Sozialwirtschaft auch ihre Kollegen aus der Start-up-Szene, aus der Wissenschaft und natürlich auch aus der Wirtschaft willkommen, wenn sie unsere Nachhaltigkeitsregeln einhalten.
Das würde bedeuten: Eine Koordinierung der Sozialpartner, der Arbeiterwohlfahrt, Diakonie, den kirchlichen Diensten, Rotem Kreuz oder Caritas gibt es übergeordnet so noch nicht?
Rein juristisch darf es da ja auch untereinander keine bindenden Absprachen geben, aber darum geht es auch gar nicht. Denn bei den schon beschriebenen Aufgaben der Zukunft und deren Bewältigung sollte zumindest ein Austausch stattfinden. Sie haben Recht, im Moment sucht jeder für sich eine Lösung. Unser Change Hub könnte ein Ort sein, in dem man diese großen Aufgaben angehen kann.
Was ist der Hintergrund der Evangelischen Bank genau? Vermutlich kein Investmentbanking.
Nein, das verrät ja schon unser Name. Wir sind eine Bank, die in kirchlichen Bezügen arbeitet und sich dort orientiert. Die Evangelische Bank existiert unter diesem Namen seit fast sieben Jahren und ist ein Zusammenschluss von drei kirchlichen Banken, deren Gründungen vor über 50 Jahren stattfand. Unsere Kernklientel ist die verfasste Evangelische Kirche, also auch die freien Kirchen, die Gemeinden, die Landeskirchen – die kompletten kirchlichen Strukturen. Dazu kommen noch die Pensionskassen, die Diakonie sowie die Gesundheits- und Sozialwirtschaft. Wir finanzieren soziale Projekte aus den Bereichen Gesundheit, Altenpflege, Jugend- und Behindertenhilfe, Bildung, bezahlbarer Wohnraum sowie privater Wohnbau und investieren in Vorhaben, Unternehmen und Institutionen, die zur Bewahrung der Schöpfung einen positiven Beitrag leisten. Denn: Wir sind ausdrücklich eine nachhaltige Bank. Unsere gesamte Geschäftstätigkeit ist nachhaltig ausgerichtet und das sowohl in ökonomischer, ökologischer als auch in sozialethischer Hinsicht. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir keine gewerblichen Unternehmen oder Rüstungsbetriebe oder die Tabakindustrie finanzieren. Wir haben klare ethische und nachhaltige Grundsätze für unsere Geschäftspraktiken. Nachhaltigkeit ist für uns kein Trend, auf den wir aufgesprungen sind. Wir sind vielmehr Vorreiter auf diesem Gebiet.
Sie sind damit Chef einer Bank für die Sozialwirtschaft?
Ich würde es so formulieren: Wir sind die nachhaltige Spezialbank für Kunden aus der Gesundheits- und Sozialwirtschaft mit dem Zusatz „die Nachhaltigkeitsbank". Dass wir die Nachhaltigkeitsbank sind, können wir mit Fug und Recht behaupten. Das wird uns auch von externer Seite bestätigt, zum Beispiel durch unsere Emas-Plus-Zertifizierung. Sie dokumentiert, dass wir in allen Bereichen nachhaltig aufgestellt sind – sowohl unter ökonomischen als auch ökologischen und sozialethischen Gesichtspunkten. Darüber hinaus sind wir beispielsweise Erstunterzeichner der Klimaselbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors und verpflichten uns damit, unsere Kredit- und Investmentportfolien im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens auszurichten. Also, wir haben uns da sehr hohe Ziele gesteckt, nicht nur eine ökonomisch, sondern auch eine ökologisch nachhaltige Bank zu sein, die obendrein mit sehr hohen sozialethischen Ansprüchen agiert.
Das heißt in der Praxis: Wenn ich in finanzielle Schieflage mit meinem Pflegeheim gerate, kann ich bei Ihnen um Kredit nachfragen, muss dafür aber Ihre Standards erfüllen?
Idealerweise sollten Sie nicht erst nachfragen, wenn sie in soziale Schieflage geraten sind, sondern schon vorher. Aber ja, wir helfen nicht nur dem Pflegeheim, sondern allen Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft weiter, wenn es mal eng wird. Diese Unternehmen erfüllen ja beinahe schon ganz automatisch durch ihre Aufgabenstellung unsere sozialethischen Vorstellungen von Nachhaltigkeit. Dazu kommt, dass diese Unternehmen nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind, wie das in der gewerblichen Wirtschaft der Fall ist.
Aber viele Senioren-Residenzen oder Pflegeheime gehören Aktiengesellschaften.
Das ist richtig. Es gibt auch in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft Aktiengesellschaften, die aber nicht den kapitalmarktorientierten Strategien folgen.