Dass Landtagswahlen vor einem Bundestagswahlkampf mediales Interesse wecken, ist nicht ungewöhnlich. Doch den Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg kommt eine weitaus größere Bedeutung zu, als nur der Auftakt ins Superwahljahr.
Ein Rekordhoch hat das Wahljahr 2021 schon zu verzeichnen: Nie gab es so viele Briefwähler wie jetzt. Viele Parteien werben sogar auf ihren Plakaten für die Stimmabgabe per Brief. Doch dieses Hoch bringt auch seine Probleme mit sich: Die Faustregel, dass die letzten 14 Tage vor der Wahl die entscheidenden Tage im Wahlkampf sind, ist damit hinfällig.
Dabei sind die anstehenden Landtagswahlen im März in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg doch so wichtig für die Parteien. Denn sie werden das Stimmungsbarometer vor der entscheidenden Bundestagswahl im Herbst sein. Sie werden vorab zeigen, ob eine Partei mit Rückenwind in den Kampf um Regierungsverantwortung startet – oder ob eine Niederlage auf ihren Schultern lastet.
Für viele Parteien kommt es dabei auf weitaus mehr an, als auf den reinen Gewinn von Wählerstimmen. Bei der CDU könnte es sogar um die Kanzlerschaft gehen. Denn der neu gewählte Parteichef Armin Laschet muss nicht nur zeigen, dass er die Union einen kann, sondern er muss auch den Anspruch auf die Spitzenposition im Bundestagswahlkampf gegen den umfragestarken CSU-Chef Markus
Söder verteidigen. Ein Wahlerfolg im Südwesten könnte ihm dabei helfen.
Die Aussichten in Baden-Württemberg sind dabei allerdings nicht die sonnigsten: Nach aktuellen Umfragen wird es für Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann und ihren Landesverband schwer werden, als Juniorpartner der Grünen stärkste Kraft zu werden. Denn der Zuspruch für Landesvater Winfried Kretschmann (Bündnis90/Die Grünen) ist überwältigend: 34 Prozent der Baden-Württemberger würden nach aktuellen Umfragen Grün wählen, nur 27 die CDU. Hoffnung gibt es in Rheinland-Pfalz: Trotz hoher Beliebtheit der dort amtierenden Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), hat CDU-Kandidat Christian Baldauf gute Chancen. Beide liefern sich ein bisher offenes Rennen.
Erste Bewährungsprobe für CDU-Chef Armin Laschet
Nicht nur Baden-Württemberg wird wohl Balsam für das grüne Selbstbewusstsein sein: Auch in Rheinland-Pfalz kann die Partei ordentlich punkten. Spitzenkandidatin Anne Spiegel hat nach Umfragen das Wahlergebnis von 2016 (6,2 Prozent) nahezu verdoppelt – und das, obwohl sie um ähnliche Wählergruppen buhlt wie Landesmutter Malu Dreyer. Vom Umfragetief im vergangenen Frühjahr hat sich die Partei jedenfalls erholt. Nach den Wahlen im Südwesten steht für die Partei aber eine noch viel entscheidendere interne Wahl an: Wer wird die Grünen im Bundeswahlkampf anführen? Ob man mit Robert Habeck oder Annalena Baerbock antreten wolle, soll noch im Frühjahr entschieden werden.
Weniger rosig steht es da derzeit um die SPD. Ein Wahlerfolg in Rheinland-Pfalz würde nicht auf die Kappe von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gehen, sonden wäre allein Dreyers Verdienst. Das zeigt sich auch im stark auf ihre Person ausgerichteten Wahlkampf der rheinland-pfälzischen Sozialdemokraten. Unterdessen kämpft die SPD in Baden-Württemberg darum, zweistellig zu bleiben. Sollte man dort auf einen Scholz-Effekt gehofft haben, wie es damals mit dem Schulz-Zug der Fall war, so hoffte man vergeblich: Die Umfrage-Ergebnisse der Bundes-SPD hatten sich nach der Aufstellung von Scholz weder nach oben noch nach unten korrigiert.
Auch um FDP, Linke und AfD steht es nicht gut. Während die FDP bei den insgesamt sechs Wahlen in diesem Jahr um den Einzug in vier Landesparlamente bangen muss (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Thüringen), ist die Linke in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz um zwei Prozentpunkte von der Fünf-Prozent-Hürde entfernt. Auch die AfD ist in den Umfragen gesunken. Schuld daran ist wohl der Streit zwischen dem Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und dem rechtsradikalen Flügel, der den gesamten Parteitag überschattete.
Wahlschlappe für FDP, AfD und Linke
Doch nicht nur die innerparteilichen Wehwehchen stellen die Wahlkämpfer und Kandidaten vor große Herausforderungen. Die Corona-Pandemie macht einen regulären Wahlkampf mit Bürgerkontakt nahezu unmöglich. Dabei kommen Volk und Politik selten so nah zusammen, wie im Wahlkampf. Interaktive Onlineveranstaltungen sollen Dialogräume schaffen, eine deutlich höhere Zahl an Plakaten und Großflächen soll präsenter machen. Schnell fällt auf: Die Pandemie macht Politik und Wahlkampf digitaler und moderner. So sprechen Onlineformate auch Gruppen an, die zuvor gar nicht erreicht wurden – beispielsweise junge Familien, die nicht die Zeit haben, einen Präsenztermin wahrzunehmen.
Dennoch werden Infostände und Haustürkampagnen nicht spurlos ersetzt werden können. Insbesondere ältere Wähler drohen durch den ins Netz verlagerten Wahlkampf nicht (mehr) erreicht zu werden. So werden die Landtagswahlen nicht nur zeigen, wie es um die Stimmung im Volk steht, sondern auch Formate und Alternativen für den regulären Wahlkampf erproben.