Mancher Zeitgenosse wird sich noch daran erinnern – an das spektakuläre Comeback einer einst als Spaß-Combo verscholtenen Band, die sich 1993 nach fünfjähriger Pause mit einem wütend herausgeschleuderten „Arschloch!" auf der heimischen Musikbühne zurückmeldete.
Die Berliner Punkband Die Ärzte um Gitarrist und Sänger Farin Urlaub und Sänger und Schlagzeuger Bela B. hatte seinerzeit mit „Schrei nach Liebe" nicht nur den vielleicht ultimativen Anti-Rechts-Song geschrieben – sie hatte sich mit Bassist Rodrigo Gonzalez zu neuen künstlerischen und kommerziellen Höhenflügen aufgemacht.
Nun ist es 2021, eine Pandemie hat um sich gegriffen, und erneut meldet sich das Trio nach langer Pause zurück – und „Hell", das 13. Studioalbum, überrascht mit einer Leichtigkeit, spielerischen Freude und gewitzten Texten, die man dem Dreier nach dem 2013 eher mau aufgenommenen „auch" so wohl gar nicht mehr zugetraut hatte. Das bereits vorab veröffentlichte „Morgens Pauken" von Gonzalez und Bela B. überzeugt mit schnellem und punkigem Riff. Textlich gehen sie wieder auf die Suche danach, was sich heutzutage alles Punk nennen darf – einfach alles.
Ebenfalls vorab gab’s „True Romance" von Farin Urlaub, das mit lockerleichter Reggae-Strophe und mega-eingängigem Pop-Refrain punktet. Im neuen Fan-Favoriten „Ich, am Strand" nimmt der blonde Hüne außerdem das Streaming-Zeitalter auf die Schippe und handelt Instagram-Lullis ironisch ab.
Belas Sternstunde auf dem Album ist wohl seine Oi!-Hymne „Alle auf Brille", in der er mit Asi-Skinhead-Stimme seine Gewaltbereitschaft erklärt – die natürlich irgendwann auf ihn zurückfällt.
Dass Die Ärzte neben frecher Ironie wie in „Thor" immer wieder auch sowohl textlich wie musikalisch ernstere Töne wie in Rods „Polyester" oder Farins „Leben vor dem Tod" auf die Platte bannen, erweitert das Vergnügen deutlich. Sie zeigen sich mit der Mikroplastik-Thematik am Puls der Zeit und mit dem Beschreiben einer zerbrochenen Liebe zeitlos. Das zweite Comeback darf also als geglückt bezeichnet werden.