Längst steht Porto nicht mehr im Schatten von Lissabon. Vor allem mit seinem angesagten Museumsviertel Wow ist die Metropole in Nordportugal beliebtes Ziel für Kulturinteressierte.
Am Ufer des Duero lassen die Portuenser ihre Beine über den Kai baumeln, Besucher warten auf ein Ausflugsschiff oder genießen den Blick über den Fluss zu den traditionsreichen Portweinhäusern. Gegenüber schunkeln die Rabelos im Wasser. Auf diesen Schiffen wurden einst die Portweinfässer nach Porto gebracht.
In einem Café in der Ribeira, dem Altstadtviertel am Fluss, sitzen Miriam Querol, Nicola Osswald und Miquel Azevedo bei Cappuccino und frischem Orangensaft in der Sonne. „Porto hat sich in den letzten Jahren sehr verändert, es ist viel schöner geworden“, sagt der Portugiese Miquel. Die Stadt sei längst nicht mehr nur die kleine Schwester von Lissabon. Viele der alten Häuser sind in den letzten Jahren renoviert worden, junge Designer haben Läden und Restaurants mit bodenständiger wie moderner portugiesischer Küche eröffnet. Dazwischen stehen prächtige Gebäude in verschnörkeltem Barockstil, hin und wieder auch ein Haus, an dem der Zahn der Zeit nagt, und das Meer und die Weinberge sind immer zum Greifen nah. „Diese Mischung sorgt für den besonderen Charme“, sagt Nicola Osswald aus dem Saarland.
„Lasst uns auf die andere Seite nach Vila Nova de Gaia fahren und Wow, die neueste Attraktion der Stadt, besuchen“, schlägt Miquel vor. Oberhalb des südlichen Ufers des Dueros und eine kleine Gasse hinauf eröffnet sich ein weitläufiger Platz, wie eine riesige Terrasse mit schicken Cafés und Restaurants. „Was für eine Aussicht“, staunt Miriam Querol. Vor ihnen liegen der Duero, die bunten Häuser der Altstadt mit der Kathedrale im Hintergrund und die von Gustave Eiffel gebaute zweistöckige Stahlbrücke Ponte Dom Luís I, die beide Seiten verbindet. Der Duero, der in Nordspanien entspringt, fließt hinter Porto durch ein Tal, das berühmt für seine Weine ist und seit 2001 zum Unesco-Weltkulturerbe zählt.
Auf 300.000 Quadratmetern erstreckt sich Wow – die World of Wine – mit sieben Museen ein wahrer Kulturkoloss inmitten des historischen Weinkellerviertels. Porto ist zwar berühmt für den Portwein und die erstklassige Weingegend, doch im Wow geht es um mehr als nur Wein. Die interaktiven Museen widmen sich Kultur, Tradition und Kunst. Es geht um Kork, Design, die Geschichte der Region, historische Gläser, wechselnde Kunstausstellungen und natürlich um Wein. Und da Schokolade so gut zu Portwein passt, auch um süße Köstlichkeiten. Shops mit schönen Dingen und Spezialitäten zählen dazu.
Wein und Schokolade in alter Architektur
Dafür wurden alte Portwein-Lagerhäuser aus dem 18. Jahrhundert restauriert und mit modernen Architektur-Elementen und dunklem Glas ergänzt. Um die Kulisse der Stadt nicht zu zerstören, wurde in die Tiefe statt in die Höhe gebaut. So befinden sich viele Museumsräume auf einer unteren Ebene. Finanziert wurde das millionenschwere Projekt durch die Fladgate-Partnership-Gruppe, zu der mehrere Portweinfirmen wie Taylor’s und Croft sowie Weingüter und Hotels zählen, mithilfe von EU-Mitteln.
Nach der großzügigen und eleganten Eingangshalle beginnt das Weinmuseum mit einer riesigen, in alle Schichten zerlegten Weintraube. Hier erfahren Besucher auf anschauliche und informative Weise alles über den Wein der verschiedenen Regionen der Welt und vor allem Portugals, den Einfluss von Böden und Klima, die Herstellung und über Geruch und Geschmack. Wer mehr erfahren möchte, kann einen Workshop in der Weinschule des Wow besuchen. Angebote gibt es für Experten wie Anfänger. „Viele Leute trinken gern Wein, wissen aber nicht, warum ihnen der eine schmeckt und der andere nicht“, sagt die Wein-Expertin Anne Marie Faustino. Es mache Spaß, das herauszufinden.
Voller Überraschungen ist auch die Ausstellung Planet Kork. Eine lebensgroße künstliche Korkeiche soll Besucher am Eingang auf die Welt des Korks einstimmen. Portugal ist der weltweit größte Produzent des natürlichen Rohstoffs, mit über 50 Produzent Anteil an der Gesamtproduktion. Längst werden aus Kork nicht nur Verschlüsse für Weinflaschen hergestellt. Das vielseitige Material kommt in der Luft- und Raumfahrttechnologie ebenso wie bei Raumausstattungen und in der Modewelt zum Einsatz. Schon die alten Ägypter und Römer nutzten Kork zur Isolation ihrer Häuser und für Sandalen. So gehören das Handwerk und der Beruf des Korkschälers zu den ältesten Portugals. Die Korkeichen wachsen vor allem im Alentejo, im Süden des Landes. Erstmals im Alter von 25 Jahren und dann alle neun Jahre kann die knorrige Rinde abgenommen werden. Das elastische, durchlässige und schlecht brennbare Material wird in kleinen Manufakturen und großen Fabriken verarbeitet und für die Verwendung in verschiedensten Branchen weltweit exportiert.
Wer zum ersten Mal nach Porto kommt, findet in einem der Museen auch Hintergrundinformationen für die eigene Entdeckungstour durch die Stadt. Animierte Filme, interaktive Karten und zahlreiche Exponate führen unterhaltsam durch die Geschichte. Das Fundament für den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt schuf das portugiesisch-englische Königshaus Portugals, aus dem auch der lukrative Handel mit England hervorging. Mit Heinrich dem Seefahrer, dem in Porto geborenen Sohn des Königspaares, wurde Portugal eine aufstrebende reiche Seemacht.
In den vergangenen Jahren haben immer mehr Besucher aus Portugal und der ganzen Welt Porto als beliebtes Reiseziel entdeckt. Doch neben den Sehenswürdigkeiten und der besonderen Lage mangelte es an Museen, die etwas über die Stadt, die Region und das kulturelle Erbe erzählen. Die Initiatoren wollten einen Ort schaffen, der vom Zentrum gut erreichbar ist und den kulturellen Schatz der Region zeigt und erlebbar macht. „Wow stärkt Porto als kulturelle Destination, sie erzählt nicht nur die Geschichte des Weins, für den Porto weltberühmt ist, sondern von der Stadt, den Menschen und den Ereignissen durch die Jahrhunderte“, sagt der Geschäftsführer Adrian Bridge. Gleichermaßen hatten sie das Ziel, einen Ort für die Bewohner der Stadt und der Umgebung zu schaffen, den sie selbst als Bereicherung sehen und wo sie gern Zeit verbringen. Bridge persönlich freut es, dass seine Sammlung besonderer Gläser und Trinkgefäße, von denen einige mehrere Tausend Jahre alt sind, im Wow eine Heimat gefunden hat. Auch für Maria Gambina ist das neue Kulturviertel ein Gewinn für Porto. „Viele Leute wissen viel zu wenig über ihre Stadt, hier erfahren sie alles“, sagt die Modedesignerin, deren Kreationen aus korkbeschichteten Stoffen im Design- und Textilmuseum zu sehen sind.
Geschichte des Weins und der Stadt
Nach fünf Jahren Bauzeit wurde die World od Wine 2020 eröffnet – und musste mit Beginn der Pandemie nach wenigen Wochen wieder schließen. Inzwischen hat sich das neue Kulturviertel zu einem beliebten Ort entwickelt. „Das ist wirklich ‚wow‘, hier kann man Tage verbringen“, sagt die Saarländerin.
Das Gelände wird das ganze Jahr hindurch mit Events bespielt – der Sommer steht ganz im Zeichen der Musik, wenn zahlreiche Live-Bands auftreten. Im Oktober steht Wow-Porto Kopf, denn dann wird nicht wie üblich vornehmlich Wein serviert, sondern Bier. Acht Tage lang werden fast 100 Biersorten nationaler Craftbeer-Brauereien ausgeschenkt – mitten im einstigen Weinkellerviertel.