Nach der 4:6-Pleite im Hinspiel bietet Hertha BSC auch beim zweiten Aufeinandertreffen mit dem 1. FC Magdeburg viel Spektakel. Zufrieden zeigt sich Trainer Pal Dardai mit der Leistung dennoch nicht.
Kurz vor der Halbzeitpause am Freitag vergangener Woche bewies Florian Exner ein gutes Fingerspitzengefühl, als die Ausführung einer Ecke für den 1. FC Magdeburg durch die in den letzten Wochen massiv auftretenden Tennisballwürfe aus dem Fanbereich verzögert wurde. In diesem Fall war es also wieder die Ostkurve des Olympiastadions, wo die Anhänger von Hertha BSC einmal mehr ihren Unmut über die mögliche Zusammenarbeit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) mit einem Investor zum Ausdruck brachten. Der 33-jährige Schiedsrichter ging zur Kontaktaufnahme über, sprach mit den Trainern und Kapitänen beider Mannschaften sowie den Verantwortlichen des VAR im „Kölner Keller“. „Wir haben regeltechnisch die Möglichkeit, die Halbzeit bei schwerwiegenden Verletzungen oder solch einem Szenario wie heute vorzuziehen“, erklärte der aus Münster stammende Unparteiische nach dem Spiel. Ein Fakt, der vielen so noch nicht bekannt gewesen sein dürfte – doch der Unparteiische erwies sich in Zusammenarbeit mit den unmittelbar Beteiligten als Kommunikationstalent und der Twitter-Account von Hertha BSC meldete bereits unmittelbar nach dessen Entscheidung, kurzerhand zur Pause zu bitten, dass das Spiel nach dem Gang in die Kabine mit dem Eckball fortgesetzt würde. So kam es dann auch zu diesem wohl historischen Moment: Nach der Rückkehr auf den Platz führten die Gäste die Ecke aus und die Teams brachten die vier Minuten Nachspielzeit des ersten Durchgangs zu Ende. Der Abpfiff hatte dann den unmittelbaren Seitenwechsel und den sofortigen Beginn der zweiten Halbzeit zur Folge – ein Vorgehen, das manchen der Protestierenden vielleicht überrumpelte. Jedenfalls konnte das Spiel danach ohne größere Unterbrechung – schon gar nicht eine extrem lange wie im Heimspiel gegen den Hamburger SV zuvor – durchgeführt werden. Pal Dardai zeigte sich anschließend zumindest dahingehend sehr zufrieden: „Wir waren einverstanden mit dem Referee, der war gut heute.“
Gute Leistung von Florian Exner
Weniger begeistert war der Trainer von Hertha BSC jedoch über den Auftritt seiner Mannschaft – obwohl die knapp 53.000 Zuschauer ein höchst unterhaltsames Spiel zu sehen bekamen, inklusive eines 3:2-Siegs für Hertha BSC. „Jetzt bin ich sauer: so viele Kontermöglichkeiten, da musst du eigentlich Tore für drei Spiele machen – wir haben Glück, dass wir nicht noch 3:3 gespielt haben“, wetterte der Ungar nach Abpfiff. Nicht zuletzt, weil der Gegner schon vor der (vorgezogenen) Halbzeitpause durch einen Platzverweis für Hugonet in Unterzahl spielen musste. Doch der Reihe nach: Im Duell zweier Teams aus dem Tabellenmittelfeld war Hertha BSC zunächst das dominante Team. Dennoch gerieten die Berliner in Rückstand, als Atik nach 22 Minuten in Folge eines ersten Geistesblitzes der Elbestädter zum 0:1 traf – anschließend lag sogar der zweite Gästetreffer in der Luft, dann aber erwies sich der zum zweiten Mal wieder in der Hertha-Startelf aufgebotene Fabian Reese als Gamechanger. In der Phase jedenfalls, als seine Mannschaft den Faden zu verlieren drohte, erzwang er im Zweikampf mit Amaechi einen Foulelfmeter, den er auch noch höchstselbst zum wichtigen Ausgleich verwandelte. Nun waren es auf einmal die Magdeburger, die die Spielkontrolle verloren – nach der erwähnten Roten Karte wegen einer Notbremse gegen Jonjoe Kenny traf auch noch Palko Dardai mit dem aus der Szene resultierenden Freistoß sehenswert zum 2:1. Die überraschende Entscheidung des Schiedsrichters war dann quasi der Gipfel des Amüsements im ersten Abschnitt. Nach der Unterbrechung und „der vielleicht kürzesten Halbzeitpause des deutschen Profifußballs“ („Kicker“) spielten die Gäste – typisch für ihren Trainer Christian Titz – allerdings wieder forsch mit und ließen die numerische Unterlegenheit kaum feststellen. Obendrein trafen sie auch noch bald zum 2:2, als sich Herthas Defensive bei einem kurz ausgeführten Eckball nicht auf der Höhe des Geschehens zeigte. Doch der offensive Stil macht den FCM auch immer wieder verwundbar – gerade in Unterzahl und im Fall eines Ballverlustes. So geschehen nach einer knappen Stunde Spielzeit, als Torwart Reimann zwar einen aus einem Fehler im Aufbau resultierenden Schuss von Haris Tabakovic abwehren konnte, Reese aber zur Stelle war und seinen zweiten Treffer des Abends erzielte. Trotz Überzahl ließ Hertha BSC in der Folge dem spielwilligen Gegner die Initiative und setzte auf Umschaltspiel, das allerdings ein ums andere Mal – siehe Pal Dardais Kritik – nicht konsequent zu Ende gespielt wurde. So mussten sich die Hauptstädter in der Tat noch einmal mit Fortuna im Bunde zeigen, als Magdeburgs Ito in der Nachspielzeit Pech mit einem Lattentreffer hatte.
Den Rechenschieber wieder ausgepackt
Bei allem Ärger des Hertha-Trainers, der sich namentlich auch einmal mehr an seine zu passive „Doppel-6“, bestehend aus Aymen Barkok und Andreas Bouchalakis, richtete, gab es allerdings auch einige positive Aspekte jenes Freitagabends. So erwies sich Fabian Reese schon wieder auf bestem Weg zu alter Form, auch bei Palko Dardai zeigt der Trend nach langer Verletzungspause ganz klar aufwärts. Erfreulich ebenso, dass sein Bruder Marton (nach Infekt) und Tabakovic (nach Knieproblemen) schneller als erwartet wieder einsatzbereit waren und die Personalsorgen auf diese Weise nicht mehr ganz so arg wie zunächst befürchtet ausfielen. Dazu kamen auch Linus Gechter (nach Infekt) und auch der langzeitverletzte Youngster Ibrahim Maza zu Kurzeinsätzen. In der Verteidigung konnte es sich Pal Dardai sogar leisten, Kapitän Toni Leistner 90 Minuten auf der Bank zu lassen. Berlin wäre aber nicht Berlin, wenn nach dem zweiten Sieg der Hertha in Folge nicht doch der Rechenschieber wieder aus der Schublade geholt würde. Und ganz sachlich bewertet: Nach den Patzern des Hamburger SV, aber auch der SpVgg Greuther Fürth, von Fortuna Düsseldorf und des SC Paderborn an den vergangenen beiden Spieltagen ist der Relegationsplatz auch wieder nur noch sechs Zähler entfernt – bei immer noch zwölf zu absolvierenden Spielen. Allerdings gilt es für höhere Ziele als den derzeitigen achten Rang, die immer noch auftretenden Leistungsschwankungen endgültig in den Griff zu bekommen. Außerdem werden bei der im Aufwärtstrend befindlichen, aber weiter abstiegsbedrohten Braunschweiger Eintracht (15 Punkte aus den letzten sieben Partien) am Samstag wieder vor allem kämpferische Tugenden gefragt sein.