Der neue Bundestrainer Henrik Rödl soll den Aufschwung der Basketball-Nationalmannschaft fortsetzen. Die Aussichten sind dank der vielen Talente im Team glänzend.
Wenn der Vorgänger so positiv über seinen Nachfolger spricht, dann irritiert das zunächst. „Er ist ein großartiger Trainer. Sie können keinen besseren finden", sagt der ehemalige Basketball-Bundestrainer Chris Fleming über den Mann, der seinen Posten übernommen hat: Henrik Rödl.
Die ungewohnt freundlichen Worte haben drei Gründe: Zunächst einmal war es Flemings eigene Entscheidung, sich fortan voll und ganz auf seine Aufgabe als Co-Trainer des NBA-Clubs Brooklyn Nets zu konzentrieren. Außerdem war Rödl seit Januar Flemings Assistent mit der klaren Aussicht auf eine Beförderung. Und nicht zuletzt hält Fleming tatsächliche große Stücke auf Rödl. Und nicht nur er. Zahlreiche Basketball-Experten trauen dem EM-Helden von 1993 zu, den Aufschwung des Nationalteams um NBA-Star Dennis Schröder fortzusetzen. Dabei will Rödl gar nicht viel anders machen als sein Vorgänger.
„Wir haben drei Jahre lang eine Spielkultur in die Nationalmannschaft etabliert, und ganz offensichtlich funktioniert sie, das Spielsystem passt", sagt der 48-Jährige. „Es wäre daher nicht clever, würde ich das alles wieder umschmeißen. Ich möchte daran anknüpfen und nicht viel verändern."
Denn Rödl weiß: Das jetzige Team ist mehr als nur Schröder. Es gebe „sehr talentierte, sehr junge und entwicklungsfähige Spieler", schwärmt der 178-malige Nationalspieler. „Ich glaube, da wächst etwas zusammen." Irgendwie fühlt er sich an das Team von 1993 erinnert, das mit ihm als Spieler sensationell Gold bei der Europameisterschaft gewann: „Unser Team damals hatte auch eine lange Entstehungsphase." Ein gutes Omen für einen Titel nach langer Durststrecke? „Ich weiß nicht, ob es wieder so sein wird", sagt Rödl, „aber ich kann mir schon vorstellen, dass wir wieder ganz oben anklopfen können."
Das große Potenzial hat das Nationalteam kürzlich bei der EM angedeutet, als Schröder und Co. erst im Viertelfinale am späteren Bronzemedaillengewinner Spanien scheiterten. Trotz zahlreicher Spielerabsagen war die DBB-Auswahl von der internationalen Spitze nicht weit entfernt. Sie hat den Abschied von NBA-Superstar Dirk Nowitzki überraschend gut kompensiert, vielleicht hat er das Team auch noch stärker gemacht, weil jeder Einzelne nun mehr gefragt ist. Ex-Coach Fleming ist sich jedenfalls sicher: „Diese Generation spielt in den nächsten Jahren um Medaillen." Mit 25,6 Jahren war das deutsche Team das jüngste bei der Europameisterschaft, und es hatte einen Ausnahmekönner in seinen Reihen, an dem auch Rödl als Bundestrainer seine Freude haben will: Dennis Schröder.
„Wieder ganz oben anklopfen"
„Dennis hat sich ja in allen Bereichen verbessert. Er ist ein überragender Spieler", sagte Rödl dem „Tagesspiegel". Sportlich habe der Point Guard auch in den vergangenen Jahren überzeugt, „jetzt ist er aber auch toll im Umgang mit den anderen", berichtet Rödl. Er sieht in der herausragenden Stellung des NBA-Profis kein Problem: „Er ist der Star der Mannschaft, er hat unglaubliche Qualitäten, und er spielt in den Überlegungen des Gegners eine große Rolle. Aber das Turnier hat gezeigt, dass wir noch viele weitere Spieler mit sehr, sehr hoher Qualität haben."
Dazu zählt NBA-Neuling Daniel Theis (25), der mit Schröder auf dem Parkett hervorragend harmoniert. Bei den Boston Celtics wird Theis weiter Erfahrungen sammeln und sich sehr wahrscheinlich verbessern, genau wie Maxi Kleber (Dallas Mavericks) und Paul Zipser (Chicago Bulls), die bei der EM aufgrund der NBA-Vorbereitung fehlten, in der Nationalmannschaft aber künftig wieder eine wichtige Rolle spielen sollen.
Auch die heimische BBL liefert wieder mehr deutsche Talente für die DBB-Auswahl, die „6+6"-Regel, nach der mindestens sechs Spieler einer Mannschaft einen deutschen Pass haben müssen, zahlt sich aus. Deutsche Spieler sind inzwischen auch besser ausgebildet, sie dürfen deshalb in der Liga auch mehr Verantwortung übernehmen. „Es ist eine Frage der Qualität", sagt der Bundestrainer. „Die Tendenz ist positiv, aber sicher gibt es noch einiges zu tun."
Mit der guten Perspektive wächst jedoch auch der Druck auf Rödl. Größere Rückschritte sind in der Entwicklung nicht eingeplant, dafür stehen zu wichtige Turniere auf dem Plan: die WM 2019 in China, Olympia 2020 in Tokio, die EM 2021, die zum großen Teil in Deutschland stattfinden soll. Doch schon die Ende November beginnende WM-Qualifikation hat ihre Tücken: Weil sich die nordamerikanische Profiliga NBA und die EuroLeague weigern, ihre Profis für das Länderspielfenster freizugeben, stehen Rödl die besten Spieler wie Schröder von den Atlanta Hawks nicht zur Verfügung.
Jammern will der neue Bundestrainer deswegen nicht. „Für unsere Nationalmannschaft kann das insofern ein Vorteil sein, als wir neue Talente testen können und in der Breite besser werden", sagt er. Länderspiele während der Saison habe es schon zu seiner aktiven Zeit gegeben, „es werden sich alle Beteiligten damit arrangieren können".
Rödl, der Pragmatiker. So kennen sie ihn in Berlin, so haben sie den früheren Flügelspieler schätzen gelernt. Der gebürtige Offenbacher war ein Teamplayer, der sein eigenes Ego immer dem Wohl der Mannschaft, ja des ganzen Vereins unterordnete. Der frühere Alba-Star Wendell Alexis bezeichnete Rödl einmal als „Leim, der hier alles zusammenhält".
Seine ganze Profikarriere verbrachte er bei Alba. Das Trikot mit der Nummer vier wird dort nicht mehr vergeben. Eine große Ehre für einen Spieler, für den die Zuschauer eigentlich nicht explizit Eintritt zahlen. Rödl fiel nicht mit spektakulären Dunks auf, auch nicht mit extrovertierten Jubelposen. Rödl punktete aber konstant, und er verteidigte konstant gut. Außerdem hatte er sozusagen das „Siegergen": Von 1997 bis 2003 gewann er sieben Meisterschaften in Folge und viermal den Pokal. Rödl war ein Spieler, dessen enormer Wert für eine Mannschaft erst dann auffällt, wenn er einmal nicht spielt.
„Niemand ist besser für den Job als Henrik Rödl"
Als soliden und hart arbeitenden Typen kennt man Rödl auch in seiner zweiten Karriere. Von 2005 bis 2007 war er Cheftrainer seines Herzensclubs, er führte Alba auch zu einem Pokalsieg (2006). Doch das Viertelfinal-Aus im Kampf um die Deutsche Meisterschaft 2007 wurde ihm zum Verhängnis. Luka Pavicevic ersetzte ihn auf dem Stuhl des Cheftrainers. Rödl wurde stattdessen zum Sportlichen Leiter des Nachwuchs-Programms ernannt, auf eine zweite Chance als Alba-Trainer wartete er vergeblich. Also wechselte Rödl zu TBB Trier, wenig später übernahm er die Verantwortung bei der deutschen A2-Nationalmannschaft. Nach dem Trierer Zwangsabstieg ging Rödl zum DBB – und dort hat er nun das wichtigste Traineramt im deutschen Basketball inne.
Verbandspräsident Ingo Weiß zweifelt kein bisschen an dieser Personalentscheidung. „Er war Topspieler, Headcoach in der Bundesliga und im Nachwuchsbereich sowie Assistent-Coach bei den DBB-Herren. Niemand ist besser prädestiniert für den Job des Herren-Bundestrainers als Henrik Rödl", sagt Weiß, der deshalb auch forsche Ziele formuliert: „Wir haben jetzt gezeigt, dass wir ins Viertelfinale kommen, und bei der WM zeigen wir, dass wir ins Halbfinale kommen – und das dann womöglich auch gewinnen."
Doch Rödl warnt, dass die erste Qualifikationsrunde zur WM kein Selbstläufer wird. Vize-Europameister Serbien sei in der Deutschland-Gruppe „der große Favorit", auch gegen Georgien „wird es schwer", und „Österreich ist auf dem Papier sicher der einfachste Gegner. Aber ich erinnere mich an die EM-Qualifikation vor zwei Jahren, da hatten wir große Probleme".
Rödl will aber nicht mit aller Macht auf die Euphoriebremse treten, er ist froh, dass seine Sportart durch die starken Auftritte des Nationalteams wieder etwas mehr Aufmerksamkeit erfährt. Einige Senderchefs dürften sich geärgert haben, dass sie von der EM keine Livebilder übertragen haben. Das soll sich künftig wieder ändern. „Das geht nur über Erfolge", weiß Rödl, „dann ist man auch wieder interessanter für die mediale Berichterstattung."
Die ersten Schritte sind getan, die weiteren sollen unter Rödl folgen. Vielleicht ja bald auch unter den Rödls: Sohn Elias spielt bei Alba erfolgreich Basketball, er hat es bereits zum Junioren-Nationalspieler gebracht.