Das Internationale Jazzfestival in St. Ingbert findet vom 19. bis 22. April statt. Bereits zum 32. Mal sorgen Stefan Folz und sein Team vom Kulturamt für ein hochkarätiges Programm. Dabei sind regionale Formationen und Weltstars.
Endspurt beim 32. Internationalen Jazzfestival in St. Ingbert. In den vergangenen Wochen ging es beim Kulturamt der Stadt turbulent zu. Neben krankheitsbedingten Ausfällen und Pressearbeit musste für den letzten Festivaltag ein neuer Act gefunden werden. Die junge Sängerin Carminho springt ein. Mit Leib und Seele steht sie für Fado. Der portugiesische Musikstil verkörpert, wie der Name übersetzt bereits andeutet, vor allem schicksalshafte Inhalte. Trotz ihrer gerade einmal 31 Jahre hat sie die melancholische Tragik, die tiefe Sehnsucht und den emotionalen Schmerz des Fado verinnerlicht und trägt ihn mit Ausdruckskraft und tief empfundener Leidenschaft vor.
Bereits 2005 wurde Carminho von der Stiftung Amália Rodriguez als beste Newcomerin geehrt, und sie ist dem Erbe dieser Ikone des Fado treu geblieben. Denn auch wenn Carminho dem Fado musikalisch einen frischen Wind beschert, bleibt ihre Musik untrennbar verbunden mit der Sonne, dem Meer, der Liebe und der Sehnsucht. In Portugal gilt sie unter Fans und Kritikern gleichermaßen als eine der größten Stimmen unserer Zeit und auch auf den internationalen Bühnen werden die sensationellen Auftritte der jungen Fadista als musikalische Offenbarung gefeiert. „Die haben sowohl in der Elbphilharmonie Hamburg als auch in Berlin und in der Philharmonie Luxembourg in der Vergangenheit für ausverkaufte Veranstaltungen gesorgt. Daher bin ich optimistisch, das auch in St. Ingbert zu erreichen und mindestens 700 Musikbegeisterte in der Stadthalle zu zählen", plant Stefan Folz vom St. Ingberter Kulturamt.
Fado bedeutet übersetzt Schicksal
Das Konzept des St. Ingberter Jazzfestivals hat sich im Laufe der mehr als 30 Jahre seines Bestehens mehrfach gewandelt. „Zwei Dinge sind jedoch gleichgeblieben: die Internationalität und die Nähe zu aktuellen Trends. In den letzten Jahren – und auch 2018 – geht es zudem um das Spannungsfeld zwischen traditionellem Jazzverständnis und dessen Entwicklung in den unterschiedlichen Ländern und Kulturen. Das ist nicht nur spannend, sondern auch verblüffend unterhaltsam", erläutert Folz das Konzept, „Ach ja, eine dritte Konstante soll nicht vergessen werden: Das Festival soll Spaß machen. Sowohl dem Publikum als auch den Künstlern und allen anderen Beteiligten."
Ein Motto gibt es dieses Jahr nicht. „Aber wenn wir eines benennen wollten, dann wäre das ‚Europa wandelt den Jazz‘. Wir reisen zum einen nach Polen, dem ein ganzer Abend gewidmet ist. Es ist unglaublich spannend, was in unserem Nachbarland jazzmäßig passiert ist. Zudem der Jazz dort eine viel größere Stellung einnimmt als beispielsweise in Deutschland", berichtet Folz. Am Samstagabend werden unter Polski Jazz neben dem Adam Jarzmik Quintet noch Leszek Możdżer und Susan Weinert Global Players Trio auftreten. Für Frankreich werden No Jazz für Unterhaltung sorgen. Die französische Formation verwandelt seit mehr als 15 Jahren Jazzkonzerte zum Dancefloor. Wie das klingt, durften die Besucher des St. Ingberter Jazzfestivals bereits 2004 erfahren. Schon damals überzeugten die Franzosen mit unbändiger Freude am Rhythmus und verwandelten den Konzertsaal in eine Partymeile. Das liegt an den ganz unterschiedlichen Biografien der Musiker. Sie strotzen vor Energie. Abwechslungsreiche Grooves, treibende Bläser und einprägsame Hooklines preschen durch die Konzerte und machen gute Tanzlaune. So richtig was zum Feiern. Funk und Hip Hop als Basis fusionieren mit den druckvollen Elementen moderner Clubmusik und ausgewählten Weltmusikanleihen aus der Karibik oder dem Nahen Osten. Scratches, Samples und sonstiger Elektronikzauber verschmelzen mit den Instrumentalisten.
Ebenfalls am Freitag zu hören ist Indra Rios-Moore. Die Jazz-Auffassung der Sängerin aus New York, deren Lebensmittelpunkt inzwischen in Barcelona liegt, ist von Gospel, erdigem Blues-Verständnis und den Popmusik-Befindlichkeiten großer Helden wie Steely Dan geprägt. Dass er sich, wie jede andere Kunstform auch, zum Polarisieren eignete, war der Tochter des Jazzbassisten Don Moore zunächst nicht bewusst. Rios-Moore erinnert sich an die Arbeit zu ihrem aktuellen Album: „Mein Vorhaben war im Sommer 2016, ein optimistisches Album aufzunehmen. Im Plattengeschäft wird unentwegt gejammert, weil keiner mehr Geld mit Musik verdient. Mir schwebte vor, diesem kollektiven Lamento etwas Fröhliches entgegenzusetzen. Während dieser Zeit schrieb ich den Titelsong ‚Carry My Heart‘ vor dem Hintergrund der vielen Menschen, die vor Kriegen und Armut nach Europa flüchteten und der avisierte Optimismus wurde zum schweren Mut. Und dann wurde Trump zum US-Präsidenten gewählt, woraufhin sich mein Vorhaben endgültig veränderte. Zunächst Richtung Ohnmacht." Schließlich entschied sie sich, ihr neues Album als Gegenentwurf zur politischen Realität Amerikas zu dimensionieren.
Unterschiedliche Musiker-Biografien
Die Arrangements klingen fein justiert und bedächtig gewählt. Sie sind aber vor allem das Resultat des Bandsounds, den Indra Rios-Moore mit ihrem Ehemann und Saxofonisten Benjamin Traerup, Bassist Thomas Sejthen, Schlagzeuger Knuth Finsrud und Gitarrist Samuel Hallkvist fand. Aufs Wesentliche reduziert, räumen die Arrangements der beseelten Stimme Rios-Moores Platz zum buchstäblichen Atmen ein. „Ich hoffe, dass ‚Carry My Heart‘ mit Qualität und Sentiment berührt und zum Luftholen in einer Realität anregt, in der die Schattenwelt des Geldes unsere Menschlichkeit redundant zeichnet", so die Sängerin über ihre Arbeit, mit der sie das Publikum für sich gewinnen will.
Verstärkt waren in den vergangenen Jahren Jazzfreunde aus Frankreich unter den Zuhörern. Neben Saarländern werden Besucher aus Kaiserslautern, Pirmasens, Trier und Luxemburg erwartet.
Den Auftakt machen am Donnerstag das Silent Explosion Orchestra. Ähnlich dem Vorspann eines Filmes wird der saarländische Komponist, Big-Band-Leiter und Schlagzeuger Kevin Naßhan die Arbeit seiner CD „Jazznart Records Release: Silent Explosion Orchestra by Kevin Naßhan – Prologue" live präsentieren. Bei seinem Debütalbum eine 17-köpfige Big Band, zwei Sänger und zusätzliche Streicher zu koordinieren und als schlagzeugspielender Taktgeber zu dirigieren ist schon etwas Besonderes, dann aber auch noch als Komponist zu fungieren und es mit eben dieser Produktion zu schaffen, die wohl talentiertesten Musiker einer Generation und eines ganzen Bundeslandes zu einen, das beeindruckt.
Das Silent Explosion Orchestra zeigt mit seinen Sängern Svenja Linzmann und Andreas Braun eine große musikalische Vielfalt, welche von jazzigen Eigenkompositionen, über die Bearbeitungen bekannter Welthits von beispielsweise Sting und Joni Mitchell bis hin zu hymnischen und melancholischen Melodien reicht.
Eine attraktive Stadt für ihre Bürger
Um ihre Gagen brauchen die Musiker nicht zu fürchten. Folz betont: „Das Jazzfestival St. Ingbert ist finanziell sehr stabil und ‚Saarbrücker Verhältnisse‘ (der Verein Jazz-Syndikat Saarbrücken hat Musikergagen veruntreut Anm. d. Red.) sind hier undenkbar. Alle Einnahmen und Ausgaben werden streng durch unsere Rechnungsprüfung kontrolliert. Und wenn ich streng sage, so meine ich das auch."
Das Budget wird jeweils für zwei Jahre vom Stadtrat im Rahmen der Haushaltsberatungen festgelegt. Ein Ausgabevolumen von 80.000 Euro darf aktuell nicht überschritten werden. Darin enthalten sind neben den Personalkosten auch die Hallenmiete. „Dennoch ist die Veranstaltung keine Selbstverständlichkeit und wir müssen immer wieder gute Argumente bringen, damit unser Stadtrat genügend Geld zur Verfügung stellt. Doch echte Sorgen mache ich mir nicht. Denn zum einen gehören sowohl das Jazzfestival als auch die St. Ingberter Pfanne dazu, um eine Stadt für Bürger attraktiv zu machen. Zum anderen fördert es die kulturelle Bildung gerade junger Menschen", unterstreicht Folz seine Argumente. Im vergangenen Jahr gab es einen Besucherrückgang, ein Minus von 300 Leuten. „Schwankungen in der Zahl der Besucher sind kein Grund zur Sorge. Außer, es gäbe einen durchgängigen Rückgang in den Publikumszahlen, was bei uns nicht der Fall ist. Wir haben in der Region schätzungsweise einen Stamm von 300 bis 400 Jazzfans. Alles, was darüber hinausgeht, muss auf andere Art motiviert werden. Zum Beispiel durch bekannte Künstler, die auch außerhalb der Jazzszene einen Namen haben. Oder durch die Gestaltung der Abende, die einfach ein unterhaltsames und angenehmes Wochenende versprechen", weiß Folz aus Erfahrung.
„Doch ganz gleich, wie das Programm aussieht – wenn die Menschen keine Informationen bekommen, bleibt die Halle leer. Wir sind auf die Kooperation mit Rundfunk, Fernsehen und Printmedien angewiesen, die unser Festival dankenswerterweise redaktionell begleiten. Ohne ausführliche Informationen durch Tageszeitungen und andere Periodika – wie auch das FORUM-Magazin – ist eine Veranstaltung wie das Internationale Jazzfestival St. Ingbert nicht durchzuführen. Zudem gibt es eine eigene Werbestrategie für Frankreich, wo der Jazz einen hohen Stellenwert hat."