Schauspiellegende Katharina Thalbach gehört zu den gefragtesten Darstellerinnen des Landes. Auch heute schwört sie noch auf ihre Geburtsstadt Berlin, lebt aber seit vielen Jahren in der brandenburgischen Prignitz.
Im oscarprämierten Film „Die Blechtrommel“ sorgte die gebürtige Ostberlinerin 1979 im Westen erstmals für Furore. Im Doku-Drama „Friedrich –
Ein deutscher König“ mimte sie den Alten Fritz unnachahmlich. Gleichzeitig brillierte sie in Kinderfilmen wie „Hände weg von Mississippi“ oder „Hanni & Nanni“. Im Theaterstück „Der Hauptmann von Köpenick“ vertrat sie 1996 aber auch Harald Juhnke, als der wieder mal abgestürzt war: Katharina Thalbach zählt zu den wandlungsfähigsten und gefragtesten Schauspielerinnen des Landes.
Regisseure sind froh, sie verpflichten zu dürfen: So auch für den dritten Film der Komödienreihe „Extraklasse – On Tour“ mit Axel Prahl, der Mitte Dezember erfolgreich im ZDF lief (und in der ZDF-Mediathek abrufbar ist). Viel Aufhebens macht die fleißige Filmarbeiterin, Regisseurin, Synchron- und Hörspielsprecherin um ihre Rollen nicht. Das übernehmen schon die Medien. Thalbach hat keinen Nerv für Tratsch und Geplänkel. Umso schöner, dass die Mimin Zeit für ein Interview mit FORUM fand.
Der jüngste Dreh mit Axel Prahl – Prahl spielt einen Abendschullehrer, Katharina Thalbach seine Mitbewohnerin – sei wie am Schnürchen gelaufen. „Axel ist ein toller, professioneller Kollege. Aus den ersten zwei ‚Extraklasse‘-Filmen kannten wir die zu spielenden Charaktere ja bereits, mimten auch vorher schon mal ein Ehepaar“, so die Urberlinerin. Beim Dreh mit neuen Kollegen sei sie ansonsten durchaus aufgeregt.
Vielseitig auf der Bühne und im Film
„Das ist, wie wenn man in eine neue Klasse kommt und erst mal guckt, wie die Mitschüler so sind.“ Lampenfieber im eigentlichen Sinne sei das jedoch nicht. Anders ist es im Theater: Gerade vor Premieren plagen Katharina Thalbach eigenen Worten nach durchaus auch Versagensängste. „Ich beneide die Kollegen, die das nicht haben, muss da aber eben durch“, so die gefragte Filmkünstlerin. Alkohol sei absolut tabu, um auf der Bühne locker zu werden. Das galt selbstverständlich auch während der Zusammenarbeit mit dem alkoholkranken Harald Juhnke (1929 – 2005) im Theaterstück „Der Hauptmann von Köpenick“.
„Harald war ein wunderbarer, lieber Mensch. Er konnte sich aber nicht mehr über viele Stunden konzentrieren. Wir bekamen es zunächst hin.“ Das galt zumindest bis zu Juhnkes Absturz. Danach übernahm die Regisseurin des Stücks Katharina Thalbach im Maxim-Gorki-Theater selbst die „Hauptmann“-Rolle und spielte sie grandios. Für Harald Juhnke war es die letzte große Theaterrolle. Er kehrte nicht mehr auf die Bühne zurück und lebte ab Anfang der 2000er-Jahre in einem Pflegeheim im brandenburgischen Fredersdorf-Vogelsdorf östlich von Berlin.
Ob sie Film oder Theater favorisiere – da kann sich die 69-Jährige, die am 19. Januar Geburtstag feierte, schwer entscheiden: „Beim Film gibt’s gutes Essen, einen eigenen Chauffeur und vor allem mehr Geld. Beim Theater hast du wiederum das sofortige Feedback des Publikums, der Draht ist einfach direkter“, so Thalbach, die am Berliner Ensemble (BE) schon mit 13 Jahren „Meisterschülerin“ von Bertolt-Brecht-Witwe Helene Weigel war. Schon mit 15 mimte sie die „Betty“ in der „Dreigroschenoper“. Bereits mit 13 hatte sie einen Meisterschülervertrag am Berliner Ensemble in der Tasche.
Dem Bundesland Brandenburg sei sie nicht nur wegen ihrer Begeisterung für Theodor Fontane verbunden. Hier hat sie mittlerweile auch ihren Lebensmittelpunkt! „Das stimmt, ich hab’ seit zwölf Jahren ein Häuschen in der Prignitz, aber nach wie vor eine Wohnung in Berlin.“ Die Metropole sei gefühlt immer noch ihr Zuhause. Überfüllte Züge, Touristen und schroffer Ton stören sie in der Hauptstadt keineswegs, wie sie sagt: „Und Veränderungen gehören einfach zu Berlin, auch, dass man hier Narben der Geschichte überdeutlich sieht“, so die sympathische Gesprächspartnerin. Kritisch merkt Katharina Thalbach an, dass nicht wenige Leute gezwungen seien, die Stadt wegen immer höherer Mieten und allgemein steigender Kosten zu verlassen.
Ihr Sonntagsfrühstück steige heute meist in der Prignitz. Dabei neige sie eher zum Englischen Frühstück (English Breakfast), allerdings nicht zur deftigen Variante. Tee, Knäckebrot und Schafskäse stehen fast immer auf dem Tisch. „Tief in mir steckt wohl eine anglophile Seite“, lächelt Thalbach. Die fühlt sich den eigenen Worten nach überall wohl, wo sie schnell wieder in Berlin-Brandenburg ist. Im Klartext: Fliegen muss nicht unbedingt sein. Das nahe Mitteleuropa sei jedoch jederzeit drin.
Dann plaudert die zweifache Trägerin des Bundesverdienstkreuzes über kommende Aufgaben. Ein vierter „Extraklasse“-Film sei in Vorbereitung. Auch der RTL-Streifen „Miss Merkel“ mit Katharina Thalbach in der Hauptrolle als Kanzlerin soll eine Fortsetzung finden. Mit Tochter Anna und Enkelin Nelli stehe sie ab Juni 2023 im Theater am Potsdamer Platz in „Mord im Orientexpress“ auf der Bühne. Dies sei auch wieder eine gute Gelegenheit für ein Familientreffen. So oft sehe man sich „dienstbedingt“ leider nicht. Das Arbeitspensum aller drei ist beachtlich, in erster Linie das von Katharina Thalbach: „14 Tage ohne Arbeit ist bei mir das höchste der Gefühle. Mehr Freizeit oder Pause brauche ich aber auch nicht, denn ich liebe meinen Beruf“, so die gefragte Schauspielerin, die 1976 wegen Repressalien gegen ihren Partner, den Schriftsteller Thomas Brasch, aus Berlin-Ost nach Berlin-West übersiedelte. Auslöser waren Proteste gegen die Ausbürgerung von Regimegegner Wolf Biermann. Kulturchefs der DDR hatten von ihr verlangt, dass sie sich vom eigenen Lebenspartner distanziert, beziehungsweise sich von ihm trennt, was für Katharina Thalbach nicht infrage kam. Nach einem entsprechenden Ausreiseersuchen sei sie eigenen Angaben nach „innerhalb einer Woche draußen“ gewesen.
„Ich bin eine Spielerin“
Sie ist nicht gern gegangen und habe sich erst an den Westen gewöhnen müssen, wie Katharina Thalbach erklärt. „Eigentlich wollten wir den Staat besser machen. Wir glaubten an die sozialistische Idee, fanden nur, dass sie in der DDR Scheiße umgesetzt wurde“, sagte Thalbach kürzlich in einer Talkshow im Berliner Kabarett „Distel“ mit Linken-Ikone Gregor Gysi.
Nach Hollywood habe es sie im Übrigen nie gezogen. Das sei von einigen Medien früher oft falsch beziehungsweise missverständlich dargestellt worden. Nach der von Volker Schlöndorff verfilmten „Blechtrommel“ (nach dem Roman von Günter Grass) sei sie vor über 40 Jahren vielmehr von einer Agentur nach Los Angeles eingeladen worden. Dort habe man ihr unmissverständlich klargemacht, dass sie in die Staaten umziehen müsse, wenn sie im amerikanischen Filmgeschäft erfolgreich sein wolle. Perfektes Englisch wäre zudem eine weitere Grundvoraussetzung gewesen.
„Na dit war mir nüscht“, berlinert die Mimin, Tochter von Schauspielerin Sabine Thalbach (1932 – 1966) und Regisseur Benno Besson (1922 – 2006). Auch insgesamt habe Los Angeles sie nicht überzeugt. Die Region habe auf sie eher provinziell gewirkt. Da könne sie auch in der deutschen Provinz bleiben, wie sie kürzlich im Rückblick erklärte. Ihre Rolle in der „Blechtrommel“ hätte sie den eigenen Worten nach um ein Haar gar nicht bekommen, weil sie eine Nacktszene nicht spielen wollte. Letztendlich habe man sich aber auf einen Kompromiss geeinigt und Thalbach musste nicht komplett nackt drehen, erinnert sich die Frau, die sich selbst nicht als Künstlerin oder Intellektuelle im eigentlichen Sinne sieht. „Ich bin eine Spielerin!“
Wie sie zwischen Rollenproben und Dreharbeiten entspannt? Gern beim Wäschewaschen und beim Bügeln, heißt die Antwort. Nirgends habe man so ein schnelles Erfolgserlebnis wie beim Bügeln, lächelt Katharina Thalbach: Einmal drüber „und glatt iss‘ es“!
Theaterfamilie durch und durch
Bereits im Alter von vier Jahren hatte Thalbach eine erste Rolle im Fernsehfilm „Begegnung im Dunkel“ (1958) übernommen. Eine große Kinderrolle mimte sie in „Es ist eine alte Geschichte“ (1961). Schon mit 15 Jahren debütierte sie am BE als Hure Betty in der „Dreigroschenoper“. Nach ihrem Abitur 1971 und absolvierter Bühnenreifeprüfung feierte Katharina Thalbach dann auch an der Berliner Volksbühne Triumphe. Ab Anfang der 1970er Jahre wirkte sie zudem in Kino- und Fernsehfilmen der DDR mit. Zu ihren wichtigsten Arbeiten zählten hier „Lotte in Weimar“ sowie „Die Leiden des jungen Werthers“. Nach ihrer Übersiedlung nach West-Berlin erhielt sie dort sowie in der Bundesrepublik Deutschland sofort diverse Rollenangebote in Film, Fernsehen und Theater.
Apropos Theater: Katharina Thalbach stammt aus einer angesehenen Theaterfamilie. So war ihr Urgroßvater Alois Joachim Hof Opernsänger in München und erhielt von König Ludwig II. einen Titel verliehen. Seitdem tragen seine Nachkommen den Namen „Joachim genannt Thalbach“. So heißt auch Katharina Thalbach bürgerlich: Katharina Joachim genannt Thalbach! Aus ihrer nur kurzen Ehe mit Vladimir Weigl stammt Tochter Anna Thalbach. Nach dem frühen Tod von Katharina Thalbachs Mutter 1966 kümmerte sich vor allem Helene Weigel um die schauspielerische Ausbildung des Ausnahmetalents. Während ihrer Schulzeit erhielt sie zudem auch von Doris Thalmer Schauspielunterricht.