Im Großarltal in Österreich reaktiviert die 2024 eröffnete Kieserlbahn ein jahrzehntelang im Dornröschenschlaf schlummerndes Areal für Skifahrer. An Ideen mangelt es ohnehin nicht, was topmoderne Unterkünfte, Gondel-Dinner und „Skifahren mit dem ersten Hahnenschrei“ beweisen.
Die Kieserlbahn war eine der wichtigsten Neuerungen in den Alpen in der vergangenen Skisaison. Schließlich hat hier nicht einfach nur eine neue Zehnergondel eine alte Bahn ersetzt – wie es in vielen Wintersportorten üblich ist. Nein, zur rund 70 Millionen Euro teuren Investition gehört buchstäblich eine Menge Drumherum. Das geht los bei der neu gebauten Talstation, die neben einem Servicezentrum einen Sportshop, ein Skidepot, eine Tiefgarage und ein Bistro beherbergt. An manchen Terminen fungiert die Bahn sogar als schwebendes Restaurant – beim Gondel-Dinner wird ein mehrgängiges Menü samt Weinbegleitung in der Kabine serviert. Wichtiger jedoch: „Mit der leistungsfähigen und längeren Bahn wird ein Bereich erschlossen, der bisher nur für Tourengehende erreichbar war“, sagt Peter Hettegger, Hotelier und Geschäftsführer der Großarler Bergbahnen, und bringt es damit auf den Punkt. Gemeint ist das Kieserl, eine auf 1.954 Metern gelegene Anhöhe zwischen Fulseck und Schuhflicker. Für die alte Hochbrand-Bahn, die im Übrigen ein zweites Leben im Pongauer Skigebiet Forstau findet, war deutlich unterhalb davon Schluss. Wenn die Passagiere nun nach knapp 15 Minuten Fahrt wieder aussteigen, finden sie weitere Novitäten vor: allen voran das lässig-loungige, lichtdurchflutete Panoramarestaurant „Wolke 7“, das nicht nur wegen des verlockenden Namens reihenweise von Hochzeitsgesellschaften gebucht wird. Normale Skifahrer sagen hier nämlich auch gern „Ja“, wenngleich in der Regel erst im späteren Tagesverlauf. Vorab testen sie meist erstmal die neu geschaffene Piste Nummer 11, die zur Mittelstation zurückführt, oben breit, unten im Stil eines Skiwegs. Auf der anderen Seite besteht Anschluss nach Dorfgastein, womit die beiden Orte in den Nachbartälern noch näher zusammenrücken.
Eine neu geschaffene Piste
Und was ist mit dem Umweltschutz? „Die Landschaft ist unser größtes Kapital“, beteuert Hettegger, „daher stehen die großen Baumaßnahmen ganz klar im Einklang mit dem Naturschutz.“ Und in der Tat wurde hier, abgesehen von der Auswahl der Trasse und der Situierung der Stationen, einiges unternommen, Stichwort neu geschaffene Biotope, Lärchweiden-Projekte, Trockensteinmauern und vieles mehr. Plus: Betrieben wird die Gondel mit Ökostrom aus dem örtlichen Wasser- und Biomasse-Kleinkraftwerk. Im Übrigen handele es sich beim Gebiet „Bergland“ ohnehin um ein „Großarler Ur-Skigebiet“, in dem es bereits in den 1970er-Jahren einen Schlepper gab.
An frühere Zeiten knüpfen die Großarltaler auch andernorts gern an. Etwa in Gestalt des „Salzburger Bergadvents“, wo an rund 30 kleinen „Almhütten“ in der dann autofreien Ortsmitte Kunsthandwerk und Spezialitäten aus der Region angeboten werden. Hinzu kommen weitere traditionelle Events. Krampus- und Perchtenlauf, ein über die Adventszeit hinaus begehbarer Krippenweg, dazu eine aktive Gemeinde, wo der Sinn für Tourismus dem Nachwuchs quasi in die Wiege gelegt wird: Diese Melange kommt bei den überwiegend aus Deutschland stammenden Gästen gut an. Wer hier Urlaub macht, sucht ohnehin nicht die schwersten, längsten und möglichst viele Pisten: „Es sind die weichen Faktoren, mit denen wir punkten“, sagt Thomas Wirnsperger, der den Tourismusverband seit 1991 leitet. Dazu gehören neben kostenlosem W-Lan im Skigebiet auch die ganz analogen „Ruhe-Platzl“ mitten im Skigebiet, die sich teils mit unkonventioneller und teils klassischer Bankbestuhlung abseits der Pisten befinden und neben Ruhe eine erstklassige Aussicht ermöglichen. Wer Glück hat, erspäht vielleicht ein wildes Reh.
Die Pisten sind tipptopp präpariert
Einem domestizierten Tier verdankt „Skikeriki“ seinen Namen. „Eine Wortneuschöpfung aus Ski und Kikeriki“, lernen wir von Wirnsperger, „also Skifahren mit dem ersten Hahnenschrei“. Gut, dass uns der passionierte Skifahrer an diesem Morgen begleitet, wenn es schon kein echtes Hahnengeschrei tut. Praktisch, so erfahren wir mehr über dieses Projekt. „Die Idee, eine Gruppe Skifahrer vor dem regulären Liftbetrieb auf die Piste zu lassen, hatten wir vor über zehn Jahren. Aufgrund des Erfolgs bieten wir es seither regelmäßig jeden Mittwoch an. Wenn die Nachfrage groß ist – und sie ist oft groß – sogar öfter.“ Zu oft aber auch wieder nicht, denn das Exklusive sei ja das Besondere. Der Grundsatz gilt: nur 25 Leute, nur mit Guide, nur zu bestimmten Terminen. Schlau also, wer sich rechtzeitig einen Platz reserviert hat. So wie wir heute.
Als wir um halb acht, also fast eineinhalb Stunden vor der regulären Erstfahrt, an der Bergstation auf 1.849 Metern aus den gelben Gondeln aussteigen, geht es gleich mit einer speziellen Ouvertüre los: Der Himmel über den Großarltaler Gipfeln färbt sich rot. Die Sonne lässt sich zwar (noch) nicht blicken, dafür strahlen wir umso mehr. Denn die Pisten sind tipptopp präpariert und unberührt. Wir sind wirklich die Allerersten, die ins Tal schwingen. Und nach der zweiten Auffahrt geht es auch zu anderen der insgesamt sieben Sesselbahnen rüber. Wirnsperger weiß genau, welche schon fahren und lotst uns über die attraktivsten Pistenabschnitte dorthin. Ab und an erzählt er etwas über brunftende Auerhähne (die sich gern Anfang April am Pistenrand zeigen) oder winkt Kollegen zu, die einen Hang für ein Rennen präparieren, oder dirigiert uns vor einen festinstallierten Fotoapparat – im Vordergrund ein paar bunte Sitzwürfel, im Hintergrund verschneite Bergkulisse. „Das Fotopoint-Bild könnt Ihr Euch nachher auf unserer Website kostenlos downloaden“, ermuntert uns Wirnsperger. Was uns nach zwei Stunden Skifahren noch mehr ermuntert: ein üppiges Frühstück auf der „Gehwolfalm“ am Kreuzkogel-Sechsersessel. Dort dürfen wir uns am Frühstücksbüffet bedienen. Hüttenwirtin Karin überzeugt sich persönlich, dass nicht nur ihre Übernachtungsgäste von allem genug bekommen, sondern auch die Spezialgäste. Theoretisch würde sie – da sie einziger Ski-Amadé-Weingenusspartner auf Großarler Seite ist – auch den jedes Jahr extra kreierten Ski-Amadé-Cuvée anbieten, doch „für einen Wein ist es vielleicht noch zu früh“, sagt Karin. Recht hat sie. Aber wer hier übernachtet, sollte einen der Weine probieren – auf Skihütten gibt’s Wein ja eher selten. Für einen Aufenthalt sprechen übrigens noch andere Gründe wie Sauna und die überaus gemütlichen Zimmer.
Die Übernachtungsgäste sind begeistert. Und das gilt auch für viele andere Unterkünfte im Tal, was etliche Auszeichnungen belegen. Ein paar Beispiele: Das Fünf-Sterne-Hotel „Edelweiss Salzburg Mountain Resort“, von den Hetteggers geführt, hat bei den „Falstaff Travel Spa Awards 2024“ erneut 99 von 100 Punkten abgesahnt – kein Wunder angesichts des 7.000-Quadratmeter-Wellnessbereichs, der neben einem Adults-Only-Infinity-Pool in der sechsten Etage auch einen Wasserrutschenpark beherbergt.
Bühnen-Acts und Partyabende
Freude auch beim „Familienhotel Oberkarteis“, das beim Kinderhotel-Info-Award 2022 Österreichs zweitbestes Ergebnis erzielte, und beim Nesslerhof. Das Hotel belegte beim „Connoisseur Circle 2024“ den dritten Platz in der Kategorie „Hotel für Aktive“. Es wurde im ganzen Tal aber auch wirklich viel erneuert, angebaut, modernisiert, neu geschaffen. Dazu zählen die zwei stylischen, erst Ende 2022 eröffneten Chalets namens „Onkl Xonna“ im Bergsteigerdorf Hüttschlag, das etwas südlich von Großarl noch mal deutlich mehr Ruhe verspricht (und dank Skibus dennoch eine schnelle Anbindung ans Skigebiet). Und es ist kein Widerspruch: Hier das urige Dorf mit nicht mal 1.000 Einwohnern, dort die dezent an den Hang gebauten Häuser, die mit einem supermodernen Touch und jeder Menge nicht-dezenter Extras aufwarten: Hot Tub, Outdoor-Küche samt Riesenpfanne (genial für Kaiserschmarrn oder Paella), Frühstücksservice und ein Private Dining dank Catering vom Zwei-Hauben-Restaurant „Edelweiss Mountain Cuisine“. Christian und Sonja Viehhauser, beide um die 40 Jahre alt, jedenfalls sind froh, den Rat „Wenn Ihr Chalets aufmacht, dann gleich auf Fünf-Sterne-Plus-Niveau“ beherzigt zu haben: Die Nachfrage ist groß – so wie offenbar das Bedürfnis nach Abgeschiedenheit, ohne auf Luxus verzichten zu müssen. Wer beim Skipass sparen kann, gönnt sich den Luxus womöglich. Und die Lady-Skiwoche, die Mitte März 2025 zum 24. Mal stattfindet, ermöglicht das. „Wir hatten seinerzeit mit rund 400 verkauften Wochenpaketen begonnen. Mittlerweile wird ein Vielfaches der Packages alleine von Frauen gebucht“, sagt Wirnsperger. Ein Grund für den Erfolg ist sicher der kostenlose Sechs-Tage-Skipass für jede zweite Begleitperson. Hinzu kommen Gaudi-Rennen, vergünstigte Skitests und andere Veranstaltungen wie Bühnen-Acts und Partyabende. „Doch die Lady Week ist längst nicht nur etwas für Damen, die Hälfte der Gäste sind Herren“, sagt Wirnsperger. Und was jeder weiß: Das Großarltal ist nicht nur etwas für Skifahrer. Von der „Loosbühelalm“ sausen Rodler ebenso beschwingt bergab wie von der rund drei Kilometer langen Bahn beim „Hotel Lammwirt“, wo stündlich ein PS-starker Trecker Rodelwillige an den Startpunkt zieht. Für Langläufer gibt es 25 Kilometer Loipe, zum Beispiel von Großarl zum Heimatmuseum Kösslerhäusl, für Eiskletterer einige aufregende Wände und Tourengeher finden durchaus Alternativen zum Kieserl, allen voran den Weg hinauf zum Kreuzeck.