Zwei Trainer, die für Furore sorgen, eine Handvoll echter Stars und einige Juwelen – auch ein übersehenes. Auch nach dem Abschied von Toni Kroos gibt es spannende deutsche Fußball-Profis im Ausland.
Toni Kroos hat seine Karriere beendet. Der Mittelfeld-Lenker war ein Jahrzehnt lang das Aushängeschild des deutschen Fußballs im europäischen Ausland. Kroos, nach dem WM-Triumph 2014 vom FC Bayern auch wegen mangelnder Wertschätzung zu Real Madrid gewechselt, spielte zehn Jahre lang für den größten Club der Welt. Er war das gesamte Jahrzehnt über Stammspieler, Leistungsträger und Anführer der Königlichen. Er gewann mit Real 23 Titel, wurde zum deutschen Profi mit den meisten Titeln (insgesamt 34), zum Rekordsieger der Champions League, der Club-WM (je sechs) und des europäischen Supercups (fünf). Er absolvierte 465 Pflichtspiele für Real, war dabei an 127 Toren direkt beteiligt und verabschiedete sich mit dem Champions-League-Sieg, einer ordentlichen Heim-EM und der zweiten Auszeichnung als Deutschlands Fußballer des Jahres auf einem Höhepunkt von der großen Fußball-Bühne. Da ging tatsächlich nicht weniger als eine Ära zu Ende.
Auch einige andere deutsche Profis verließen in diesem Sommer ihre ausländischen Clubs. So kehrten Ex-Nationalspieler Mo Dahoud und der aktuelle Nationalspieler Pascal Groß von Brighton and Hove Albion in die Bundesliga zurück. Dahoud spielt nun für Eintracht Frankfurt, Groß für Borussia Dortmund. Dennoch werden auch in diesem Jahr 24 Spieler und Trainer Deutschland in den anderen vier europäischen Top-Ligen – also England, Spanien, Italien und Frankreich – vertreten. Und sie bilden eine spannende Mischung.
Regelrecht „verliebt“ in Flick
Für Schlagzeilen sorgten erst einmal die beiden einzigen Cheftrainer. Und das, obwohl beide den Job erst im Sommer übernommen hatten. Für viele war es eine Überraschung, dass der frühere Bayern-Coach und Bundestrainer Hansi Flick den Weltclub FC Barcelona anvertraut bekam. Er ist erst der fünfte deutsche Trainer in der Primera Division nach Hennes Weisweiler, Udo Lattek, Jupp Heynckes und Bernd Schuster. Doch Flick startete überragend. Nach fünf Siegen in den ersten fünf Spielen mit 17:4 Toren schrieb die katalanische Zeitung „Sport“: „Flick ist eine Revolution. Über viele Jahre haben wir ein Barça gesehen, das Tore geschossen, das Spiel danach verlangsamt und ohne Überraschungen beendet hat. Das aktuelle Barça ist nicht so.“
Auch Präsident Joan Laporta ist voll des Lobes, laut „Sport“ ist er regelrecht „verliebt“ in Flick. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Trainer“, sagte er: „Er ist ein echter Profi, spricht klar und direkt und wir haben eine Siegermentalität.“ Neben dieser wird der 59-Jährige aus Bammental vor allem für drei Dinge gelobt. Zum einen, weil er die Jugend spielen lässt. „Flick hat verstanden, dass La Masia unser Schatz ist“, sagte Laporta mit Blick auf die berühmte Nachwuchs-Akademie. Zum zweiten lobt der Clubchef der Tatsache, dass der neue Coach keine neuen Stars forderte und Ilkay Gündogan sogar aus finanziellen Gründen gehen ließ: „Flick sucht keine Ausreden und begnügt sich mit dem, was er hat.“ Und zum Dritten gelang Flick das, was ihm rund um die Corona-Zeit beim FC Bayern gelang und mit sechs Titeln in einem Jahr zum Durchbruch als Welt-Trainer führte: Er hat einfach Fesseln gelöst. „Ich fühle mich befreit“, sagte der spanische Europameister Pedri. Flick habe ihm vermittelt, „ohne Druck spielen zu können. Er ist sehr nahbar, ein Typ, der gern mit den Spielern redet.“ Konsequenterweise wurde Flick direkt nach seinem ersten Monat als „Trainer des Monats“ in Spanien gewählt.
Dieselbe Auszeichnung wurde Fabian Hürzeler in England zuteil. Der gerade mal 31 Jahre alte Trainer-Überflieger hatte den FC St. Pauli trotz des Aufstiegs verlassen, weil Brighton und die Premier League lockten. Bei seiner Vorstellung wurde der jüngste Cheftrainer der Premier-League-Geschichte hier und da verspottet, weil seine Frisur an die von Jim Carrey in der Blödel-Komödie „Dumm und dümmer“ erinnerte. Doch die Spötter waren schnell still. Brighton startete mit einem starken 3:0 in Everton und war erster Tabellenführer, legte ein 2:1 gegen Manchester United nach und holte dann ein 1:1 beim FC Arsenal. Und Hürzeler wurde zum „Trainer des Monats“ im August.
Was den Briten gefällt, ist auch eine gewisse Keckheit, die Hürzeler an den Tag legt. Natürlich wurde er in Anlehnung an José Mourinho („The Special One“) und Jürgen Klopp („The Normal One“) gefragt, wie er zu typisieren sei. Er sei „a grounded one“, ein Bodenständiger, sagte er zwar. Und wohl bewusst nicht „The Grounded One“. Dennoch sagte er gleich: „Ich möchte große Dinge erreichen und das Establishment herausfordern.“ Das ist ihm bisher gelungen. „Ich bin überrascht, wie schnell und wie gut er sich eingefunden hat. Es war ein großer Schritt“, sagte Vereinsbesitzer Tony Bloom, der sein Geld mit Pokern verdient hat, dem Magazin „The Athletic“.
Die „stillen Stars“ im Ausland
Neben den beiden Trainern sind es aber eben noch fast zwei Dutzend Profis, die die deutschen Farben in den großen ausländischen Ligen hochhalten. Darunter sind zwar nur vier aktuelle Nationalspieler, aber die sind namhaft. Einer wurde zur tragischen Figur. Marc-André ter Stegen war nicht nur in Barcelona bei Flick die klare Nummer eins, sondern nach dem DFB-Rücktritt von Manuel Neuer auch in der Nationalmannschaft. Nun verletzte er sich an der Patella-Sehne und wird Monate fehlen. Sein DFB-Abwehrchef Antonio Rüdiger ist bei Real ebenso unumstritten wie Kai Havertz beim FC Arsenal. Dessen Rivale um den Platz im Sturmzentrum, Niclas Füllkrug, wechselte in diesem Sommer von Borussia Dortmund zu West Ham United ebenfalls nach London. Dort arbeitet in Tim Steidten, ein Vertrauter Füllkrugs aus gemeinsamen Bremer Tagen, übrigens auch der einzige deutsche Sportchef der englischen Premier League.
Dazu kommen noch eine Handvoll Spieler, die schon mehr oder weniger häufig in der deutschen Nationalmannschaft gespielt haben. Zum einen natürlich Gündogan, bei der EM noch Kapitän und danach zurückgetreten, der aus Barcelona zurück zu Manchester City wechselte. Dazu kommen Timo Werner bei Tottenham Hotspur, Bernd Leno beim FC Fulham, Malick Thiaw bei AC Mailand und Thilo Kehrer bei der AS Monaco, die in dieser Saison in der Champions League antreten wird. Während Kehrer und Leno in den ersten Spielen keine Minute verpassten, stand Thiaw im ersten Spiel 90 Minuten auf dem Platz, ehe er sich verletzte. Werner, der sich durch die Leihe von RB Leipzig zu Tottenham wieder in die Nationalmannschaft spielen wollte, wird wenn überhaupt meist erst in der letzten Viertelstunde eingewechselt.
„Einer der besten Torhüter“
Doch es gibt auch noch die stillen Stars ohne große Namen. Da ist zum Beispiel Stefan Ortega Moreno, der vor zwei Jahren mit schon 29 von Arminia Bielefeld zu Manchester City wechselte und eigentlich die klare Nummer zwei hinter dem brasilianischen Nationalkeeper Ederson ist. Aber wenn er spielte, tat er das so gut, dass manch einer ihn als Stammkeeper forderte. Und auch Trainer-Ikone Pep Guardiola war voll des Lobes. Eine Szene, die sich einprägte, ereignete sich am 14. Mai, dem vorletzten Spieltag im Titel-Zweikampf gegen den FC Arsenal. Im Spiel bei Tottenham führte City mit 1:0, Ortega musste in der 69. Minute für Ederson eingewechselt werden. Ein Schuss der Spurs schien das sichere 1:1 zu bedeuten, Guardiola lag schon frustriert auf dem Boden, der Titel schien futsch. Doch Ortega hielt den Ball mit einer unglaublichen Parade. „Er hat uns gerettet. Wenn sie getroffen hätten, wären wir raus gewesen“, sagte Guardiola: „Er war einfach nur unglaublich. Im Eins-gegen-Eins ist er einer der besten Torhüter, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe.“
Und immer wieder wechseln inzwischen auch Talente auf die Insel. So Brajan Gruda (20), bei der Nationalmannschaft vor der EM schon mal Trainingsgast, der für bis zu 40 Millionen von Mainz zu Hürzelers Brighton wechselte, auch wenn er noch nicht zum Einsatz kam.
Zwei spannende Spieler stehen auch beim FC Brentford unter Vertrag. Offensivspieler Kevin Schade (22), der schon drei Länderspiele absolviert hat, war im vergangenen Sommer für 25 Millionen Euro aus Freiburg gekommen. Vergangene Saison fiel er zwar von Ende September bis Mitte April aus, was ihn aus dem Fokus für den EM-Kader schob. Abgesehen von dieser Zeit kam er aber in jedem Spiel zum Einsatz. Nach Kurzeinsätzen nach der Verletzung diese Saison auch wieder in der Startelf.
Und dann ist da noch der defensive Mittelfeldspieler Vitaly Janelt. Der 26 Jahre alte Ex-Bochumer geht in seine fünfte Saison in Brentford, unter Flick gehörte er zumindest zur großen 55-Mann-Liste, die vor der WM 2022 gemeldet werden musste. Eingeladen wurde er aber noch nie. Für die „Frankfurter Rundschau“ ist er „Deutschlands verstecktes Juwel“, für das Portal „90min.de“ ist er „Der Übersehene“. Manchmal ist man im Ausland auch etwas aus dem Blick.
Doch wie Spätstarter Groß könnte Janelt noch zu DFB-Ehren kommen. Nachdem er im Vorjahr in allen 38 Premier-League-Spielen zum Einsatz kam, stand er auch in dieser Spielzeit bisher immer in der Startelf.