Beim 3:3 gegen Nürnberg gelingt Hertha BSC zwar eine Aufholjagd – der krönende Abschluss will aber nicht gelingen.
Der übertragende TV-Sender „Sport 1“ deklarierte die Partie, die am Samstagabend ohnehin traditionell den Titel „Topspiel der Woche“ erhält, obendrein noch zum Duell der letzten Aufstiegschance. Der Sieger der Partie Hertha BSC – 1. FC Nürnberg, bis dahin mit 37 beziehungsweise 36 Punkten, würde eben diese Möglichkeit weiter aufrechterhalten, während der Verlierer den Traum endgültig zu den Akten legen könne. Das Problem allerdings lag schon vor diesem Duell in der Tatsache, dass der Sieger auch nach einem Erfolg immer noch drei Vereine vor sich hätte, um am Ende den Relegationsrang zu erklimmen. Dazu gestaltete sich auch die Aufgabe bei noch sieben ausstehenden Spielen als äußerst sportlich, nach einem Sieg noch sechs (Hertha) beziehungsweise sieben Zähler (Nürnberg) gutzumachen – wenn nicht eigentlich noch jeweils einen mehr, da beide Teams nicht über das beste Torverhältnis verfügen. Nach dem 5:2-Sieg gegen Schalke 04 in der letzten Partie vor der länderspielbedingten Ligaunterbrechung hatte Pal Dardai dabei wenig Anlass zu vielen Umstellungen. So änderte er die Startformation im Vergleich nur auf einer Position: Jonjoe Kenny begann nach Ablauf seiner Gelbsperre als Außenverteidiger an Stelle von Deyovaisio Zeefuik. Statt des nominellen Kapitäns Toni Leistner setzte der Ungar dabei erneut auf eine schnellere (sprich: jüngere) Innenverteidigung mit Linus Gechter und Marton Dardai – doch das sollte zunächst nichts nutzen. In jedem Fall hatte der 1. FC Nürnberg als Erstes den Trumpf in der Hand, da man durch seinen Star-Angreifer Can Uzun in Führung ging, Gechter fälschte den Ball noch unhaltbar ab. Etwa zehn Minuten später konnte Torwart Marius Gersbeck (ersetzte erneut den verletzten Stammkeeper Tjark Ernst) dann aber den Außenristschuss des quirligen Club-Youngsters entschärfen – diesmal war die Flugbahn nicht unberechenbar. Vorangegangen war die erste Chance der Berliner, als Jeremy Dudziak nach einer Ecke per Kopf FCN-Torwart Klaus auf die Probe stellte und sich daraus die Konterchance entwickelte. Und Hertha blieb anfällig bei den schnellen Gegenstößen der Franken – vor allem im zentralen defensiven Mittelfeld, wo Pascal Klemens und Dudziak gewaltige Probleme offenbarten. So wirbelte vor dem 0:2 ein weiterer schneller Gegenzug die Defensive der Blau-Weißen ordentlich durcheinander, wodurch sich Marton Dardai zu einer Grätsche zum Ball genötigt sah – die geplante Rettungsaktion mutierte allerdings zur Torvorlage, denn die Kugel landete beim durchgelaufenen Schleimer. Der hatte keine Mühe, den Ball freistehend an Gersbeck vorbei im Tor unterzubringen. Somit hatte sich bereits die Statistik auf sechs Heimspiele in Folge verlängert, in der die Schützlinge von Pal Dardai zwei Treffer hinnehmen mussten. Die Nürnberger präsentierten sich allerdings auch nach der Lektion zu Hause gegen Tabellenführer FC St. Pauli (0:2) anfangs in starker Verfassung. Doch dass der „Club“ keine Übermannschaft der Zweiten Liga darstellt, erwies sich dann beim Anschlusstor kurz vor der Pause, als Hertha BSC ein wenig aus dem Nichts zum ersten Treffer kam. Maßgeblich beteiligt war einmal mehr Assist-König Fabian Reese, der eine Lehrbuchflanke auf den Kopf von Marten Winkler schlug. Es war die sage und schreibe 16. Torvorlage des 26-Jährigen in dieser Saison, während Winkler der dritte Treffer im zweiten Spiel gelang (insgesamt 2023/24: 5). Dennoch sah sich Pal Dardai zur Pause einmal mehr zu personellen Wechseln genötigt, um das vor der Partie versprochene, aber bis dahin noch nicht richtig zündende „Offensivfeuerwerk“ abzubrennen – bei gleichzeitig besserer defensiver Stabilität.
Kraft und Konzentration ließen nach
Nicht zufrieden war der Trainer dabei anscheinend mit Dudziak, aber auch mit Supertalent Ibrahim Maza, die beide draußen blieben, während Aymen Barkok und Florian Niederlechner für mehr Biss sorgen sollten. Zuerst einmal schlug aber erneut die Stunde von Can Uzun – schon in der Entstehung des 1:3 fand die Berliner Defensive dabei wieder keinen Zugriff, am Ende wirbelte der 18-Jährige dann die Deckung im Alleingang derart durcheinander, dass man den Treffer ins kurze Eck Torwart Gersbeck nicht einmal wirklich ankreiden konnte. Damit schien die Messe gelesen – doch Hertha BSC entschied sich in den folgenden Minuten statt des offenen Visiers gleich dafür, den Helm ganz abzunehmen. Das zeigte Wirkung beim keinesfalls sattelfesten FCN, der erneut ein Tor der Marke „Flanke – Kopfball – Tor“ (diesmal mit Kenny und Haris Tabakovic als Protagonisten) zum 2:3 zuließ. Die Gastgeber aber setzten nach und erzwangen über außen einen Foulelfmeter, den Tabakovic zu seinem sechsten Doppelpack der Saison (plus drei Treffer beim 3:0 gegen Braunschweig im September 2023) und gleichzeitig zum 3:3-Ausgleich nutzen konnte. Damit stürmte der Schweizer an die Spitze der Torjägerliste im Unterhaus, wo er nun mit Christos Tzolis (Düsseldorf, 17 Tore) gemeinsam an der Spitze liegt. In der Folge waren nun die Hausherren am Drücker – doch die Präzision fehlte, sodass sich der Gegner wieder berappeln konnte, ohne zuvor weiteren Schaden genommen zu haben. Das hohe Tempo und das phasenweise wilde Spektakel führten jedoch auch verständlicherweise dazu, dass Kraft und Konzentration in der Schlussphase spürbar nachließen. So lief es am Ende darauf hinaus, dass Hertha BSC aufgrund der Defensivmängel inklusive doppelten Zwei-Tore-Rückstands keine Power mehr für den Dreier hatte – während der FCN sich trotz der guten Ausgangslage letztlich mit einer Punkteteilung zufriedengeben musste. Kein Lohn also für das Offensivfeuerwerk – beide Teams können so die Planung für die kommende Zweitligasaison endgültig in Angriff nehmen. Am heutigen Freitagabend trifft das Team von Hertha BSC zum Auftakt des 28. Spieltags auf den SC Paderborn – gegen die Ostwestfalen haben die Hauptstädter dabei eine positive Bilanz (sechs Siege, ein Unentschieden, zwei Niederlagen). Zuletzt verloren wurde dabei vor knapp zehn Jahren im November 2014 noch in der Bundesliga (1:3 – Tor: Kalou), die andere Niederlage fand vier Jahre zuvor statt. Seinerzeit traf der heutige Frankfurt-Sportvorstand Markus Krösche vom Elfmeterpunkt zum 1:0-Sieg – es war die erste Saisonniederlage des von Jos Luhukay trainierten damaligen Tabellenführers, am Ende stieg Hertha BSC direkt zurück ins Oberhaus auf: Das waren noch Zeiten.