Kylian Mbappé wechselt wohl zu den Königlichen in Madrid. In Paris sorgte das zuerst nicht für Unmut – mittlerweile gleicht es einem Pulverfass. Dabei macht Trainer Luis Enrique eigentlich alles richtig.

Eine klare Botschaft wurde von PSG-Fans vor einigen Wochen am Parc des Princes übermittelt: Ein Banner mit der Aufschrift „KM: Vivement LE 30/06“ wurde gehalten, was auf Deutsch „KM, wir freuen uns auf den 30. Juni“ bedeutet. Nun artikulieren auch die ersten Anhänger von Paris ihren Unmut über das erneute Theater um Kylian Mbappé. Lange Zeit galt der Superstar als ihr Heiligtum und war im Gegensatz zu Neymar und Lionel Messi beliebt.
Doch jetzt beginnt sich auch bei ihnen das Blatt zu wenden, und die Vorfreude auf den Tag, an dem Mbappés Vertrag ausläuft, macht sich breit. Ein weiteres Kapitel ist in vollem Gange, in der Seifenoper um PSG und den eigenwilligen Stürmer, der unter Trainer Luis Enrique nicht mal mehr ein unumstrittener Stammspieler ist. Enriques Entscheidungen mögen gewöhnungsbedürftig sein, aber sie genießen Rückendeckung im Verein. Die Nachricht von Mbappés bevorstehendem Abgang vor einigen Wochen verursachte keinen großen Aufruhr, zumal die ganze Angelegenheit eher diskret ablief. Inoffiziell hieß es, der Nationalstürmer habe die Vereinsführung informiert, aber nach außen sickerte tatsächlich nichts.
Zuletzt öfter auf der Bank

Doch der Friede wahrte nicht sehr lange. Zwei Tage nach den Berichten über seinen bevorstehenden Abschied, saß er beim 2:0-Sieg gegen Nantes zunächst auf der Bank. Enrique erklärte, sein Superstar benötige eine Verschnaufpause, nachdem er zuvor in der Champions League gegen Real Sociedad über die volle Distanz auf dem Platz stand. Bisher stand Mbappé in dieser Saison nur einmal nicht in der Startformation. Das war aber zu Saisonbeginn, als er erst wenige Trainingseinheiten absolviert hatte. Damals war er noch nicht vollständig fit. Diesmal ist die Sachlage eine andere. Mbappé wurde eingewechselt und erzielte prompt das Siegtor. Seitdem steht er wieder in der Startelf, wird jedoch in aller Regel ausgewechselt. Wie in Monaco, als ihn der Trainer bereits zur Halbzeit herausnahm. Für den Star ein Affront.

Mbappé entschied sich, in der zweiten Halbzeit nicht auf der Bank zu sitzen, sondern auf die Tribüne des Stade Louis II. zu gehen und den Rest des Spiels neben seiner Mutter Fayza Lamari zu verfolgen. Das, was da unten auf dem Rasen passierte, interessierte ihn nur noch nebenbei. Ein Selfie hier, ein kurzes Telefonat da. „Eine entwürdigende Show“, schrieben französische Medien. Und in den vergangenen Wochen wurde es nicht viel besser. Zumindest abseits des Platzes. Der 25-Jährige verklagte den französischen Influencer Mohamed Henni, weil dieser den Namen des Profi-Fußballers ohne explizite Genehmigung verwendete. In einem von Hennis Restaurants wird ein Döner zum Preis von 9,90 Euro angeboten. In der Beschreibung des Gerichts steht unter anderem: „Mit einem Brot so rund wie Mbappés Kopf.“ Das gefiel dem Superstar offenbar gar nicht.

Zurück zum Sportlichen. Seine Statistik gab zuletzt Anlass zur Sorge. In Monaco hatte er in 45 Minuten nur 29 Ballkontakte, absolvierte nur ein Dribbling und gab einen Schuss ab, der weit am Tor vorbeiging. Es war ein rabenschwarzer Tag, die sich häuften. Auf der anderen Seite bleibt Mbappé immer noch einer der besten Spieler der Welt. Am vergangenen Wochenende traf er plötzlich wieder dreifach. In dieser Saison erzielte er bislang 34 Tore und steuerte sieben Assists bei. Damit hat er nicht mehr die Quote eines Harry Kane, doch im Vorderfeld der Besten befindet er sich nach wie vor.
Umbau des Kaders
Doch etwas ist anders. Erstmals seit Jahren hat er mit Luis Enrique einen kompromisslosen Trainer. Einen, mit einem eigenen Kopf, der nicht den Weg des geringsten Widerstandes geht. PSG hat Milliarden verbrannt, aber dennoch keinen großen Titel gewonnen. Enrique war zunächst die zweite Wahl, doch mittlerweile genießt er Respekt und darf den Kader umbauen. Er schickte Neymar weg und wollte Marco Verratti loswerden. Vom üblichen Transfertheater um Mbappé ließ er sich nicht beeindrucken. Enrique begründete die Herausnahmen Mbappés in den letzten Spielen nüchtern: „Früher oder später müssen wir uns daran gewöhnen, ohne ihn zu spielen.“ Es ist meine Philosophie, daran zu denken, was das Beste für die Mannschaft ist. Ich will keinen Ärger. Aber es ist meine Entscheidung.“ Wenig später schob er sportliche Gründe nach. Man müsse „die Spielzeit für sehr explosive Spieler wie (Ousmane) Dembélé oder Mbappé kontrollieren. Sie haben eine unglaubliche Geschwindigkeit, die mit Risiken verbunden ist. Es geht darum, sie mal mehr, mal weniger spielen zu lassen.“ Der ehemalige spanische Nationaltrainer folgt dabei aber Mechanismen des Marktes. Im Fußball ist es nicht ungewöhnlich, dass die Trennung von großen Namen eine Ära des Erfolgs einleitet. Pep Guardiola oder Jürgen Klopp haben stets so verfahren und gern mal alte Zöpfe abgeschnitten. Anschließend stellten sich große Erfolge ein, die auch damit zusammenhingen, dass die Mannschaften homogener wurden. Darauf setzt man auch in Paris.
Luis Enrique sitzt fest im Sattel

PSG konzentriert sich auf der Suche nach einem Nachfolger für Mbappé im Sommer spanischen Medienberichten zufolge auf Lamine Yamal vom Meister FC Barcelona. Es dürfte mehr als ein Anzeichen sein, dass Luis Enrique die Kaderumstrukturierung weiter vorantreiben will. In Frankreich ist PSG seit Jahren Serienmeister. Kritiker sprechen der Ligue 1 aber die internationale Qualität ab. Luis Enrique verwahrte sich dagegen: „Es ist keine Kartoffelliga.“ Doch die arabischen Investoren haben Unsummen in PSG investiert, um die Champions League zu gewinnen. Und bis auf die Finalteilnahme mit Thomas Tuchel vor vier Jahren war man von diesem Ziel weit entfernt. Daran, dass es dieses Jahr mit Mbappé gelingt, zweifeln selbst eingefleischten Fans. Währenddessen spekuliert die Fußballwelt schon auf den ersten Ballon d’Or des Superstars bei Real Madrid. Die brasilianische Ikone Ronaldo sagte der englischen Zeitung „Daily Mail“: „Wir müssen abwarten, bis es offiziell ist, bevor wir im Detail darüber reden. Aber jeder in Madrid ist gespannt auf Kylian Mbappé. Ich glaube, es ist eine sehr gute Wahl von ihm, wenn er sich entscheidet, nach Madrid zu gehen. Ich denke, er wird endlich den Ballon d’Or gewinnen, wenn er zu Real geht.“

Lionel Messi, Neymar und Mbappé. Vom magischen Dreieck in Paris wird im Sommer niemand mehr übrig sein. Die goldene Ära ist ihnen ohnehin verwehrt geblieben. Der Umbau ist unterdessen in vollem Gange. „Ich weiß, dass wir nächste Saison, wenn alles gut läuft, in jeder Hinsicht eine bessere Mannschaft haben werden: offensiv, defensiv, taktisch. Daran habe ich keinen Zweifel“, sagt Enrique, der kürzlich als neuer Trainer des FC Barcelona gehandelt wurde. Bei PSG scheint man sich jedenfalls in absehbarer Zeit noch nicht von Luis Enrique trennen zu wollen „Ich bin stolz auf unseren Trainer, der eine fantastische Arbeit leistet“, schwärmt Präsident und Besitzer Nasser Al-Khelaifi bei RMC Sport. „Er leistet eine unglaubliche Arbeit, um all das aufzubauen. Es geht nicht nur um die Ergebnisse, sondern auch um die Art und Weise, wie wir spielen, die Strategie, die Vision.“
Zweifel bleiben aber bei der Frage, ob die bevorstehende Trennung im Sommer ruhig verläuft. Enrique wird professionell genug sein. Bei Mbappé darf man gespannt sein. Gegenüber „Canal Plus France“ erklärte er kürzlich, dass seine Beziehung zum Spanier „sehr gut, sehr gut“ sei. „Es gibt kein Problem mit ihm, auch wenn die Leute vielleicht denken, dass es eins gibt“, so Mbappé. Aber dann legte er einen Satz nach, der weder den Mitspielern, noch den Vereinsoberen gefallen dürfte. „Ich habe viele Probleme, aber der Trainer gehört nicht dazu.“