Hertha BSC verliert das Schlüsselspiel gegen den HSV. Das 2:3 offenbart, was dem Team zu einem Spitzenkandidaten fehlt.

Zu den Zeiten, als Davie Selke noch seine Schuhe in der Bundesliga für Hertha BSC geschnürt hat, schieden sich die Geister an dem groß gewachsenen Stürmer– nun bewies er in Reihen des Hamburger SV bei seiner Rückkehr am vergangenen Samstag den Unterschied, den ein Spieler wie er in der 2. Liga machen kann. Da hatten die Berliner vor ausverkauftem Haus von Beginn an auf die Tube gedrückt, doch Palko Dardai fehlte zweimal in aussichtsreicher Lage die Präzision, während der Abschluss von Michaël Cuisance noch von einem HSV-Verteidiger abgeblockt werden konnte. Die Statistik von 68 Prozent Ballbesitz in der Anfangsphase unterstrich die Überlegenheit der Gastgeber: Als sich die Hanseaten jedoch erstmals nach vorne wagten, war Selke zur Stelle und köpfte zum 0:1 ein. Begünstigt wurde das Tor durch sträflich passives Verhalten der Berliner Defensive gleich an mehreren Stellen.
Spätestens nach diesem Wirkungstreffer war das Spiel ein anderes: Die Gäste verteidigten jetzt stabiler, auch weil Hertha BSC nicht mehr die Wucht und Überzeugung wie zuvor auf den Platz brachte. Selbst das verletzungsbedingte Ausscheiden Selkes kurz nach Wiederanpfiff brachte die Hamburger nicht aus dem Konzept. Vielmehr konnte dessen Ersatz – der aus Herthas Jugendakademie stammende Ransford Königsdörffer – nach einer Stunde wieder ungestört für das 0:2 sorgen.
Zu wenig Überzeugung auf dem Platz
Damit schien die Messe gelesen – und Cristian Fiél entschied sich zu einem dreifachen Wechsel, der noch mal Bewegung ins Geschehen bringen sollte. Fabian Reese konnte etwa trotz langer Verletzungspause Feuer ins Spiel und auf die Ränge bringen: Denn erst leitete er den Anschlusstreffer ein, als Derry Scherhant seine Eingabe für den Torschützen Michaël Cuisance ablegte – dann bediente er den zusammen mit ihm eingewechselten Martin Winkler, dem per direktem Abschluss sogar der Ausgleich glückte. Damit hatten wohl die wenigsten noch gerechnet – doch Hertha BSC wollte es jetzt wissen und auch den Sieg einfahren. Allerdings stabilisierte sich der HSV in der Drangperiode wieder und konnte sich obendrein mehrmals auf Torwart Heuer Fernandes verlassen. Zu allem Überfluss profitierten die Gäste dann von einem weiteren Fehler der Hausherren: Erst verlor Hertha den Ball im HSV-Strafraum, dann präsentierte sich die „Restverteidigung“ beim Konter des Gegners arg dezimiert – so spielte Sahiti auf letzter Linie den eigentlich nicht für das Verteidigen zuständigen Winkler aus und traf zum 2:3. Das Anrennen in der Schlussphase sollte nichts mehr nutzen – Hertha BSC verlor das wichtige Spiel gegen den HSV, steht nun wieder mit neun Punkten Rückstand zur Spitze und sieben Zähler hinter Platz drei in der Tabelle. Keine Frage also: Diese Niederlage könnte eine entscheidende für die Aufstiegshoffnungen an der Spree gewesen sein.
Möglicherweise wird das auch noch bis zum Ende des Transferfensters am 3. Februar Ausdruck finden: Die zuletzt aufgekommenen Gerüchte um einen sofortigen Wechsel von Jonjoe Kenny in seine englische Heimat erhärteten sich jedenfalls durch die Tatsache, dass der Außenverteidiger gegen den HSV nicht einmal im Aufgebot stand. Einen Ersatz für den Stammspieler zu finden, dürfte sich dabei schwierig gestalten. Auch Torwart Tjark Ernst – der nach seinem verletzungsbedingten Ausfall in Paderborn wieder fit war, aber dennoch mit der Ersatzbank vorliebnehmen musste – könnte nach dem offensichtlichen Verlust des Status als Nummer eins an Marius Gersbeck kurzfristig noch das Weite suchen wollen. Bis zum vergangenen Wochenende blieb auch die eigentlich im Aufstiegsrennen noch händeringend gesuchte Verstärkung für die Sturmzentrale weiterhin eine offene Baustelle. Dabei hatte die zuvor publik gewordene Spekulationskette über die Möglichkeit dieses finanziell schwierigen Unterfangens tatsächlich ihren Anfang genommen – denn der an den britischen Zweitligisten Cardiff City ausgeliehene Wilfried Kanga wechselte zu Dinamo Zagreb. Damit verschwand der 26-Jährige nicht nur von der Lohnliste der Berliner, sondern garantiert Hertha BSC obendrein eine Ablösesumme von (inklusive Nachzahlungen) bis zu drei Millionen Euro. Die Realisierung des Kanga-Transfers galt wiederum als Voraussetzung für eine sofortige Verpflichtung von Sebastian Grönning, und diese wurde von Hertha-Seite dann vergangene Woche auch verkündet – doch der dänische Stürmer vom FC Ingolstadt (3. Liga) kommt erst im Sommer ablösefrei. Womit das Szenario immer wahrscheinlicher wird, dass Hertha BSC den Rest der Saison ohne eine neue Offensivkraft bestreiten muss. Ob es nun daran lag, dass der FCI auf seinen Toptorjäger im eigenen Aufstiegsrennen nicht verzichten oder Hertha die geforderte Ablöse doch nicht zahlen wollte oder konnte, blieb dabei offen.
„Glaube, das werden meine letzten Spiele“

Dazu verkündeten die Verantwortlichen mit der Verpflichtung von Niklas Kolbe (28, SSV Ulm 1846) eine weitere Personalie, die erst zur kommenden Spielzeit in die Tat umgesetzt wird. Der 1,97 Meter große Innenverteidiger soll dann die Abwehrzentrale verstärken – auch ein Hinweis bezüglich der Zukunft von John Anthony Brooks. Das inzwischen 32-jährige Hertha-Eigengewächs, das im September 2024 als Alternative für die Innenverteidigung zurück an die alte Wirkungsstätte kam und sich im ersten Training verletzte, konnte immer noch keinen Einsatz im blau-weißen Dress bestreiten. Es wachsen mittlerweile sogar die Zweifel, dass er diese Saison überhaupt noch einmal spielfit werden kann – womit auch eine Verlängerung seines Vertrags über diesen Sommer hinaus unwahrscheinlich ist.
Ähnliches gilt im Übrigen auch für Florian Niederlechner, dessen Kontrakt ebenfalls ausläuft – und der in diesem Zusammenhang vom „Tagesspiegel“ mit folgenden Worten zitiert wurde: „Ich glaube, das werden meine letzten Spiele für Hertha BSC.“ Der „Berliner Kurier“ wiederum wollte in Erfahrung gebracht haben, dass der 34-jährige Stürmer eventuell doch noch Konkurrenz im zweiten Halbjahr 2024/25 bekommen könnte: Nardin Mulahusejnovic (26), Angreifer des bosnischen Clubs Zrinskij Mostar, sei im Visier der Hertha-Späher. Angeblich hätten die Berliner ein Angebot über 300.000 Euro für die sofortige Verpflichtung des Spielers gemacht – das dessen Verein jedoch zunächst als nicht ausreichend ablehnte.