Werner Otto, früherer Rechtsaußen des 1. FC Saarbrücken und der saarländischen Nationalmannschaft, ist im Alter von 96 Jahren verstorben.

Werner Otto sagte es stets eher beiläufig: „Ich bin der Letzte, der noch lebt!“, erklärte er bei Heimspielen des 1. FC Saarbrücken den Besuchern des VIP-Raumes hinter der Tribüne des Ludwigspark-Stadions. Die meisten der Anwesenden wussten dann, was der schnelle Rechtsaußen des ehemaligen Malstatter Vorzeige-Teams damit meint: Alle seine Mannschaftskameraden der FCS-Mannschaft, die 1955 als Vertreter des damals eigenständigen saarländischen Fußballverbandes am Europapokal der Landesmeister teilnehmen durfte, leben inzwischen nicht mehr. Nachdem in den vergangenen Jahren bereits die verbliebenen Stürmerkollegen Herbert Martin und zuletzt Herbert Binkert verstorben waren, musste sich der Saarbrücker Traditionsclub am 19. März auch noch von Werner Otto für immer verabschieden. Otto verstarb friedlich bei seinem im Odenwald lebenden Sohn, nachdem er jahrzehntelang in seiner eigenen Wohnung in Sichtweite des FCS-Sportfeldes und des Ludwigsparks gelebt hatte.
Otto sah sich nie als Star
Werner Otto, der sich selbst nicht gerne als Fußball-Legende bezeichnet sah und bescheiden davon sprach, dass er in erfolgreichen Jahren „halt dabei war“, trug das FCS-Trikot von 1947 bis 1958 und erzielte in 142 Pflichtspielen 43 Tore. Er war dabei, als der FCS 1955 im Mailänder San-Siro-Stadion sensationell mit 4:3 gegen den gastgebenden AC gewann und erst nach dem 1:4 im Rückspiel aus dem Europapokal ausschied. Auch im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1952 gegen den VfB Stuttgart lief er für die Blau-Schwarzen auf, musste aber die knappe 2:3-Niederlage hinnehmen. Otto bezeichnete dieses Endspiel als den Höhepunkt seiner relativ kurzen Laufbahn. „Ich habe erst 1947 als 18-Jähriger beim FCS mit dem Fußballspielen begonnen. Als schneller Rechtsaußen war ich dann so gefragt, dass mir schnell der Sprung in die 1. Mannschaft gelang, obwohl dieses Team mit so vielen klangvollen Namen besetzt war! Und schon fünf Jahre später war ich deutscher Vizemeister!“, erinnerte sich Otto vor ein paar Jahren im FORUM-Gespräch: „Einige von uns hatten am Ende Tränen in den Augen, weil wir so knapp den Titel verpasst hatten!“ Die goldene Armbanduhr, die alle FCS-Spieler von der Regierung als Erinnerung an das Finale erhielten, trug Otto bis zuletzt stolz an seinem Handgelenk. Gerne erzählte Otto auch von der dreiwöchigen Gastspielreise nach Brasilien, die der FCS 1952 als Vertreter für den Meister VfB Stuttgart antreten durfte: „Wir haben dort zwar alles verloren“, aber der Aufenthalt in Südamerika war für uns alle ein unvergessliches Erlebnis!“
Werner Otto brachte es auch auf sechs Länderspiele für das damals eigenständige Saarland und gehörte zu den Leistungsträgern der saarländischen Nationalmannschaft, die dem späteren Weltmeister 1954 in der WM-Qualifikation fast die Endrundenteilnahme „vermasselt“ hätte. Zwei Jahre später bedeutete ein schwerer Ellbogencheck des Hamburger Nationalspielers Jupp Posipal 1956 das frühe Karriere-Aus für den Saarbrücker. Otto stand jahrzehntelang weiterhin in Kontakt mit seinem damaligen Stürmerkollegen Herbert Binkert und war bis zu dessen Tod vor zwei Jahren regelmäßiger Gast auf den Geburtstagsfeiern.
Gegen Cottbus zuletzt im Ludwigspark
Otto blieb mit kurzer Unterbrechung auch nach seinem Karriereende „seinem“ FCS treu und gehörte auf Initiative des ehemaligen Mannschaftskapitäns Dieter Diehl eine Zeit lang dem FCS-Ehrenrat an. Bei den FCS-Heimspielen zählte er zu den eifrigsten Zuschauern, genoss die Spiele von seinem Platz auf der Ehrentribüne und freute sich über jeden Sieg seiner Malstatter. Zuletzt blieb der gesundheitlich angegriffene Otto bei ungemütlichem Wetter gerne auch mal während des gesamten Spiels im VIP-Raum und sah sich die Partie bei einem Gläschen Wein gemütlich auf dem Großbildschirm an. FCS-Vorsitzender Jörg Alt hatte es sich seit Jahren zur Aufgabe gemacht, Otto vor jedem Spiel zu Hause abzuholen und zur Tribüne zu begleiten. „Ich habe ihn bis zuletzt jede Woche besucht, da er oft alleine war. Es war mir eine Ehre, die letzte lebende Legende aus der großen Zeit des Vereins zu betreuen und ihm den Stadionbesuch zu ermöglichen, zuletzt beim 2:1-Erfolg gegen Energie Cottbus“, erzählt Alt, der sich ohnehin die Traditionspflege auf seine Fahnen geschrieben hat. „Otto war ein bescheidener Mensch, immer freundlich und offen im Umgang und am Geschehen rund um den Club sehr interessiert“, beschreibt der Vorsitzende den jetzt Verstorbenen. Alt hatte es sich auch nicht nehmen lassen, Otto zu dessen „runden“ Geburtstagen jeweils ein aktuelles Saisontrikot mit der entsprechenden Rückennummer zu überreichen, zuletzt im Vorjahr zum 95. Geburtstag. Lange Zeit gehörte für Otto nach jedem Spiel der Besuch der unmittelbar bei seiner Wohnung gelegenen FCS-Fankneipe zum festen Rahmenprogramm. Er wurde dort jedes Mal mit großem Hallo begrüßt und dann oft auch nach Hause begleitet.

Die Anteilnahme am Tod Werner Ottos war sehr groß, nicht nur im Kreise des FCS. Vereinspräsident Hartmut Ostermann reagierte bestürzt auf die Nachricht vom Tod des ehemaligen Sturm-Asses. „Er war ein liebenswerter Vertreter der Generation, die aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges den Mythos 1. FC Saarbrücken aufbauten.“ Auch der Präsident des Saarländischen Fußballverbandes, Heribert Ohlmann, würdigte den früheren Saar-Nationalspieler: „Werner Otto hat den Saar-Fußball maßgeblich geprägt und sich um die saarländische Fußballfamilie verdient gemacht! Mit ihm verlieren wir den letzten großen Zeugen einer großen und erfolgreichen Zeit.“ Den großen Respekt für den Fußballer und Menschen Werner Otto bezeugen jetzt auch ein einfühlsames Kondolenzschreiben des 1. FC Kaiserslautern an die Malstatter Clubführung und die Bekundung der aufrichtigen Anteilnahme durch Borussia Neunkirchen.
Der 1. FC Saarbrücken, der in Rostock bereits mit Trauerflor aufgelaufen war, hat sich am vergangenen Samstag mit einer Gedenkminute und einer Würdigung Werner Ottos auf der Anzeigetafel von seiner letzten Legende aus der glorreichen Vereinszeit verabschiedet.
Otto wurde in aller Stille im Kreise seiner engsten Familie im Odenwald neben seiner vor zwei Jahren verstorbenen Frau beigesetzt.