Die Landeskommandos der Bundeswehr werden umstrukturiert. Behörden spielen mit der Bundeswehr Truppenverlegungen durch. Angst vor der Zukunft habe er keine, sagt Oberst Uwe Staab, Kommandeur des Landeskommandos Saarland.
Herr Oberst Staab, das Landeskommando stellt sich seit dem 1. April wie alle anderen Landeskommandos in Deutschland neu auf. Wie und warum?

Künftig werden die Heimatschutzkräfte nicht mehr vom Landeskommando geführt, sondern von der neu aufgestellten Heimatschutzdivision, die dem Heer unterstellt ist. Dies ist eine direkte Konsequenz aus den Umstrukturierungsplänen von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, um die Bundeswehr einsatztauglicher, kriegstüchtiger zu machen. Eine weitere Entscheidung war, ein operatives Führungskommando zu bilden. Dieses soll die strategischen Vorgaben der politischen Ebene, also des Bundesverteidigungsministeriums, umsetzen. Die operative Ebene plant, hat aber keine Personalverantwortung. Da die Landeskommandos nun auf die operative Ebene gehoben wurden, geben sie Personal- und Führungsverantwortung an andere wie das Streitkräfteamt oder das Heer ab. Wir sollen uns also auf unsere Kernaufgabe konzentrieren. Wir bleiben jedoch nach wie vor die direkten Ansprechpartner der Landesregierung im Saarland. Dazu gehört zum Beispiel Artikel 35 GG, der die Amtshilfe der Bundeswehr beispielsweise beim Katastrophenschutz regelt. Die Amtshilfe bleibt, ist jedoch keine Kernaufgabe mehr.
Ihre Kernaufgabe umfasst nun unter anderem die Umsetzung des sogenannten Operationsplans Deutschland. Worum handelt es sich dabei?
Sehr allgemein gesprochen ist dies der militärische Anteil an der Gesamtverteidigung Deutschland, woran auch die zivile Verteidigung beteiligt ist. Militärisch geht es um die Landes- und Bündnisverteidigung, um Deutschland als logistische Drehschreibe für Nato-Partner, sowie Heimatschutz und territoriale Verteidigung. Die zivile Verteidigung hat den Auftrag, die Regierungsfähigkeit Deutschlands aufrechtzuerhalten, die Bevölkerung zu versorgen und zu schützen sowie die Bundeswehr bei ihrem Auftrag zu unterstützen. Um Deutschland als Operationsbasis und logistische Drehschreibe dreht sich der Operationsplan Deutschland, der einen geheimen und einen offenen Teil hat. Ursprünglich, zu Zeiten des Kalten Krieges, verlief die Grenze zum damaligen Warschauer Pakt quer durch Deutschland. Wir wären also Frontstaat im Verteidigungsfall gewesen. Dies ist nicht mehr der Fall. Mit der russischen Aggression orientiert sich Deutschland nun an seiner neuen Rolle als Logistikdrehschreibe im Falle eines Bündnisfalles, also Artikel 5 der Nato. Alles, was nun von West nach Ost bewegt werden muss, muss zwingend durch Deutschland, per Zug, Schiff, Flugzeug oder über die Straße. Dem Landeskommando kommt auch hier die Rolle eines Vermittlers zu, um die Erfordernisse dieses Operationsplans der Landesregierung und den Kommunen, aber auch den vielen anderen zivilen Blaulicht- und Hilfsorganisationen im Land begreiflich zu machen. Diese haben wichtige Funktionen, nicht nur beim Zivil- und Katastrophenschutz, sondern auch im Operationsplan Deutschland.
Können Sie die Erfordernisse des Operationsplans an einem Beispiel deutlich machen?
Nehmen wir mal an, eine Brigade aus Portugal bewegt sich durch Deutschland in Richtung Osten. Es gibt kein militärisches Schengen, also keine Reisefreiheit für Militärkolonnen. Kommt sie an den Grenzen Deutschlands an, darf sie als Nato-Partner passieren. Dann marschiert sie nicht nur durch. Sie muss irgendwo rasten und ruhen können. Soldaten müssen ausgebildet, verpflegt und versorgt werden. Ausrüstung und Fahrzeuge werden repariert, aufgetankt. Gerät wird übergeben und weitertransportiert. Dies muss alles organisiert und kommuniziert werden. Dabei gibt es zahlreiche Stellen auf Landesebene, auf kommunaler Ebene und auch bei zivilen Organisationen, die involviert sind. Die Kommunikation muss auf allen Ebenen stimmen. Dafür ist eine funktionierende zivil-militärische Zusammenarbeit unerlässlich.
Sie üben konkret in einem Planspiel diese zivil-militärische Zusammenarbeit mit saarländischen Behörden und Blautlichtorganisationen. Wie sieht das konkret aus?
„Saarex 2025“ nennt sich dieses Planspiel und ist eine gemeinsame Planübung des Landeskommandos und des Innenministeriums. Teilnehmer sind aktive Soldaten des Landeskommandos sowie meine sechs Kreisverbindungskommandos und drei Verbindungskommandos. Die zivile Seite ist mit Teilnehmern von Gemeinden und Behörden, freiwilligen Feuerwehren, Rettungskräften, dem Technischen Hilfswerk und vielen weitere Organisationen vertreten. Die Akteure treffen sich in verschiedenen Arbeitsgruppen, sprechen konkrete Pläne und authentische Fälle durch. Was passiert, wenn große Truppenteile durch das Saarland durchmarschieren? Gibt es Proteste, Demonstrationen? Gibt es Straßenumleitungen? Hält die Brücke den Transport-Lkw mit Panzer aus? Passieren Unfälle, vielleicht sogar mit Personenschäden? Wie kommuniziert man mit der Öffentlichkeit darüber? Was passiert juristisch? Wer muss wann mit wem wie interagieren, und wer trägt für was Verantwortung? Diese Fragen werfen wir auf und spielen durch, was passieren könnte. Wir müssen diese Fälle als gesamtgesellschaftliche und ressortübergreifende Aufgabe beschreiben, in der alle Hand in Hand arbeiten mit einem Netzwerk real handelnder Personen.
„Wir sprechen konkrete Pläne durch“
Nun ändern sich aber Zuständigkeiten, Amtsträger verlassen ihr Amt, Akteure wechseln. Wie stellen Sie sicher, dass das Eingeübte auch haften bleibt? Wird das Planspiel in den kommenden Jahren weitergehen?
Wir beginnen mit dem Planspiel in einer Friedenslage und schließen es im Mai ab. Danach bewerten wir die Ergebnisse von „Saarex“ und wollen in einem weiteren Übungsabschnitt den sogenannten Spannungsfall, Artikel 80 GG, durchspielen (siehe Infobox; Anm. d. Red.).
Die Bundeswehr wird nun mehr Geld erhalten. Wo wäre es Ihrer Meinung nach in Ihrem Verantwortungsbereich notwendig?
In meiner zusätzlichen Funktion als Standortältester bin ich auch mitverantwortlich für Liegenschafts- und Infrastrukturangelegenheiten, und in baulichen Fragen zur Infrastruktur unterliegen wir der Landesbauverwaltung. Nun ist es kein Geheimnis, dass wir gerade hier lange Prozesse haben. Das liegt unter anderem an begrenzten personellen Ressourcen. Aber ein positives Beispiel ist die Heeresinstandsetzung (HIL) in St. Wendel, die im laufenden Betrieb umgebaut wird, eine Mammutaufgabe, die viele Kapazitäten fordert. Dazu hat die Landesbauverwaltung eine eigene Arbeitsgruppe eingesetzt. Es gibt aber auch viele kleinere Projekte in unseren Kasernen. Einmal im Jahr treffen wir uns zu einer Infrastrukturbesprechung und klären, was rasch gelöst werden kann, wo wir priorisieren müssen. Es sind oftmals nur kleine Schritte, aber wir sind auf dem richtigen Weg.
Hat sich das Image der Bundeswehr in den vergangenen Jahren geändert?
Ja, das würde ich schon sagen. Vor dem Bundesverfassungsgericht wurde 1995 erstritten, dass man Soldaten Mörder nennen darf. Das ist Meinungsfreiheit. Es ist ärgerlich, ja, aber heute, glaube ich, würde dies keiner mehr tun. Die Aufgabe, der wir uns stellen, ist mittlerweile gesamtgesellschaftlich akzeptiert und dies erlebe ich auch durchweg in der Öffentlichkeit und im politischen Raum.
„Sie zwingen mich, mich selbst zu hinterfragen“
Wo befinden wir uns denn gerade Ihrer Einschätzung nach im Konflikt mit einem neoimperialistischen Russland?
Generalleutnant André Bodemann, stellvertretender Befehlshaber des Operativen Führungskommandos sagt, wir befinden uns nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden. Das sehen wir an den vielfältigen Aktivitäten, die schon jetzt in und um Deutschland laufen. Denken Sie an Informationskriegsführung, an Falschinformationen, Cyberangriffe, Spionage, Sabotage wie den Bauschaum in Auspuffrohren von abgestellten Fahrzeugen und durchtrennte Unterseekabel oder an den verhinderten Brandanschlag auf ein DHL-Flugzeug. Es ist eine bislang in unserem Land unbekannte Art hybrider Kriegsführung.
Sind wir resilient im Angesicht einer neuen Bedrohung?
Zu Zeiten des Kalten Krieges, in dem auch ich noch meine Karriere begonnen habe, waren beispielsweise große Heeresübungen der Bundeswehr noch im kollektiven deutschen Gedächtnis präsent. Seither ist viel passiert, die Bundeswehr hat sich quasi in eine Berufsarmee verwandelt. Für die Menschen ist Frieden normal in einer der längsten Friedensperioden in Europa. Klar, dass sich viele Menschen nicht mit einem Krieg beschäftigen wollen, das Leben bietet schon genügend Herausforderungen. Aber wie wir leben ist nicht selbstverständlich. Nur eine kleine Minderheit von Staaten auf der Welt lebt in liberalen Demokratien wie unserer. Uns hat dieses Modell vorangebracht, es ist eine Erfolgsgeschichte. Die Werte, unsere Art zu leben, ist es wert, verteidigt zu werden. Daran glaube ich als Staatsbürger in Uniform, das vermittele ich auch unseren Soldatinnen und Soldaten. Fakt ist, an der gesamtgesellschaftlichen Resilienz muss ständig gearbeitet werden.

Trotzdem gibt es Menschen, die Angst haben. Kürzlich zeigte sich dies auch auf einer Reservistenveranstaltung im Saarland, an deren Rande auch Anhänger der Friedensbewegung demonstrierten.
Das glaube ich diesen Menschen. Angst ist eine normale menschliche Reaktion und ich verstehe auch Menschen, die sagen, dass sie meine Aufgaben nicht machen könnten oder wollen. In meiner Zeit als Soldat bin ich mit vielen dieser Menschen ins Gespräch gekommen. Ich weiß, wir sind nicht immer einer Meinung, aber ich finde, solche Gespräche fordern mich in meiner Argumentation heraus. Sie zwingen mich, mich selbst zu hinterfragen. Was ich kritisch sehe, ist, wenn wir die Basis einer vernünftigen Auseinandersetzung verlassen und gegenseitigen Respekt vermissen lassen.
Haben Sie Angst?
Nein. Ich bin seit 41 Jahren Soldat, war in vielen Auslandsmissionen, ich habe keine Zukunftsangst. Ich bin fest davon überzeugt, dass all dies, was wir tun, dazu beiträgt, den richtigen Effekt der Abschreckung aufrechtzuerhalten. Wenn Europa fest zusammensteht, wenn die Nato zusammensteht und wir noch enger zusammenwachsen, vergeht anderen der Appetit auf Aggression, und daran glaube ich fest.