Das „fill in – International Jazz Festival Saar“ erlebt eine zweite Auflage. Oliver Strauch, Gründer und Künstlerischer Leiter, lädt internationale Jazzgrößen vom 28. bis 30. Juni nach Saarbrücken in den Deutsch-Französischen Garten ein.
Herr Strauch, der Flamingo ist der neue Botschafter des Internationalen Jazz Festivals fill in. Was sagt uns der Vogel?
Der Vogel sagt uns: Die Bürger und Bürgerinnen der Stadt Saarbrücken, die die 60er- und 70er-Jahre erlebt haben, können sich noch an die Flamingos im Deutsch-Französischen Garten erinnern. Die Flamingos standen am Weiher. Das ist ein Bild, das ich noch aus Kinderzeiten im Kopf habe. Wir haben alte Postkarten vom Deutsch-Französischen Garten mit den Flamingos ausgegraben, und irgendwann kamen wir vom Flamingo nicht mehr los. Der Grafiker Henrik Elburn hat dann auch gesagt, dass er sich nichts anderes mehr vorstellen kann. Jetzt ist er da – und wir lieben ihn.
Entzückend! (beide lachen) Bevor wir uns weiter der Neuauflage des Festivals widmen, blicken wir auf das erste Festival zurück. Wie fällt Ihr Resümee aus? Was war gut?
Gut war, dass wir einen Platz erschlossen haben, die sogenannte Südmulde. Wir durften einen Picknick-Jazz-Park kreieren. Was mir gefallen hat, war die Ungezwungenheit. Die Leute haben wirklich gefeiert. Der Ort mit Blick auf die Folsterhöhe und nach Frankreich ist besonders spannend, finde ich. Symbolträchtig und cool. Alle haben gesagt: Bitte noch mal!
Was war weniger gut?
Was wir besser machen müssen, ist: Wir brauchen mehr Publikum. Wir wissen auch, dass es beim Open Air immer regnen kann, oder es zu heiß ist. Auf der anderen Seite wollen wir uns auch den Zauber des Deutsch-Französischen Gartens nicht entgehen lassen. Wir haben ein Back-up für dieses Jahr: das E-Werk. Dort können wir kurzfristig alle Konzerte spielen. Im letzten Jahr hätten wir das nicht gekonnt – das war volles Risiko.
Im Februar 2023 hatten Sie im FORUM-Interview die Konzertmuschel im Deutsch-Französischen Garten als Spielort angekündigt, aber im Juli war im DFG an anderer Stelle eine neue Bühne aufgebaut. Warum?
Die Muschel war unser Wunschort. Wir haben eine Begehung mit der Stadt gemacht und alles sah gut aus. Dann haben wir die TecRider (der Technical Rider beschreibt die technischen Anforderungen eines Künstlers für seinen Auftritt; Anm. d. Red.) von den Stars bekommen. Das Konzert mit Kenny Garrett hätten wir unmöglich in der Konzertmuschel veranstalten können. Für uns gab es keine andere Möglichkeit, als eine Bühne zu bauen, was natürlich ein Kostenfaktor ist. Im Nachhinein hat es sich als super erwiesen. Vor allem für das Publikum. Ist es sehr heiß, dann ist der weiße Boden vor der Konzertmuschel von geringem Spaßfaktor, würde ich mal sagen. In der Südmulde ist Wiese und dort sind Bäume mit Schattenplätzen.
Und die Waldbühne?
Ja, das wäre eine Option.
In diesem Jahr erhalten Sie 400.000 Euro durch die „Kultureller Leuchtturm“-Förderung des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie. (Das Förderprogramm unterstützt „Events und kulturelle Highlights, die eine überregionale Strahlkraft für das Saarland als Tourismusstandort entfalten und damit Wirtschaftswachstum in die Region bringen“; Anm. d. Red.) Mit dem finanziellen Engagement von Sponsoren steht ein Etat von 700.000 Euro zur Verfügung. Damit lassen sich Herzenswünsche erfüllen. Welches Gastspiel ist das Highlight des Festivalmachers?
Alle sind meine Lieblinge, sonst hätte ich sie nicht ausgewählt. Vom Namen her ist es Jan Garbarek. Das ist der Ausklang des Festivals am 9. November in der Stadthalle St. Ingbert. Er ist der große Künstler aus der Zeit seiner Zusammenarbeit mit Keith Garrett. Jan Garbarek hat die besonderen Klangfarben des Skandinavischen in die europäische Jazzszene hineingebracht. Aber auch die junge israelische Schlagzeugerin Roni Kaspi, die fantastische Musik macht.
Frauen sind am Schlagzeug immer noch eine Ausnahmeerscheinung, oder?
Absolut! Eine junge Frau, die Schlagzeug spielt, ist auch ein Vorbild, ein Role Model. Aber am Ende geht es darum, tolle Musik zu präsentieren, ob das Frauen oder Männer sind, ist mir egal.
Angeblich hat Elon Musk eine Zeit lang geglaubt, dass er das Tesla-Werk (Grünheide, Brandenburg) in Berlin bauen würde. Wie bringen Sie Künstlern aus Amerika Saarbrücken nahe?
Ich habe persönliche Kontakte in die New Yorker Szene. Mein Link ist, dass ich sage, hey, Leute, hier ist es schön, hier ist nicht Berlin oder Frankfurt, aber was wir hier haben ist etwas Tolles, etwas Neues, und wir sind gastronomisch absolute Weltspitze. Und natürlich auch der Standard bei Victor’s. Das Victor’s Residenz-Hotel ist am Standort, am Festivalgelände, damit fallen die Hin- und Herfahrten, dieser zusätzliche Stress weg. Und: Die Umgebung, die Natur! Im letzten Jahr haben es alle geliebt, hier zu sein. Es sind oft harte Verhandlungen, es wird um jeden Cent verhandelt, aber die Amerikaner sind immer die Professionellsten.
Ihr Ziel ist es auch, Musiker aus dem Nachbarland Frankreich einzuladen. Wer kommt in diesem Jahr?
In diesem Jahr kommt eine Sängerin aus Paris, Camille Bertault. Sie wird ein Chanson-Programm im Jazz-Gewand mit dem Brussels Jazz Orchestra rund um Serge Gainsbourg vorstellen. Camille Bertault ist eine neue Stimme am Jazz-Himmel.
Im letzten Jahr waren die Hauptsponsoren die Dr. Teiss Naturwaren GmbH und die Peter und Luise Hager-Stiftung, zweitgenannte sind weiterhin dabei. Wie stellt sich die Entwicklung seitens der Sponsoren dar?
Die meisten schenken uns wieder ihr Vertrauen und begleiten uns. Es sind neue Partner hinzugekommen und ein oder zwei sind weggebrochen. Wir sind allen dankbar, denen, die uns geholfen haben, und denen, die weiter dabei sind.
Auch mit Sach- oder Dienstleistungen wird das Festival unterstützt. Können Sie Beispiele nennen?
Das geht von Handwerkern bis zu Bäckereien. Ich möchte niemanden hervorheben, denn es sind viele, in Anführungszeichen kleine, mittelständische Betriebe, die uns auch kurzfristig unterstützen. Das ist punktuell sehr wichtig, weil man auch sehr schnell darauf angewiesen sein kann, Hilfe zu bekommen. Die Fahrer der Firma Lay Reisen beispielsweise holen mit dem Bus Künstler vom Flughafen Frankfurt ab. Man braucht Menschen, die sagen: Mit unserem Know-how sind wir am Start.
Ein Festival zu organisieren, ist aufwendig. Beauftragen Sie Firmen aus der Region?
Zu 95 Prozent sind es saarländische Firmen, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir haben einen überregionalen Anbieter für die Backlines (benötigtes Bühnen-Equipment, Anm. d. Red.). Diese Anforderungen bekommen wir im Saarland leider nicht zusammen.
Sie haben mehrere „Satelliten“ – Konzerte vor und nach dem Festival – angekündigt. Eines fand im April, das nächste findet einen Tag vor dem Festival am 27. Juni statt. Diese Angebote waren beziehungsweise sind kostenfrei.
Was ist die Idee dahinter?
Die Idee ist, dass mögliche Ängste, dass Jazz intellektuell und kompliziert sei, verschwinden. Mit „Bars & Clubs“ möchten wir junge Leute für zeitgenössischen Jazz gewinnen: Es ist alles kostenfrei, es ist ein Spaß, hört es euch an! Wir bieten vieles umsonst. So wird man Menschen auch für das Festival begeistern. Und natürlich gibt es auch Rückschlüsse darauf, dass sich manche Menschen auch Karten für den Deutsch-Französischen Garten kaufen werden.
Die Konzerte in Saarlouis im August und in St. Ingbert im November werden für die Festivaltage im Juni aber keine Synergie mitbringen. Warum also?
Wir haben uns für die Kulturellen Leuchttürme beworben, weil das Festival „International Jazz Festival Saar“ heißt, und nicht „Saarbrücken“. Wir wollen das Saarland zeigen – das können wir, weil wir in diesem Jahr die Möglichkeit haben – und neben dem Hauptfestival im DFG weitere Konzerte über das Jahr verteilen.
Es gibt auch ein kostenfreies Angebot für Kinder ...
Ja, bei „Jazz & More for Kids“ am Freitagvormittag, 28. Juni, lädt Peter Lehel mit Band Kinder ab vier Jahren, aber auch alle Generationen, ein.
Sie haben angekündigt, dass Sie die Besucherzahlen auf 8.000 verdoppeln möchten. Wie schaffen Sie das?
Mit einem super Programm! Wir versuchen mit der Tourismuszentrale über diverse Werbemöglichkeiten darzustellen, dass Tourismus und Musik zusammengehören. Und: Der Standort Victor’s ist für alle Festivalbesucher der perfekte lucky punch, um eine tolle Festivalzeit zu erleben. Wir sind auch in den Medien aktiv, im letzten Jahr hatten wir das ARD Radiofestival und die „FAZ“. Gelingt das in diesem Jahr erneut, bekommen wir wieder Reichweite in die Bundesrepublik.
Eine originelle Werbemaßnahme hat das K8 Institut für strategische Ästhetik ausgedacht: die Aktion „Freunde werben Freunde“ …
Wenn Menschen, die im Saarland wohnen, Freunde in Mannheim, Metz oder Trier oder anderswo haben, sagt man ihnen: Wenn ihr uns am Wochenende besucht, kommt mit in den Deutsch-Französischen Garten! Wenn man Freunde wirbt, bekommt man besondere Rabatte beim Jazz Festival fill in.
Was muss eintreten, dass Sie die zweite Auflage von „fill in – Internationales Jazz Festival Saar“ für geglückt erachten?
Eintreten muss, dass die Menschen mit ebensolch strahlenden Gesichtern aus den Konzerten kommen wie im letzten Jahr, und dass es doppelt so viele sind.