Die deutsche Wirtschaft befindet sich im größten Abwärtstrend seit den 70er-Jahren. Die Ursachen sind vielseitig und betreffen am Ende die gesamte Weltwirtschaft. Zahlen und Fakten im Überblick.
Mit steigenden Energie- und Produktionskosten gerät die ohnehin angespannte Lage der deutschen Industrie weiter unter Druck. „Das, was wir derzeit erleben, ist keine Rezession, die rein ökonomische Ursachen hat und der man sich auch konjunkturpolitisch stellen kann“, betont Michael Grömling, Leiter des Clusters Makroökonomie und Konjunktur vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Die deutsche Industrie wird erst dann aus der Krise kommen, wenn die externen Schocks nachlassen.“ Dabei spricht er insbesondere von der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine, die mit „neuen Verunsicherungen, aber auch strukturellen Anpassungen einhergehen“.
Die Industrie bewegt sich bereits seit 2019 bergab. Besonders 2020 veränderte sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um minus 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr durch die Folgen der Pandemie. Und auch wenn das BIP im zweiten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorquartal unverändert bleibt, wie das Statistische Bundesamt bekannt gab, bleibt die Stimmung in der deutschen Wirtschaft nach zwei Rückgängen in Folge spürbar getrübt. Anders als noch im Sommer erwartet, dürfte daher die Erholung in der zweiten Jahreshälfte ausbleiben und sich die konjunkturelle Abkühlung fortsetzen. Insgesamt ist das preisbereinigte BIP in diesem Jahr bereits um 0,4 Prozent im Vergleich zu 2022 zurückgegangen. Hinsichtlich verschiedener Branchen zeigt sich dennoch ein abwechslungsreiches Bild: Die Wirtschaftsleistung im Verarbeitenden Gewerbe nahm um 0,1 Prozent zu. Auch das Baugewerbe konnte mit +0,2 Prozent leicht wachsen. Dagegen nahm die Bruttowertschöpfung im zusammengefassten Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe (-1,4 Prozent) sowie bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern (-2,1 Prozent) und im Bereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit (-0,8 Prozent) ab.
Erst 2025 wieder ausgelastet
Doch auch die Konkurrenz aus dem Ausland bleibt von der Krise nicht verschont: Ähnlich wie die deutsche Wirtschaft ist auch die Weltwirtschaft im zweiten Quartal nicht in Schwung gekommen. Sie ist zwar um 0,7 Prozent gewachsen, damit aber weniger als im vorherigen Quartal. Vor allem China hat mit der schwachen Binnennachfrage und dem strauchelnden Immobiliensektor Probleme. „Wir haben uns derzeit in ein geoökonomisches Umfeld einzufügen, das neu ist. Viele Jahrzehnte wurde die Welt offener: Grenzen fielen, der europäische Binnenmarkt wurde weiterentwickelt, große Schwellenländer wurden in die Weltwirtschaft integriert. Das alles war für unser weltoffenes Wirtschaftsmodell gut“, sagt Grömling. „Doch jetzt sehen wir seit geraumer Zeit eine gegenläufige Entwicklung, die nicht erst mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs begonnen hat: der Brexit, die US-Wahl 2016, die politische Positionierung von großen Schwellenländern wie China. Das macht es für deutsche Industrieunternehmen erheblich schwieriger, sich neu aufzustellen. Den starrer werdenden globalen Rahmenbedingungen müssen wir uns anpassen, nur teilweise können wir sie mitgestalten.“ Um dies zu schaffen, sei auch das Wachstumschancengesetz nicht ausreichend.
Etwas optimistischer in die Zukunft blickt die Deutsche Bundesbank: Die Wirtschaft dürfte zwar zum Winterhalbjahr weiter schrumpfen, erlebe aber „keinen schwerwiegenden Einbruch“, heißt es. So wird für das kommende Jahr ein Abfall um 0,5 Prozent erwartet, nachdem die Wirtschaft aber im laufenden Jahr noch um 1,8 Prozent zulegen soll. 2024 soll sie dann um 1,7, 2025 um 1,4 Prozent wachsen. Die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten sollen aber erst 2025 wieder im normalen Maß ausgelastet sein.