Für die saarländische Gastro-Branche ist der 3. Oktober immer ein besonders geschäftiger Tag, doch dieses Mal ist die Region besonders gefordert, sagt Dehoga-Präsident Michael Buchna. Denn Tourismus soll künftig ein starker Wirtschaftszweig des Landes sein.
Herr Buchna, das Saarland richtet dieses Jahr den Tag der Deutschen Einheit aus. Welche Auswirkungen, welche Zugkraft hat dieses Ereignis auf die Gastro-Branche?
Wenn es nach uns geht, könnte es ruhig noch mehr Feiertage geben. (lacht) Im Ernst, ich weiß, das ist für die Wirtschaft nicht so einfach. Der Tag der Deutschen Einheit ist zunächst genauso wichtig wie alle anderen Feiertage für Hotel und Gastronomie; dass er nun im Saarland gefeiert wird, macht ihn noch mal so wichtig. In Saarbrücken alleine werden Hunderttausende Gäste erwartet. Meine Kolleginnen und Kollegen in der Landeshauptstadt werden das hinbekommen, alle sind gut gewappnet und bereits Anfang September starteten wichtige Vorbereitungsarbeiten. Für die saarländische Kultur und unsere heimatliche Gastronomie ein außerordentlich guter Tag. Unser Hotel steht in Orscholz an der Saarschleife, und an diesem Tag ist auch bei uns wie in jedem Jahr sehr viel los. Das heißt, auch unsere Planung richtet sich an dem erwarteten Besucherandrang aus: Haben wir genug Kartoffelstrudel? Genug veganes Curry, genug Entrecotes, Schnitzel geklopft?
Wie wirkt sich das Ereignis auf die Buchungszahlen aus?
Wir haben deutlich mehr Übernachtungsanfragen als sonst. Vor allem fällt auf, dass kurzfristige Buchungen wie sonst an diesen Tagen von längerfristigen Buchungen abgelöst wurden. Das bedeutet, dass die Menschen schon deutlich länger im Voraus ein Zimmer für den Tag der Deutschen Einheit und die Tage drumherum gebucht haben. Das ist sehr erfreulich und so können wir uns besser vorbereiten und gute Qualität erbringen.
Welche Strahlkraft hat der Tag im Saarland über das eigentliche Datum hinaus?
Dass wir im Saarland als besondere Gastgeber wahrgenommen werden, wird sehr wichtig sein. Unser Land steht vor enormen Herausforderungen. Die Probleme, die auf uns zukommen, werden nicht weniger, im Gegenteil. Ich weiß nicht, wie sich diese Transformation der wirtschaftlichen Veränderungen in Sachen Arbeitsplätze und Unternehmen am Ende auswirken wird. Deshalb ist es von enormer Wichtigkeit, dass die touristischen Möglichkeiten des Saarlandes unseren Gäste am Tag der deutschen Einheit und den vielen Touristen im Lande vor Augen geführt werden. An diesem Tag muss sich die Urlaubsdestination Saarland von der besten und geschmackvollsten Seite zeigen. Ich prognostiziere, dass das Gastgewerbe enorm an Bedeutung im Land zunehmen wird und ein deutlich wichtiger Arbeitsplatzgarant werden wird.
Die Situation der Gastronomie ist nach wie vor schwierig, warum?
Wir haben einerseits eine Konsumkrise zu verzeichnen. Der Konsum ist insgesamt gedämpft, das heißt, man gibt nicht mehr gerne so viel Geld aus, egal ob Rentner, Familien oder junge Menschen. Und das gilt auch für den Hotel- oder Restaurantbesuch. Es gibt dann einen Restaurantbesuch weniger, es wird dann kein Riesling mit Prädikat Auslese getrunken, stattdessen eine günstigere Alternative. Andererseits ist die Erwartungshaltung der Gäste enorm gestiegen. Man will auch schließlich das Beste für sein Geld haben. Dieser drohende Zufriedenheitsverlust ist der Zwiespalt, in dem wir uns befinden und der Gäste und Gastronomen tief bewegt. Erschwerend kommt ein Verlust an Fachkräften hinzu, der auch die Qualität der Betriebe unter Druck setzt. Gute Qualität hängt in der Gastronomie auch von gut geschultem und ausgebildetem Fachpersonal ab. Ist qualifiziertes Personal Mangelware, werden Räume geschlossen, Öffnungszeiten verringert und die Auswahl zusammengestrichen. Aber: Im Saarland gibt es wieder mehr gastronomische Auszubildende und das ist sehr erfreulich. Diese zukünftigen Fachkräfte stehen uns aber nicht heute zur Verfügung. Denn seit der Corona-Pandemie begleiten uns vielfältige Herausforderungen. Omnikrisengleich die Inflation, Demografie, Krieg, Gesellschaft im Wandel, all das führte zu fünf schlechten Jahren, führte zu geringeren Erlösen, sinkenden Umsätzen, erbrachte keine Erträge oder oft genug immense Verluste für kleine und große Betriebe. Daraus entstand eine Negativ-Spirale, bestehend aus fehlender Innovations- und Investitionskraft, weniger Kreditaufnahmen bis hin zu einem drohenden fortschreitenden Qualitätsverlust innerhalb unserer Zukunftsbranche Gastgewerbe. Und das können wir uns auf keinen Fall leisten.
Im Saarland werden dennoch 2023 neue Besucherrekorde an Übernachtungen gefeiert, so der Tourismusbericht aus dem vergangenen Jahr.
Tourismus boomt. Ja, es gibt mehr Übernachtungen und mehr Tagesbesucher, die Urlaub im Saarland machen. Der Tourismus wird an Bedeutung zunehmen. Die höheren Übernachtungszahlen sind sehr erfreulich, spiegeln aber nicht die touristische und wirtschaftliche Realität wider. Das Saarland, besonders der Stadtverband Saarbrücken, hat einen immensen, vierstelligen Zuwachs an Übernachtungsmöglichkeiten im vergangenen Jahr erlebt. Es kamen einige neue Hotels hinzu und viele private Unterkünfte wurden als buchbare Übernachtungsmöglichkeiten, oft auch von privatem Anbieter, geschaffen. Mehr Übernachtungen heißt im saarländischen Fall leider: Vor allem weniger Auslastung, mehr Kosten und ein schädlicher Preiskampf. Die gesamte Branche wird durch eine solche veröffentlichte, fatale Fehleinschätzung der statistischen Werte geschädigt. Immerhin hat eine Betriebsauslastung etwas mit Nachhaltigkeit und ressourcenbewusstem Wirtschaften zu tun. Hinzu kommt, dass die gastgewerblichen Unternehmen gemeinsam mit den Tarifpartnern in den vergangenen 30 Monaten die Löhne und Ausbildungsvergütungen um mehr als 30 Prozent angehoben haben. Das ist für die Betriebe eine immense Herausforderung. Die Gewinner einer solchen Situation sind die Buchungsplattformen wie Airbnb oder Booking.com.
Ist dieses Lohnplus aber nicht auch ein Magnet für potenziell interessierte Azubis?
Eine sehr gut dotierte Ausbildungsvergütung ist für einen Berufseinsteiger ein wichtiges Argument, um eine Karriere im Gastgewerbe zu starten. Die Entwicklung der Löhne und Gehälter hat sicherlich, wie in vielen Dienstleistungs-Bereichen der Wirtschaft, mit dem „War of Talents“ und dem demographischen Wandel unseres Landes zu tun. Auch unser gemeinsames Engagement mit der Tourismuszentrale und dem Wirtschaftsministerium im Ausbildungsmarketing „Du machst den Moment“ tragen nun zum Erfolg bei. Dies darf aber nicht über die vor uns liegenden Herausforderungen hinwegtäuschen. Nun gilt es – um es klar auszusprechen –, Fleiß, Verantwortungsübernahme, Qualitätserbringung und den Gast wieder in den Mittelpunkt einer motivierten Arbeit zu stellen. Nur durch Mut, Innovation und Fairness werden wir unsere lahmende Wirtschaftskraft wiedererwecken können. Die sieben Prozent Mehrwertsteuer sind auch ein Lichtschein für den gastgewerblichen Horizont. Wie eine Monstranz hat der Dehoga Saarland diese wichtige Änderung hin zu einer fairen Mehrwertbesteuerung von Speisen vor sich hergetragen. Nun soll sie wahrlich kommen. Das wird vielen Betrieben helfen, Zukunft neu zu denken und wichtige Investitionen durchzuführen. Es wird deswegen keinen Rabattgutschein am 1. Januar 2026 für die Gäste geben. Das muss ich leider hier vermelden. Vielmehr sollen fünf Jahre Coronakrise und Kulturverlust dann aufgefangen sein.
Nun erarbeitet das Saarland auch eine Tourismusstrategie 2035, die Ende des Jahres vorgestellt werden soll. Was erwarten Sie sich davon?
Auf diese Vision freue ich mich sehr. Ich erwarte eine visionäre und deutliche Zukunftsvision und keinen kleinteiligen Jahresfahrplan. Die alte Strategie sprach von drei Millionen Übernachtungen. Ich erwarte in Zukunft, angesichts von mehr Hotels und besseren touristischen Einrichtungen und der bisherigen saarländischen Wirtschaftsaussichten ganz sicher eher fünf Millionen pro Jahr und eine deutliche Zunahme der Qualität, der Personalschulungen, von Nachhaltigkeit und Ökosensibilität, die Entwicklung eines modernen öffentlichen Nahverkehrs mit E-Rad-Tourismus, passendem Radwegenetz für alle und die Einbindung einer vielfältigen saarländischen Kultur. Man sollte sich immer Bilder machen. Ein Besuch des Polygons mit Oper wäre ratsam. Das ist, bei allen Herausforderungen, machbar. Nicht umsonst waren wir 2024 das erste zertifiziert nachhaltige Reiseziel in Deutschland.