Die Reha GmbH ist längst Markenzeichen als Werkstatt für körperbehinderte Menschen. Aus bescheidenen Anfängen 1969 ist ein beachtliches mittelständisches Unternehmen mit höchsten Ansprüchen geworden, wie Geschäftsführer Thomas Vogelgesang berichtet.

Wir wollen Arbeitsplätze anbieten, die genauso ausgestattet sind wie in den jeweiligen Betrieben und Branchen des ersten Arbeitsmarktes, beispielsweise in einer anderen Druckerei, oder der Logistikbereich sieht bei uns genauso aus wie bei anderen Fulfillment-Unternehmen in Deutschland. Menschen, die bei uns im Bereich Fulfillment gearbeitet haben, sollen sich beispielsweise beim Praktikum oder zum Start in einem Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes zurechtfinden. Unser Ziel ist ja die Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt. Wir wollen, dass es dann nicht noch zusätzliche Hürden gibt, wenn die Menschen bei uns etwa mit Handameisen gearbeitet hätten, aber die meisten in der Regel elektrische Hubstapler haben. Deshalb ist uns auch wichtig, dass wir von der Technik her immer mit der Zeit gehen.
Die Reha GmbH hat sich inzwischen zu einer beachtlichen Größe entwickelt. Ich vermute mal, das war zu Beginn nicht so angelegt.

Wir haben vor über 50 Jahren angefangen mit dem Thema Papier und sind uns in diesem Bereich treu geblieben. Wir haben erst mit einer Druckerei angefangen im Offset-Druck. Dann haben vor etwas mehr als 20 Jahren Kunden gefragt, ob wir ihre geschäftlichen Dinge auch drucken und versenden können. Damals gab es noch die Infopost, die Briefkästen waren noch viel voller. Damit sind wir in die nächste Sparte gekommen, machen jetzt Druck, Marketing und Logistik. Eigentlich sind es klassische Letter-Shop-Dienstleistungen, also Druck, Adressaufbereitung, Versendungsdienstleistungen. Damit wurden wir damals schnell einer der größten Partner der Post im Saarland und sind relativ schnell gewachsen. Als dann das Porto immer teurer wurde, haben wir eine Nische gefunden. Immer dort, wo aus gesetzlichen Gründen ein Brief versendet werden muss, Steuerbescheide, Kontoauszüge, Rechnungen und Ähnliches, haben wir ein System aufgebaut, wo wir unter strengen Sicherheitsauflagen die Aufträge umsetzen. Das war für uns eine große Hürde, technisch, vom Know-how her, aber auch von den Workflows, die wir gemeistert haben.

Wie entwickeln sich die Aufträge?
Wir haben mit der Firma Hager etwa einen Kunden, für den wir den weltweiten Werbemittelversand machen. Das ist ein Weltkonzern mit klaren Prozessabläufen und Standards. Da mussten wir unsere Hausaufgaben machen und konnten und wollten auch nicht sagen: Das ist eine Werkstatt für Behinderte. Wir haben die Mentalität: Geht nicht gibt’s nicht. Deshalb war für uns klar: Wir machen das. Obwohl der Berg groß war und wir leicht hätten sagen können: Das ist nicht das Richtige für uns. Für uns ist wichtig: Langfristige Aufträge vom ersten Arbeitsmarkt zu generieren, Geschäftsfelder zu schaffen, dann aber auch das Thema in die Tiefe zu bringen. Wir wollen keinen Bauchladen haben. Wir sind eine Druckerei, die eine Dienstleistung in einer gewissen Tiefe anbietet, und nicht nur ein Segment, um dem Kunden auch eine komplette Dienstleistung anbieten zu können.
Sie sind längst in der digitalen Welt angekommen. Wie funktioniert das?
Es gibt verschiedene Ebenen der digitalen Welt. Im Druck kann ich sagen: Wir machen Digitaldruck. Das ist dann noch verhältnismäßig einfach. Insgesamt ist Digitalisierung ein ganz schwieriges Thema, für die gesamte Gesellschaft. Für Unternehmen geht es darum, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, eine Strategie zu entwickeln. Unser Geschäft ist so, dass wir immer stark waren, wo viele Hände gebraucht wurden. Es wurde keine Maschine extra konzipiert, um etwas zu verpacken, wenn die Auflage zu gering war. Da waren wir ein starker Partner, wir hatten viele Hände und konnten diese Nische bedienen. Wir sehen es als Chance, durch Digitalisierung mehr Teilhabe zu erfahren, indem wir einfach viel mehr untergliedern können und Unterstützung geben können, seien es Tablets am Arbeitslatz oder VR-Brillen, um das Lernen und Entwickeln ein Stück weit noch mal auf eine andere Ebene zu bekommen. Da unterscheiden wir uns gar nicht so sehr vom ersten Arbeitsmarkt. Das ist eine große Chance, wenn man das für sich annimmt und als Kultur im Unternehmen umsetzt.
Arbeit mit Menschen mit Behinderungen ist das eine, gleichzeitig bewegen Sie sich als Unternehmen im Markt, müssen sich also dem Wettbewerb stellen. Wie funktioniert das?

Es ist der Spagat, in dem wir uns bewegen. Es gibt Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, die nicht wissen, dass wir auch eine zweite und dritte Säule bedienen. Wir sind als Reha auf vielen Social-Media-Kanälen unterwegs, haben in den letzten Jahren einige Fortschritte gemacht. Für ein Sozialunternehmen ist das aber schon schwierig, mit den gleichen Mitteln und Budgets unterwegs zu sein, um die Marke, das Logo, die Dienstleistung in den Fokus zu stellen. Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Das war für uns auch bei der Modernisierung unseres Logos von großer Bedeutung. Deshalb war uns wichtig, mit der Modernisierung unseres Logos auch unseren Claim anzupassen. Vorher war es „Druck, Marketing, Logistik – Wir machen das." Das war noch zu Zeiten, als sich die Werkstätten ihrer Leistungsfähigkeit gar nicht so bewusst waren. Unsere Menschen sind sehr verantwortungsbewusst, das Thema Arbeit hat für sie einen hohen Stellenwert. Die sind motiviert und unheimlich begeisterungsfähig. Wenn zum Beispiel Spitzen sind, etwas kurzfristig erledigt werden muss, dann sagen die als Team: Wir kriegen das hin. Und sie kriegen es hin – und können sich dann auch richtig freuen. Getreu dem neuen Slogan: „Einer für alle. Alle vereinen."
Es bleibt aber der angesprochene Spagat. Liegt darin das Erfolgsgeheimnis?
Die Reha war immer ein Unternehmen, das sage ich durchaus selbstbewusst, das sympathisch vernetzt war und so an Aufträge gekommen ist, die wir angemessen erledigt haben. Unser Kundenstamm ist inzwischen überregional, die größten Kunden kommen von außerhalb des Saarlandes, weil wir auch an Ausschreibungen teilnehmen. Wir versuchen, Aufträge des ersten Arbeitsmarktes zu kombinieren mit Aufträgen, die typische Werkstattaufträge sind. Die sind superschwierig zu kalkulieren. Wenn wir nur Werkstattaufträge machen würden, könnten wir uns keine marktgerechte technische Ausstattung leisten. Wir brauchen also eine Ausgewogenheit. Wir sind ein mittelständisches Unternehmen mit einem gewissen Volumen, das sich permanent weiterentwickelt, weil wir in den Themen gewachsen sind. Insofern sind wir ein normales Unternehmen, wobei wir immer sagen: Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt, ob mit Behinderung oder nicht.

Sie haben unlängst das „Soziale Siegel" verliehen. Was ist die Idee dahinter?
Wir wollen unsere Kunden und Partner auszeichnen, damit die auch den Nachweis haben, dass sie bei uns Dienstleistungen mit sozialer Nachhaltigkeit haben. Hintergrund sind auch die Nachhaltigkeitsziele der EU, bei denen es eben auch um soziale Nachhaltigkeit geht. Das ist aber oft schwierig zu messen. Deshalb haben wir gesagt, dass wir den Kunden und Partnern, die mit uns in einer gewissen Regelmäßigkeit und einem gewissen Volumen zusammenarbeiten, das „Soziale Siegel" für ein Jahr verleihen. Damit haben sie ein Qualitätsmerkmal, das sie verwenden können wie andere Siegel, eben mit dem Label: „Produziert mit sozialer Verantwortung". Das Siegel bestätigt, dass Unternehmen mit ihren Aufträgen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung beitragen. Das ist, wie wir wissen, auch für die Kunden wichtig. Wir waren deshalb ganz stolz, als wir das Siegel entwickelt hatten. Dann kam Corona, alles andere war wichtig, und das Siegel ist fast schon untergegangen. Wir haben es dann jetzt doch umgesetzt und festgestellt, wie wichtig es den Unternehmen ist und wie dankbar sie sind, dass es ein solches Siegel gibt. Wir haben viele Kunden, weil wir die Dienstleistungen erbringen mit der gleichen Qualität und zum ähnlichen Preis wie andere, die aber auch deshalb zufrieden sind und schätzen, dass wir viele Menschen beschäftigen. Bei uns geht noch jemand ans Telefon ran, und wir beraten die Kunden.

Jetzt könnte man sagen: Die können das ja, weil sie auch Unterstützung bekommen?
Wir bekommen Leistungen, damit wir Menschen in der Werkstatt unterstützen können, sei es bei der Nahrungsaufnahme oder Pflege. Wir bekommen keine Gelder, um beispielsweise ein Vertriebsmanagement aufzubauen. Wir haben den Auftrag, Menschen bestmöglich zu qualifizieren, am besten für den ersten Arbeitsmarkt. Wir müssen den Rahmen schaffen, um qualifizierte Arbeit zu schaffen. Deshalb brauchen wir ganz normale Aufträge, damit wir ein Stück weit Margen erwirtschaften können, um diese Standards schaffen und Plätze auf diesem Niveau anbieten zu können. Das ist auch unser Anspruch, damit Menschen ihren Platz im Arbeitsleben finden können. Wir haben 550 Werkstattplätze und wir brauchen die Diversität, weil die Menschen unterschiedliche Fähigkeiten haben. Warum soll ein Rollstuhlfahrer nicht einen großen Gabelstapler fahren können? Wir bauen eine Technik, damit er reinfahren kann, und dann bedient er das Gerät. Es geht uns also um jeden einzelnen Arbeitsplatz, und dass wir diese Fähigkeit haben, ist uns wichtig. Das Ziel der Werkstatt ist Beschäftigung, aber die Menschen arbeiten normale Aufträge ab, am Ende des Tages muss die Frist eingehalten werden. Dabei haben wir die Möglichkeit zu sehen, wo der Mensch am besten aufgehoben ist. Wichtig ist die Durchlässigkeit, und zwar in allen Richtungen, sowohl innerhalb der Werkstätten als auch nach außen, und im Zweifel von außen zurück. Deshalb haben wir auch vor einigen Jahren die CAP-Märkte begonnen. Werkstätten haben ihre Rahmenbedingungen, Lebensmittelmärkte andere. Da haben wir die Möglichkeit zu wechseln, und dass Menschen herausfinden, was ihnen liegt. Es geht darum, dass der Mensch seinen Platz in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz in der Reha oder dann auch auf dem ersten Arbeitsmarkt findet. Da brauchen wir uns als Reha auch nicht zu verstecken.

Das heißt konkret?
Unser Ziel ist, dass wir drei bis fünf Mitarbeiter auf den ersten Arbeitsmarkt vermitteln. Das hört sich zunächst superwenig an, aber es ist trotzdem eine große Leistung. Wir haben in den letzten Jahren um die 50 Menschen an den ersten Arbeitsmarkt vermittelt, und zwar nachhaltig. Es geht nicht darum, schnell Quoten zu erfüllen, und dann kommen die Menschen später wieder zurück, weil sie vielleicht ein falsches Arbeitsumfeld hatten, weil der Arbeitgeber keinen hatte, der eine gute Einarbeitung gemacht hat. Deshalb ist uns wichtig, dass wir das mit unseren Fachkräften für betriebliche Integration ordentlich vorbereiten und lange begleiten, sodass der Mensch sich wohlfühlen und ganz normal in einem Unternehmen arbeiten kann.

Die Lebensmittelmärkte haben Sie als ein Standbein angesprochen, gibt es Ideen für weitere Entwicklungen?
Das Thema, das jetzt auf uns zukommt, ist das Thema Nachhaltigkeit. Es werden neue Produkte und neue Dienstleistungen entstehen. Und da müssen wir schauen, was für uns passt. Ein Thema, das wir auch weiter entwickeln wollen, ist Fulfillment (Logistikdienstleistung), weil das Onlinegeschäft ein wachsender Markt ist und es eine schöne Beschäftigung für unsere Menschen ist.
Im Übrigen: Wenn ein Kunde kommt und eine Idee hat, dann werden und wollen wir auch nicht sagen: Wir sind ein Sozialunternehmen, das passt nicht zu uns. Sondern wir schauen, wie wir das hinkriegen können – wenn wir von der Idee überzeugt sind. Das ist unsere Mentalität.