Das Hoch hat nicht lange gehalten: Trotz des ersten Saisonsiegs gegen Ligaprimus Hannover zeigt Hertha BSC beim 0:2 gegen Paderborn wieder einmal eine enttäuschende Leistung.
Es sollte nicht gelingen, das Momentum aus dem ersten Saisonsieg bei Hannover 96 mit in das Heimspiel am vergangenen Sonnabend zu nehmen. Viele im Umfeld von Hertha BSC mochten sich haben blenden lassen ob der Umstände des Erfolgs: beim Spitzenreiter, und dann am Ende noch deutlicher mit 3:0. Doch die Partie im Olympiastadion gegen den SC Paderborn war wieder ein ganz anderes Spiel mit Herausforderungen, die sich noch in der Vorwoche nicht gestellt hatten.
So musste die Mannschaft von Stefan Leitl mit der Rolle des Favoriten umgehen, die zu Hause meist auch die Spielführung beinhaltet – eine Situation, die den Berlinern nicht unbedingt liegt. Man denke nur an Platz 18 in der Heimtabelle 2024/25 – und die Schwäche im Olympiastadion findet bislang auch in dieser Saison ihre Fortsetzung. Nach der 0:2-Niederlage am Samstag spricht die Bilanz von einem Punkt und noch keinem eigenen Torerfolg vor heimischem Publikum jedenfalls Bände.
Altbekannte Einfallslosigkeit
Gerade im Offensivspiel herrschte die altbekannte Einfallslosigkeit – im ersten Durchgang entstand die einzige Torchance der Blau-Weißen durch einen Einwurf von Fabian Reese auf Dawid Kownacki, dessen Kopfball durch SCP-Verteidiger Götze gerade noch vor dem Überschreiten der Linie geklärt werden konnte. Vielleicht eine Schlüsselszene, dass Hertha BSC in dieser Situation Rückenwind durch ein simples Führungstor verwehrt blieb.
So kam es genau andersherum: Erst konnte Deyovaisio Zeefuik noch einen Abschluss von Klaas in höchster Gefahr abblocken, dann aber traf wenig später Bilbija zum angesichts der Kräfteverhältnisse auf dem Platz verdienten 0:1. Nach der Pause verlief das Geschehen ähnlich, denn Marten Winkler verfehlte – in Hannover noch eiskalt vor seinem Führungstreffer – das Paderborner Gehäuse knapp. Und kurz darauf entschied Schiedsrichter Lehner bei einem Schuss von Castaneda, der Kennet Eichhorn an die Hand prallte, auf Strafstoß.
Das 16-jährige Toptalent musste so erstmals auch eine negative Erfahrung im Profibereich erleben, inklusive Gelber Karte und Auswechslung. Paderborns Bilbija wiederum – gebürtiger Berliner, der schon zum Auftakt der vergangenen Saison einen Treffer zum 2:1-Erfolg des SCP im Olympiastadion beisteuerte – schritt zur Ausführung und erzielte in „Panenka-Manier“ nach einer knappen Stunde das 0:2. Wer Hertha BSC in der jüngeren Vergangenheit verfolgt hat, wusste in diesem Moment, dass die Partie gelaufen war.
Von einer Aufholjagd mit aller Macht gab es dann auch ebenso wenig eine Spur wie von der Leidenschaft, die das Team noch in Hannover gewinnbringend an den Tag gelegt hatte. Vielmehr musste Tjark Ernst in zwei Situationen noch mal sein ganzes Können unter Beweis stellen, um eine höhere Niederlage zu verhindern. So wurde die Mannschaft am Ende vor rund 44.000 Zuschauern im Olympiastadion mit Pfiffen bedacht. Erst im Anschluss war dann die Information publik geworden, dass rund ein Dutzend Spieler während der Woche von einer Corona-Infektion betroffen waren.
„Wir haben alles getan, damit eine fitte Mannschaft auf dem Platz steht“, wollte Herthas Trainer aber keine Alibis für den schwachen Auftritt gelten lassen.
Gewissen Widerwillen hatte Stefan Leitl auch im Vorfeld des Spiels über die Diskussionen zur Taktik beziehungsweise deren Änderung in Hannover gezeigt: „Das sind Themen, die hier immer so rumschwirren – ich kann eigentlich wenig damit anfangen, muss ich sagen.“ Keineswegs habe er jedenfalls die Umstellung auf Viererkette nur aus Personalnot vorgenommen, sondern auch, weil er sein Team auf die spezielle Offensivtaktik der 96er habe ausrichten wollen.
„Wir werden jetzt nicht jede Woche gucken, was der Gegner macht, und darauf reagieren“, ließ Herthas Trainer aber der von ihm favorisierten Dreierkette – mit der er letzte Saison noch durchaus erfolgreich war – vor dem Duell mit Paderborn betont die Tür offen. Schließlich bot die Rückkehr von Linus Gechter nach seiner Sperre die Option, wieder mit drei Innenverteidigern aufzulaufen.
Doch selbst Hertha-Spieler hatten die Umstellung beim 3:0-Sieg in Hannover positiv bewertet – das System, so etwa Torwart Ernst, „hat uns extrem viel Stabilität gegeben.“ Die Variante, die Leitl letztlich wählte, konnte man dann als salomonisch bezeichnen – angesichts der öffentlichen Diskussion, die nicht zuletzt wegen des Erfolgs beim Spitzenreiter eindeutig zur Viererkette tendierte.
Ermattete Bilanz beim Heimspiel
Denn Gechter stand zwar in der Startelf, übernahm aber die Position von Julian Eitschberger als Rechtsverteidiger im vierköpfigen Abwehrverbund. Dabei hatte der „Tagesspiegel“ seinerseits noch als positiven Punkt genannt, „dass in Hannover dank der neuen Grundordnung mehr Spieler auf den Positionen zum Einsatz kamen, die ihnen am meisten liegen“. Mit Ausnahme von Gechter, der dann zur Pause schon wieder Eitschberger weichen musste, sollte das also auch gegen Paderborn so bleiben.
Augenscheinlich besonders wohlgefühlt hatten sich beim 3:0-Sieg Winkler, der auf der offensiven Außenbahn ebenso weniger Aufgaben gegen den Ball zu erfüllen hatte wie Michaël Cuisance, der auf der „10“ mehr seine Kreativität und Technik zur Geltung bringen konnte. Im Fall von Fabian Reese musste man ebenso davon ausgehen, dass er sich nach seinen eher schwachen Auftritten in dieser Saison als zentraler Stürmer wieder auf „seiner“ linken Seite wohler fühlen könnte.
Die erwähnten, veränderten Herausforderungen im Heimspiel gegen die Ostwestfalen ließen die Brillanz der drei „Hauptdarsteller“ von Hannover aber auch schon wieder ermatten. Mit fünf Punkten aus sechs Ligaspielen und vier Toren bleibt vor allem das Offensivspiel der neuralgische Punkt in der Zwischenbilanz.
Am Sonntag steht obendrein beim 1. FC Nürnberg eine Begegnung mit besonderer Fallhöhe auf dem Programm. Der „Club“ konnte sich dabei am vergangenen Samstag gegen den VfL Bochum den ersten Dreier der Saison sichern. Eine Niederlage im Fränkischen würde bei Hertha BSC wohl für richtig Feuer unter dem Dach sorgen.
Immerhin gelang den Hauptstädtern am sechsten Spieltag der vergangenen Saison ein 2:0-Erfolg beim FCN: Die damaligen Protagonisten, der Ex-„Club“- und frühere Hertha-Trainer Cristian Fièl sowie die Torschützen Derry Scherhant und Palko Dardai, sind jedoch alle nicht mehr bei den Berlinern aktiv.