Die Erde sollte besser Aqua heißen. In Zeiten von Wasserknappheit und zunehmenden Überschwemmungen soll der „EU Blue Deal“ den Weg für ein nachhaltiges Ressourcenmanagement ebnen. Immerhin besteht unser Planet größtenteils aus Wasser. Müsste also folgerichtig das Element nicht auch Politik und Handeln prägen?
Jeremy Rifkin, ein US-amerikanischer Ökonom, Publizist sowie Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends, plädiert in diese Richtung. Wobei der 79-jährige Visionär einer Wasserstoffwirtschaft mit seinen Aussagen und Empfehlungen seit jeher nicht nur Anerkennung, sondern auch Kritik provoziert. Jetzt tritt Rifkin in seinem neuesten Buch „Planet Aqua: Rethinking Our Home in the Universe“ für einen „Neustart“ ein. Der bestehe darin, Wasser nicht mehr als „Ressource“ sondern als „Lebensquelle“ anzusehen. Wir sollten lernen, uns an die Hydrosphäre anzupassen statt andersherum.
Allein steht der Amerikaner mit dieser Idee nicht: Ende vergangenen Jahres forderte das European Economic and Social Comittee (EESC) mit dem gemeinsamen Schreiben der Gruppe „Wasser“ des Europäischen Parlaments die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) auf, eine Strategie für den „Blue Deal“ als Teil des kommenden Mandats der Europäischen Kommission (2024 – 2029) gemeinsam zu unterstützen.
Hochwasserschäden in Milliardenhöhe
Die smarte Wasser-Strategie der EU soll „die vielfältigen Herausforderungen der Wasserknappheit angehen und den Weg für ein nachhaltiges Ressourcenmanagement in allen Sektoren und Regionen ebnen“. So beschreibt das Bundesforschungsministerium via „Horizont Europa“, das ist ein Rahmenprogramm der Europäischen Kommission für Forschung und Innovation, den „EU Blue Deal“. Dieser soll den „Green Deal“ ergänzen, mit dem die Europäische Union bis 2050 Klimaneutralität erreichen will. Denn Erderwärmung hat zwei Seiten: Wasserknappheit und ansteigendes Wasser.
Das Europäische Parlament verweist unter Bezug auf die European Environment Agency darauf, dass in den vergangenen 30 Jahren 5,5 Millionen Menschen von Überschwemmungen in ganz Europa betroffen gewesen seien. Hochwasser kosteten fast 3.000 Menschen das Leben. Die Fluten bewirkten wirtschaftliche Schäden in Höhe von mehr als 170 Milliarden Euro.
Noch sind die meisten deutschen Städte zu stark versiegelt. Das zeigen die Überschwemmungen dieses Jahres. Das führte im Sommer die Hitze vor, die in Straßen ohne kühlendes Grün besonders heftig waberte. Das zeigte auch eine Analyse der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die etwa begrünte Schulhöfe als Standard vorschlägt. Basierend auf neuen Daten des Potsdamer Dienstleistungsunternehmens Luftbild Umwelt Planung im Auftrag der DUH wurden 190 Städte mit mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern unter die Lupe genommen. Flächenversiegelung, Grünausstattung, insgesamt die Tauglichkeit, vor extrem hohen Temperaturen in Folge der Klimakrise zu schützen, standen im Fokus der Hitzestudie.
Unterm Strich bekamen 24 Städte eine Rote Karte, 82 eine Gelbe Karte und 84 eine Grüne Karte. Die Bundesgeschäftsführerin der DUH, Barbara Metz, fordert daher einen Stopp für die Flächenversiegelung bis spätestens 2035. „In Zeiten der Klimakrise brauchen unsere Städte unversiegelte Böden zur Versickerung von Wasser und Grünflächen zur Kühlung“, sagt Metz. Mitentscheidend sei, dass neben Rasenflächen Bäume, Büsche und Wiesen in den Städten zu finden seien. Wenn beispielsweise Flächen in Form von Spielplätzen unversiegelt und saugfähig parat stehen, haben Wassermassen bessere Chancen, zu versickern. Ohne Menschen und Bauten zu schaden.
Der Sommer 2024 war weltweit und in Europa der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen, so der Climate Change Service der Europäischen Union. Kleinen Städten und Gemeinden fehlt häufiger Geld, um sich ans Klima anzupassen. Seit Juli gibt es dafür aber in Deutschland eine gesetzliche Vorgabe des Bundes, die Länder müssen sich kümmern, dass vor Ort etwas geschieht.
Immerhin haben laut einer Studie, die das Umweltbundesamt beauftragt hat, 41 Prozent der Kommunen schon etwas getan, um sich ans Klima anzupassen, und zwölf Prozent halten ein Konzept in Händen. Die Maßnahmen sind vielfältig: Über 30 Prozent der Kommunen wählen klimaangepasste Pflanzen aus, legen Bebauungsgrenzen fest, renaturieren Gewässer, legen offene Wasserflächen an und informieren die Bevölkerung über Gefahren und vorsorgende Schutzmaßnahmen.
Schneller Geld für betroffene Länder
Das Klima kennt keine Grenzen. Deshalb sind länderübergreifende Initiativen, wie der Green Deal, wichtig. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments fordern, dass die Kommission rasch einen europäischen Plan zur Anpassung an den Klimawandel vorlegt. Dieser soll konkrete Gesetzgebungsvorschläge beinhalten. Die Parlamentarier versprechen sich davon, die Resilienz der EU zu stärken, sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen und die nationalen Maßnahmen in Bezug auf Vorsorge, Planung und grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu koordinieren. Wie in den politischen Leitlinien von Präsidentin Ursula von der Leyen für die Kommission und den Zeitraum 2024 bis 2029 angekündigt. Ins Hochwassermanagement sowie in Risikoprävention zu investieren, halten die Abgeordneten für dringend notwendig.
Die Europäische Union kürzte unlängst in ihrem Haushalt die Mittel für Katastrophenschutzverfahren. Angesichts der jüngsten Überschwemmungen in Österreich, Tschechien, Deutschland, Ungarn, Polen, Rumänien und der Slowakei ist den Europaabgeordneten jetzt jedoch mehr und ausreichend Geld für Vorsorge besonders wichtig. Auch mit Blick auf den nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmen.
Die neu gewählten Parlamentarier fordern die Kommission auf, schneller Geld für die betroffenen Länder bereitzustellen. Sie verlangen, dass zudem weitere technische und finanzielle Unterstützung zur Verfügung gestellt wird.
Der Solidaritätsfonds der EU soll „der zunehmenden Zahl und Schwere von Naturkatastrophen in ganz Europa Rechnung tragen“. Zudem wollen die europäischen Volksvertreter mit ihrer Entschließung mehr EU-Investitionen in die regionale und lokale Resilienz anschieben. Sie fordern, dass die zukünftige EU-Kohäsionspolitik einen weiteren Schwerpunkt auf den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel legen soll. So fiele es auch Ländern, in denen die Menschen ein geringeres Bruttosozialeinkommen als der EU-Durchschnitt haben, leichter, sich vor klimabedingten Katastrophen zu schützen beziehungsweise diesen vorzubeugen.