Die katholischen Bischöfe haben sich klar von der AfD abgegrenzt. Eine Pfarrei in Neunkirchen/Saar hat daraufhin den Ausschluss des AfD-Landtagsabgeordneten Christoph Schaufert aus den Gremien der Pfarrei beantragt. In dieser Form auch aus Sicht von Ulrich von Plettenberg, Generalvikar des Bistums Trier, ein Präzedenzfall.
Herr von Plettenberg, die Deutsche Bischofkonferenz hat im Februar ausführlich Stellung zum Umgang mit der AfD genommen. Wie sehen die Rahmenbedingungen aus, die damit gesteckt sind?
Zunächst einmal gilt es, die Stimmung im Land aufzugreifen. Es gibt eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit einigen Dingen, die sich emotional sehr stark niederschlägt. Da finden Parteien wie die AfD sehr schnell Anknüpfungspunkte aufgrund ihres populistischen Programms. Im Januar hat es dann den Eklat gegeben, als herausgekommen ist, dass sich unter anderem einige extremistische Anhänger dieser Partei in Potsdam getroffen und sogenannte Remigrationspläne aufgestellt haben. Es gab dann Gott sei Dank einen Aufschrei des Entsetzens, Demonstrationen mit hunderttausenden Bürgerinnen und Bürgern, die für Menschenrechte, Demokratie und Freiheit eingestanden sind. Das haben die Bischöfe aufgegriffen mit ihrer Erklärung zum völkischen Nationalismus, der mit dem Christentum unvereinbar ist.
Im Kern geht es um eine klare Abgrenzung?
In der Erklärung steht in einer Passage, dass eine solche Partei kein Betätigungsfeld für Christinnen und Christen ist und dass sie für uns nicht wählbar ist. Damit grenzen sich die Bischöfe – übrigens einstimmig – von politischen Strömungen in unserem Land ab, die den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gefährden und die dabei sind, einigen Menschen die Daseinsberechtigung in unserem Land zu bestreiten. Das ist ein gutes und deutliches Zeichen, das aber nicht ausreicht.
Was braucht es darüber hinaus?
Wir sollten mit Sympathisanten und potenziellen Wählerinnen und Wählern dieser Partei ins Gespräch gehen und die Auseinandersetzung suchen, egal, ob das am Arbeitsplatz, in der Familie oder nach einem Gottesdienst ist, um deutlich zu machen, dass das, was diese Partei proklamiert, nicht im Sinne von uns Christen ist. Dazu fordern die Bischöfe im Übrigen auch auf.
Gilt das ebenso für aktive Mitglieder der Partei?
Die Gesprächssituation habe ich bezogen auf Menschen im Umfeld der Partei, Menschen, die die ein oder andere menschenrechtswidrige Position äußern, die auch die AfD vertritt. Ich würde unterscheiden zwischen potenziellen Wählerinnen und Wählern, Mitgliedern der Partei und denen, die die Partei nach außen vertreten, also Gesichter der Partei sind, regional oder überregional. Im Bistum Trier gibt es nun den Fall, dass ein kirchlicher Rat mich darum gebeten hat, einen landesweiten Vertreter der Partei, einen Funktions- und Mandatsträger, der nach außen ein Gesicht der Partei ist, aus diesem Rat zu entlassen. Herr Schaufert steht für die Partei, ist Mandatsträger als Landtagsabgeordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Außerdem hat er Mandate auf der kommunalen Ebene. Das eine ist also der konkrete Fall, aber grundsätzlich geht es um mehr als den Amtsträger Christoph Schaufert.

Damit haben Sie schon einige Kriterien angedeutet. Aber gibt es für diesen Fall trennscharfe Kriterien?
Nein. Solange wir keine auf die Gremien bezogenen, konkreten rechtlichen Regelungen haben, und die haben wir noch nicht, braucht es eine Einzelfallbetrachtung. Dafür gibt es natürlich Kriterien. Wenn jemand die Gleichwertigkeit aller Menschen bestreitet, dem muss ich als Christ Einhalt gebieten. Und wer Mandatsträger einer Partei ist, die an vielen Stellen diese Gleichwertigkeit aller Menschen bestreitet, die Fremdenhass sät und unsere Demokratie infrage stellt, dann ist für mich eine Grenze überschritten.
Welches Gewicht hat dabei, dass die Initiative zu einem Ausschluss von der Kirchengemeinde selbst ausgegangen ist?
Es ist richtig: Sowohl der Pfarrgemeinderat als auch der Verwaltungsrat haben den Antrag gestellt, ihn aus dem Verwaltungsrat zu entlassen. Dies ist mit einem sehr deutlichen Votum geschehen, das einem Misstrauensvotum gleichkommt. Wenn er bei den Menschen kein Vertrauen mehr hat, dann sollte er sich auch selber Fragen stellen. Die Räte haben ihn auch damit konfrontiert, aber er hat sich geweigert, persönliche Konsequenzen zu ziehen.
Wie läuft dieses Verfahren ab?
Auf der Grundlage der Grundordnung des kirchlichen Dienstes und des Kirchenvermögens- und -verwaltungsgesetzes (KVVG) prüfe ich zusammen mit unseren Juristen den Antrag, wäge ihn moralisch und ethisch ab. Und ich führe natürlich auch ein Gespräch mit dem Ratsmitglied. Das KVVG sieht dann nach einer Entscheidung vor, dass der Generalvikar einen Bescheid an den Betreffenden ausstellt, mit einer Begründung. Er kann binnen zehn Tagen dagegen beim Bischof Einspruch einlegen, und schließlich auch bei dem Dikasterium für den Klerus in Rom.
Es kann also bis nach Rom gehen?
Ja, das kann nach Rom gehen. Das Recht hat er.
Dann ist es ein Präzedenzfall?
In dieser Tragweite, meines Wissens ja.
Inwiefern verändert das die Kirche?
Ich glaube, es trägt dazu bei, unsere Haltung und unser Profil deutlich zu machen. Ich wünsche mir, dass die Kirche mehr versucht, sich nach außen hin zu orientieren in ihrer Rolle, die sie mit ihren Werten für die Gesellschaft nach wie vor haben kann. Auch die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hat ja deutlich gezeigt: Wo wir diakonisch, also im konkreten Dienst an den Menschen, unterwegs sind, werden wir anerkannt. Wo wir unsere Werte in den Vordergrund stellen, treffen wir auf ein positives Echo. Und da haben wir – gerade in Zeiten, in denen politischer Extremismus wächst – einiges beizutragen, wenn wir versuchen, die ein oder andere Diskussion auf eine andere Dimension zu heben. Wenn es dazu führt, dass wir diesen Blick für die Gesellschaft noch mal stärker einnehmen, ist das ein guter Schritt.
Nun gibt es aber auch in der Kirche selbst Menschen, die Meinungen vertreten, die nah am Gedankengut der AfD sind. Wird es also innerhalb der Kirche diese Diskussionen geben müssen?
Ja, das hat sich auch an der Reaktion auf die Erklärung der Bischöfe gezeigt. Es gab durchaus auch Unverständnis für diese Erklärung bis hin zur Ankündigung von Kirchenaustritten. Auch da sage ich, wir dürfen dem Gespräch mit diesen Leuten nicht ausweichen, müssen auf die Dinge hinweisen, die in unseren Augen unchristlich sind. Natürlich kriegen wir mit, dass es auch in der Kirche rechtspopulistische Tendenzen gibt beziehungsweise sich eine gewisse Offenheit dafür zeigt. Die Reaktionen auf die Erklärung waren durchaus heftig auf der einen Seite, aber eben auch sehr bestärkend auf der anderen Seite, wo wir sehr viel Unterstützung spüren. Für viele im Bereich der Kirche war es deshalb auch ein sehr wichtiges Zeichen, dass der Bischof und auch der Generalvikar zu Demos gegen solche Tendenzen gegangen sind.
Für mich hat es auch eine persönliche Dimension. Mein Großvater war im erweiterten Widerstandskreis des 20. Juli gegen die Nazis. Da habe ich ein geistiges Erbe mitbekommen, das mich prägt. Und deshalb bin ich auch sehr sensibilisiert, wenn es Strömungen gibt, die sich gegen Demokratie, gegen Menschenrechte, gegen Ausländer, gegen christliche Werte richten.