Am Abend des 7. August 1929 brach das Luftschiff LZ 127 Graf Zeppelin zu seiner erfolgreichen Mission auf: einer Weltumrundung. Nach 21 Tagen konnte es nach Zwischenstationen in Friedrichshafen, Tokio und Los Angeles wohlbehalten auf dem US-Startflughafen Lakehurst landen – nach rund 35.000 zurückgelegten Kilometern.
Als Jules Verne 1873 seinen erfolgreichsten Roman „In 80 Tagen um die Welt“ veröffentlicht hatte, war für die Mehrzahl seiner Zeitgenossen eine Weltumrundung in solch kurzer Zeit kaum vorstellbar. Doch im Gegensatz zu vielen seiner utopischen Erzählungen hatte der Abenteuer- und Science-Fiction-Grandseigneur bei seinem Bestseller die Realisierung der im Titel versprochenen Zielvorgabe auf damals real existierender Verkehrstechnik aufgebaut. Und dabei auch berücksichtigt, dass dank der Fertigstellung des Suezkanals und der Eisenbahn-Querverbindung durch die USA ein enormer Zeitgewinn für eine Weltreise möglich geworden war. So hatte sie der US-Amerikaner George Francis Train 1870 unternommen und dafür exakt 80 Tage benötigt – daher wurde er von Jules Verne als Vorbild für seinen Roman genommen. Dass eine Weltumrundung in der Ära des rapiden, technologischen Aufschwungs bald noch viel schneller möglich sein könnte, hatte wiederum Train mit einem 1892 aufgestellten Rekord von 60 Tagen bewiesen.
Mit dem Aufkommen der Flugzeuge zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Arbeit der Pioniere Otto Lilienthal und vor allem der Brüder Wright war absehbar, dass eine künftige Weltumrundung noch flotter über die Bühne gehen würde. Auch wenn Piloten der US-Luftstreitkräfte im Cockpit von Torpedobombern des Typs Douglas World Cruiser, die eigens für die erste Umrundung der Erde mit Flugzeugen konstruiert worden waren, für die letztlich erfolgreiche Mission noch 157 Tage für eine Gesamtstrecke von rund 44.000 Kilometern benötigt hatten. Für eine vergleichbare, in sechs Etappen aufgeteilte Flugstrecke von 49.618 Kilometern sollte fünf Jahre später zwischen dem 1. August und dem 4. September 1929 das legendäre, in Friedrichshafen am Bodensee erbaute, zigarrenförmige Verkehrsluftschiff LZ 127 Graf Zeppelin gerade mal 35 Tage benötigen.
Im Schnitt waren es gemächliche 115 km/h
Das erste und bis heute einzige Luftschiff, dem jemals eine Erdumrundung gelungen war, hatte für den kompletten, in vier Etappen absolvierten Überflug auf einer Länge von rund 35.000 Kilometern lediglich 21 Tage, fünf Stunden und 31 Minuten gebraucht – mit einer reinen Flugzeit von gerade mal zwölf Tagen und elf Minuten. Mit der gelungenen Weltumrundung konnte die Luftschiffbau Zeppelin GmbH den Nachweis erbringen, dass ihr ungewöhnliches Gefährt für den transkontinentalen Passagier- und Linienverkehr optimal geeignet war. Dabei hatte sich der „Moby Dick der Lüfte“ trotz des Antriebs durch fünf Maybach-Motoren mit jeweils 530 PS in einem recht gemächlichen Tempo von im Schnitt nur 115 Kilometern pro Stunde fortbewegt. Beachtlich war allerdings die Reichweite von bis zu 12.000 Kilometern, die über den Ozeanen in vergleichsweise niedriger Flughöhe von rund 300 Metern zurückgelegt wurden.
Der Clou des Jahres 1929 wurde zum Auftakt für die kurze Blütezeit der Luftschifffahrt. Ab Sommer 1931 wurde mit dem LZ 127 der erste regelmäßige Luftverkehr von Frankfurt am Main nach Brasilien/Südamerika aufgenommen. Mit dem Transport von Passagieren, die ein Ticket für 1.500 Reichsmark erwerben mussten, wurden auch Post und Fracht geliefert. Die LZ 127 Graf Zeppelin wurde das erfolgreichste Luftschiff aller Zeiten. Es unternahm zwischen 1928 und 1937 insgesamt 590 Fahrten, darunter außergewöhnliche Unternehmungen wie 1931 einen unfallfreien Forschungsflug über die Arktis, mit 34.000 Passagieren und 78.661 Kilogramm Fracht. Neben der Weltumrundung konnte die LZ 127 auch 139-mal den Atlantik nach Nord- und Südamerika überqueren.
Dabei war die LZ 127 ursprünglich nur als Versuchsschiff mit noch nicht gänzlich optimalen Proportionen in einer Länge von 236,6 Metern und einem Durchmesser von 30,5 Metern in Rekordzeit von 21 Monaten konstruiert und am 18. September 1928 in Dienst gestellt worden.
Das Nachfolgemodell war die mit 245 Metern noch etwas größere und für Passagiere weitaus komfortablere LZ 129 Hindenburg. Die Brandkatastrophe beim Landeanflug auf den rund 100 Kilometer südwestlich von New York gelegenen Flughafen Lakehurst am 6. Mai 1937 hatte das jähe Ende der Luftschiff-Erfolgsgeschichte zur Folge. Wobei dieser gravierende Unfall durchaus hätte vermieden werden können, hätte man rechtzeitig den brennbaren Wasserstoff als tragendes Füllgas durch das weitaus sicherere Helium ersetzt. Allerdings wurde dieses Edelgas seinerzeit vornehmlich in den USA produziert, und es war deutlich teurer als Wasserstoff und ließ sich wegen US-Export-Vorbehalten kaum beschaffen.
Dennoch hatte der Chef der Zeppelin-Werke Dr. Hugo Eckener, der die Nachfolge von Ferdinand Graf von Zeppelin angetreten hatte und als Flugkapitän der LZ 127 mit dem ihm von US-Präsident Herbert Hoover verliehenen Ehrentitel „Magellan der Lüfte“ zu weltweitem Ruhm gelangt war, bei der LZ 129 Hindenburg eigentlich unbedingt Helium einsetzen wollen. Denn bei diesem Luftschiff waren die Passagiere im Körper des Luftschiffs untergebracht und nicht mehr in einer unter dem Rumpf installierten Gondel wie bei der LZ 127.
Lakehurst als Start- und Endpunkt
Graf Ferdinand von Zeppelin (1838 – 1917) hatte sich die Entwicklung von sogenannten Starrluftschiffen, die über ein steifes, mit beschichtetem Textilgewebe überzogenes Innengerüst aus Trägern und Streben verfügten, zur Lebensaufgabe gemacht. Auch durch Beleidigungen von höchster Stelle als „Dümmster aller Süddeutschen“, wie er von Kaiser Wilhelm II. verunglimpft worden war, ließ er sich nicht von seinem Ziel abbringen. Im Juli 1900 konnte er mit seinem silberfarbenen Gefährt LZ 1 aus Aluminiumstreben und mit Wasserstoff prall gefülltem Baumwolltuch erfolgreich seine Jungfernfahrt über dem Bodensee zurücklegen. Nachdem die Reichsregierung 1908 finanziell in die Entwicklung weiterer Luftschiffe eingestiegen war, konnten im Ersten Weltkrieg 90 Zeppeline zum Einsatz kommen. Nach Kriegsende mussten alle deutschen Luftschiffe abgewrackt oder den siegreichen Alliierten übergeben werden. Als Ausgleich für noch offene Reparationszahlungen konnte Hugo Eckener den USA erfolgreich den Bau eines neuen Langstreckenluftschiffes vorschlagen.
Am 12. Oktober 1924 startete Eckener zum Übergabeflug der LZ 126 gen Lakehurst. Gleich nach seiner Rückkehr begann er mit der Tüftelei am noch größeren LZ 127, dessen Länge dem der „Titanic“ ziemlich nahekam. Am 11. Oktober 1928 brach Hugo Eckener damit zur ersten interkontinentalen Reise erneut nach Lakehurst auf und konnte dort vier Tage später landen. Noch weitaus prestigeträchtiger war eine Weltumrundung, deren enorme Kosten allerdings nicht von den Zeppelin-Werken gestemmt werden konnten. Das Projekt konnte durch den Einstieg des US-Zeitungsmoguls William Randolph Hearst als Sponsor realisiert werden. Diesem waren die Exklusivrechte für die Berichterstattung außerhalb Europas 100.000 Dollar wert. Er bestand allerdings auf dem US-Flughafen Lakehurst als offiziellen Start- und Endpunkt der Weltumrundung. Also musste Eckener am 1. August 1929 seine LZ 127 zunächst von Friedrichshafen aus nach Lakehurst fliegen, wo er nach 95 Stunden und 22 Minuten eintraf. Am Abend des 7. August 1929 begann dann die eigentliche Weltumrundung, die unter der Bezeichnung „amerikanische Weltfahrt“ bekannt werden sollte. An Bord befanden sich neben den 40 Besatzungsmitgliedern auch 20 Passagiere, größtenteils Journalisten, die in der Gondel, deren maximale Nutzlast auf 15 Tonnen beschränkt war, zwar nur recht beengte Kabinen, dafür aber einen fürstlich ausgestatteten Speisesaal samt erlesener Küche vorfanden. Für den Betrag von stolzen 10.000 Reichsmark konnten die Passagiere natürlich auch einiges an Luxus erwarten. Einziger Kritikpunkt war das Fehlen einer Heizung. Durch die Beförderung von ziemlich teurer Luftpost und durch den Verkauf von Sonderbriefmarken konnte ein weiterer Kostenanteil finanziert werden.
Ankommende wurden frenetisch gefeiert
Die Flugroute führte von Lakehurst aus zunächst wieder zurück nach Friedrichshafen, wo das Luftschiff am 10. August 1929 eintraf. Dann ging es am 15. August 1929 nach Tokio, was die mit 11.247 Kilometern längste Etappe war – sowie ein neuer Weltrekord im Luftschiffverkehr und der Startschuss zur „deutschen Weltfahrt“. Nach 101 Stunden und 49 Minuten, der neuen längsten Nonstop-Fahrtdauer, wurde Japans Hauptstadt erreicht. Am 23. August 1929 wurde die Pazifiküberquerung in Angriff genommen, nach 67 Stunden Flugzeit landete die LZ 127 mit neuer Rekordzeit für die Pazifik-Passage in Los Angeles. Von dort führte die letzte Etappe der „amerikanischen Weltfahrt“, die insgesamt 21 Tage gedauert hatte, am 29. August 1929 nach Lakehurst. Auch dort wurden Besatzung und Passagiere frenetisch gefeiert.
Am 1. September 1929 machte sich die LZ 127 auf die Rückreise nach Friedrichshafen, wo das Luftschiff am 4. September 1929 zum Abschluss der „deutschen Weltfahrt“ nach einer finalen Flugzeit von vier Tagen und 19 Stunden von 40.000 begeisterten Zuschauern empfangen wurde.