Vor ein paar Wochen trafen sich interessierte Menschen in Saarbrücken zu einem Abend, an dem sich alles um die Kartoffel drehte. Dazu eingeladen hatten Slow Food Saarland, die Bliesgau Ölmühle und die Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Im Saarland werden immer weniger Kartoffeln angebaut. Das ist das mahnende Fazit von Slow Food Saarland, der Bliesgau Ölmühle und der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die zu einem Infoabend mit Verkostung ins Nauwieser Viertel nach Saarbrücken eingeladen hatten. Ein großes Problem, denn die Kartoffel ist als wohlschmeckender Lieferant von Eiweißen, Mineralien und Kohlenhydraten ungemein wichtig für unsere Ernährung. Wer unter Saarländern eine Umfrage macht, der erfährt, dass wir zu den größten Kartoffel-Liebhabern der Republik gehören. Eigentlich. Traditionell waren die Menschen in der einstigen Montanregion darauf angewiesen, viele energiespendende Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. Noch lange vor Friedrich dem Großen, der als eigentlicher „Geburtshelfer“ des Kartoffelanbaus in Deutschland gilt, begann der Anbau im heutigen Gebiet zwischen Saar und Blies. Schon 1696 soll ein Bauer Kartoffeln aus Frankfurt mitgebracht und dem Bischmisheimer Pfarrer übergeben haben. Mit der Idee, dass sich die Kartoffeln nach und nach vermehren. Gerade in Krisenzeiten bewährte sich die Kartoffel als ertragreiche Feld- und Gartenfrucht und bewahrte viele Menschen vor dem Verhungern.
Wer in ein saarländisches Kochbuch blickt, findet auch dort zahlreiche Rezepte, in denen Kartoffeln eine Rolle spielen. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass im Saarland noch vor Jahrzehnten viele Menschen ihr Gemüse im eigenen Garten selbst anbauten. Die saarländische Küche ist zwar nicht nur eine Küche des Gartens, aber die unterschiedlichen Kartoffelgerichte sind der eindeutige Beweis dafür, dass vieles, was im Garten wuchs, für die Verwendung in der Küche gedacht war. Noch im vergangenen Jahrhundert hielt mancher, der im Nebenerwerb Landwirt war, eine sogenannte Bergmannskuh, also eine Ziege.
Wenn ich das „Kochbuch aus dem Saarland“ von 1977 aufschlage, so finde ich zahlreiche Rezepte, die sich rund um Kartoffelgerichte drehen. Da wären zum Beispiel Iwwer die Platt’ Geschmelzde, Kartoffel- oder Speckwaffeln, Schwalbennester, Blechgrumbeere, Schales, Dibbelabbes, Kärschdscher, Petersilienkartoffeln, Gefüllte und Verheiratete. Dazu noch eine Menge Rezepte aus rohen und gekochten Kartoffeln, die zu unterschiedlichen Klößen verarbeitet werden. Kartoffeln haben also in der Küche des schönsten Bundeslandes Tradition und sind aus regionalen Rezeptsammlungen nicht wegzudenken.
Die Menschen kochen seltener
Umso mehr hat es mich überrascht, was Patric Bies von der Bliesgau Ölmühle und Roland Kästner von Slow Food Saarland kürzlich in Saarbrücken zum Thema Kartoffel zu erzählen hatten. Demnach ist der Kartoffelanbau im Saarland bereits seit Jahrzehnten (!) auf dem Rückzug. Laut Statistischem Landesamt sank die Anbaufläche für die Erdknolle im Saarland von 160 Hektar im Jahr 2007 auf 122 Hektar im Jahr 2015. Das „Informationszentrum für die Landwirtschaft Planta“ beklagt im Zeitraum von 2001 bis 2013 einen Rückgang der Kartoffel-Erntemengen von 7.266 Tonnen auf 3.800 Tonnen.
Was sind die Gründe dafür? Zum einen kochen immer weniger Mitbürger zu Hause. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als mir vor ein paar Monaten ein junges Paar seine neue Wohnung zeigte mit der Bemerkung: „Auf eine Küche haben wir verzichtet, die brauchen wir auch nicht!“ Hinzu kommen veränderte Geschmacksgewohnheiten. Seit Jahrzehnten sind asiatische Spezialitäten auf dem Vormarsch. Kartoffelschälen ist zeitraubend und nervig für viele.
Kohlenhydrate sind zudem problematisch für einige Menschen, die sich der Low-Carb-Ernährung angeschlossen haben. Diese Ernährungsform hat zwar auch zahlreiche Kritiker, denn der strikte Verzicht auf Kohlenhydrate kann einen Jojo-Effekt mit sich bringen und hat auch einige Nebenwirkungen. Dennoch ernähren sich viele Menschen so. Aber wir leben nun mal in einer freien Gesellschaft, und insofern kann sich auch jeder so ernähren, wie er möchte oder für richtig hält. Das ist doch klar.
Ich beispielsweise versuche, mich möglichst abwechslungsreich zu ernähren. In einer Woche esse ich in der Regel zweimal etwas aus dem Wasser, also Fisch und Meeresfrüchte, zweimal Vegetarisches, etwa Pfannkuchen mit Pilzen, zweimal Fleisch oder Innereien und einmal, meist samstags, Eintopf oder Suppe. Deshalb bin ich Slow Food Saarland für solche Veranstaltungen dankbar, denn diese sind Weiterbildung für eine gesunde Ernährung.
Sechs Sorten wurden verkostet
Slow Food Saarland ist Teil der internationalen Slow-Food-Bewegung. Ihnen ist die Erhaltung alter Sorten und Arten, die Schonung der Ressourcen und der Einsatz für eine nachhaltige Landwirtschaft und Produktion, aber auch der bewusste Genuss von Essen und das Teilen dieses Genusses mit anderen Menschen wichtig. Dazu verfolgen sie schon seit vielen Jahren den Weg alter Kulturpflanzen. In Zeiten, in denen ertragsoptimierte Sorten für immer mehr Eintönigkeit auf den Feldern und vor allem unseren Tellern sorgen, bereichern alte Kulturpflanzen die heimische Pflanzenwelt durch ihre Robustheit und Anspruchslosigkeit. Sie sind ein Stück Souveränität über unser „täglich Brot“.
So setzt sich Slow Food Saarland gemeinsam mit Bauern, handwerklichen Produzenten, Gastronomen und Konsumenten für Lebensmittel ein, die gut, sauber und fair produziert und gehandelt werden. Im Mittelpunkt zahlreicher Veranstaltungen steht die nachhaltige und genussvolle Ernährung. Dazu dienen auch Besuche bei handwerklich arbeitenden Produzenten und gemeinsame Essen bei ihren Restaurant-Empfehlungen. Solche Diskussionsveranstaltungen und Verkostungen wie an jenem Abend zum Thema Kartoffel klären einfach auf.
Sechs Sorten wurden an diesem Abend probiert, aber es ging nicht darum, einen Wettbewerb daraus zu machen. Vielmehr ging es darum, wieder Sorten in Erinnerung zu bringen, die nicht unbedingt im Discounter oder Supermarkt zu finden sind. Geschmeckt haben sie alle, einige mehr, andere weniger!
Zunächst probierte ich die Sorte „Allians“ – festkochend mit feiner Konsistenz, als Pellkartoffel leicht zu pellen, gelbfleischig. Sie ist
besonders als Salat- und Bratkartoffel zu empfehlen, und sie erfreut sich wegen des feinen Geschmacks und der gelben Fleischfarbe großer Beliebtheit. Danach „Rosara“. Sie hat eine glatte, kräftig-rosa Schale um das hellgelbe Fruchtfleisch. Auch nach dem Kochen bleibt die charakteristische Farbe erhalten. Der Geschmack der „Rosara“ ist schön cremig und fein bis intensiv. Mein Favorit an diesem Abend war jedoch „Belana“. Auch sie ist festkochend und gelbfleischig. Sie hat eine feine Schale und ist sehr angenehm im Geschmack. Eine Kartoffel mit vielen Möglichkeiten der Zubereitung – ähnlich etwa wie die bekannteren Sorten „Linda“ oder „Annabelle“.
Auch das „Bamberger Hörnchen“ hat mir besser geschmeckt als andere Sorten. Auch sie ist festkochend und mit einem nussigen Geschmack. Gänzlich unbekannt war mir die Sorte „Naglerner Kipfler“. Sie hat eine gelbe Schale, gelbes Fleisch und ist auch festkochend. Es sind eher lange Knollen, die der „La Ratte d’Ardèche“ oder der „Dänischen Spargelkartoffel“ sehr ähneln. Fehlt noch die „Mecklenburger Schecke“. Ihre Schale ist auffallend blau mit gelben Schecken an den Augen, das Fleisch hellgelb mit blauer Maserung. Eine sehr seltene und alte Rarität, die uns hoffentlich noch lange erhalten bleibt. Diese Knolle ist vorwiegend festkochend und ihr Geschmack auch etwas nussig.
Werner Brengel aus Brenschelbach war übrigens an diesem Abend anwesend und ist Partner von Slow Food. Er baut die Kartoffeln an. Bevor ich ging, kaufte ich noch schnell einen Sack „Belana“ bei ihm. Wie gesagt, mein Favorit des Abends, den ich zuhause nicht missen möchte.