Britta Hofmann ist im deutschen Sportjournalismus schon eine Institution. On air startete sie 2005. Seit 2012 ist sie Field-Reporterin in der Bundesliga und der 2. Liga, seit 2017 führt sie regelmäßig durch die große Show zum Bundesliga-Samstag. Ein Gespräch über ihren Weg und die Situation von Frauen im Sportjournalismus.
Frau Hofmann, eine Frau im Sportjournalismus, ist das heute noch etwas Besonderes?
Mittlerweile zum Glück nicht mehr. Aber am Anfang war ich so etwas wie eine kleine Außerirdische. Als mein Wunsch Anfang der 90er entstand, gab es kaum weibliche Vorbilder. Wenn ich mich heute umschaue, sind viele Frauen im Sportjournalismus präsent. Da sind wir in einer gewissen Normalität angekommen.
Als Sie als Mädchen merkten, dass dies noch kein normaler Weg ist: Hat Sie das abgeschreckt oder eher motiviert?
Ich habe das ehrlich gesagt gar nicht hinterfragt. Der Wunsch entstand, als ich im Stadion sah, wie die Reporter direkt nach Schlusspfiff mit den großen Kopfhörern aufs Spielfeld liefen und ihre Interviews führten. Ich dachte: Ich würde jetzt gerne hören, was die Spieler sagen. Und ich möchte die Fragen stellen. Diese Geschichten erzählen zu können und dabei zu sein, das hat mich angetrieben.
Als Sie dann die ersten Schritte machten: Trafen Sie da auf Offenheit oder eher auf Ablehnung?
Ich habe schon mit 17 angefangen, für unsere Lokalzeitung über den Amateur-Fußball in der Region zu schreiben. Da traf ich dann auf alte Haudegen, die seit Jahren in der Bezirksliga trainierten, und plötzlich stand ein 17-jähriges Mädchen vor ihnen, bewertete ihr Spiel und entschied darüber, wie die Schlagzeilen lauten. Da mussten einige erst einmal drauf klarkommen, das hat man schon gemerkt. Aber wirkliche Ablehnung habe ich erst später in der Bundesliga gespürt.
Inwiefern?
In den ersten zwei, drei Jahren bin ich schon auf Trainer getroffen, bei denen ich sofort merkte: Bei denen werde ich nichts gewinnen. Egal, ob ich mit Statistiken, taktischen Analysen oder Emotionen komme, er wird mich nicht ernst nehmen. Ich hatte das Gefühl, dass ich innerlich von dem ein oder anderen belächelt werde. Damit hatte ich schon eine Weile zu kämpfen. Weil ich überlegt habe: Was kann ich tun, um diese Menschen zu überzeugen? Aber irgendwann habe ich für mich selbst beschlossen, dass ich mich davon komplett löse. Dass ich nicht ändern kann, was mein Gegenüber von mir denkt. Aber dass ich weiß, was ich kann und wieso ich hier stehe. Damit bin ich dann sehr viel besser gefahren.
Darf man umgekehrt als Frau andere, vielleicht auch mal kritischere Fragen stellen?
Auf jeden Fall. Es ist doch das Schöne, dass wir auch eine andere Perspektive reinbringen. Dass wir vielleicht manche Dinge mit Charme auflösen oder auch in schwierigen Situationen empathischer sind als der ein oder andere Mann. Zu meiner Anfangszeit hatte ich das Gefühl, dass viele der anderen Frauen versucht haben, es wie die Männer zu machen. Mir war immer klar: Das möchte ich nicht. Ich wollte doch immer in den Sportjournalismus, um meinen Blick auf die Geschichten zu erzählen. Mein Eindruck ist schon, dass viele männliche Interviewpartner bei mir anders auf kritische und pointierte Fragen reagieren als sie dies bei männlichen Kollegen tun würden.
Aber wäre nicht eine Gleichbehandlung auch in dieser Hinsicht das Zeichen dafür, dass eine Frau endlich als normal und gleichwertig angesehen wird?
Ich denke, dass diese Vorsicht kein Zeichen von mangelndem Respekt ist. Sondern gerade ein Zeichen des Respekts. Bei Unterhaltungen unter Männern fallen vielleicht grundsätzlich auch mal derbere Worte. Wobei mir das nichts ausmachen würde. Ich bin groß geworden auf dem Sportplatz. Und dann auch noch im Ruhrgebiet. Ich bin ganz gut abgehärtet. Mich kann so schnell nichts aus der Fassung bringen. Und ich kann zur Not auch gut kontern. Solche Schlagabtausch-Interviews haben durchaus ihren besonderen Charme.
Gab es, wenn die Mikrofone aus waren, viele Sprüche? Abfällige? Oder auch Flirtereien?
Herablassende Sprüche überhaupt nicht. Flirtsprüche schon. Aber nichts Plumpes nach dem Motto: „Gib mal deine Nummer, und lass uns heute Abend noch mal übers Spiel sprechen.“
Aber hatten Sie das Gefühl, sich als Frau vor allem inhaltlich immer mehr beweisen zu müssen?
Ich erinnere mich an einen Rat von Ulla Holthoff, die ja eine der Pionierinnen im Sportjournalismus war. Ich hatte die Möglichkeit, ein Volontariat bei meiner Zeitung anzutreten. Aber sie hat mir empfohlen, ein Studium an der Sporthochschule zu machen. Weil sie sagte: Wenn du diplomierte Sportwissenschaftlerin bist, nimmst du vielen schon mal den Wind aus den Segeln. Diesen Weg bin ich dann auch gegangen. Weil ich mir sagte: Wenn es sein muss, dass ich auf diese Weise meine Kompetenz beweisen muss, ohne je ein Wort in ein Mikrofon gesprochen zu haben, dann werde ich alles dafür tun.
Sie sagten, dass es zu Ihrer Anfangszeit zahlenmäßig wenige weibliche Vorbilder gab. Werden Sie heute nach 20 Jahren von vielen Mädchen mit einem ähnlichen Wunsch als Vorbild gesehen?
Das wird mir schon hin und wieder so gespiegelt. Gerade auf Social Media bekomme ich viel Feedback von jungen Frauen, die auch nach Tipps fragen, wie ein Karriereweg aussehen kann. Das sind allerdings nicht immer geschlechterspezifische Fragen.
War Ihnen in Ihrer Anfangszeit bewusst, dass Sie auch Vorreiterin sind für die Frauen, die nach Ihnen kommen? Weil man viele Dinge vielleicht von Ihnen auf „die Frauen im Sportjournalismus“ projiziert?
Diese Verantwortung habe ich so zum Glück nicht verspürt. Aber ich habe mir, einfach weil es so wenige Frauen gab, von denen ich mir etwas abschauen konnte, schon über sehr viele Dinge mehr Gedanken gemacht als vielleicht ein Mann. Zum Beispiel bei der Frage, was ich anziehe. Ich wollte dadurch ja nicht für Aufsehen sorgen, sondern durch das, was ich tue. Und dann passierte gleich bei einem meiner ersten Bundesliga-Einsätze etwas Unangenehmes. Ich habe mich hingesetzt, um die Mannschafts-aufstellung zu studieren. Dadurch war kurz der Rand meines Slips zu sehen. Ein Journalist machte ein Foto und die Bild-Zeitung titelte: „Diese Moderatorin ist spitze.“ Da willst du ankommen als Frau in der Bundesliga und kriegst erst mal so eine Schlagzeile. Das würde einem Mann niemals passieren. Damals bin ich versunken vor Scham. Aber da musst du einmal durch, und wenn es ein zweites Mal passiert, lache ich drüber.
Hätten Sie vor 20 Jahren gedacht, dass es heute so viele Frauen im Sportjournalismus gibt?
Wahrscheinlich nicht. Doch die Frage ist: Wie viele sind wir denn wirklich? Auf dem TV-Schirm gibt es immer mehr Frauen. Aber in den Sportredaktionen insgesamt sind es kaum mehr als zehn Prozent. Und vor allem in Führungspositionen besteht weiterhin ein Problem. Ich hatte noch nie einen weiblichen Chef.
Dafür wurden Moderatorinnen zuletzt gefühlt eher bevorzugt. Es gibt Moderatoren um die 40, die sagen, ich habe keine Chance, weil ich keine Frau bin.
Es gab sicher eine Phase, in der es weniger um die Kompetenz und mehr um die Optik ging und viele gesagt haben, inhaltlich unterstützen wir die Kollegin schon. Wenn ich so etwas mitbekommen habe, war das schwer zu ertragen. Diese Kollegin macht gegebenenfalls das kaputt, was ich versuche, mit aufzubauen.
Glauben Sie, dass die grundsätzliche Zahl an Frauen im Sportjournalismus in den nächsten Jahren weiter steigen wird?
Das denke ich schon. Dadurch, dass inzwischen so viele Frauen sichtbar sind, entwickelt sich vielleicht bei Mädchen öfter der Traum, diesen Weg gehen zu wollen. Und der Glaube, ihn gehen zu können.
Brauchen wir eine Frauen-Quote im Sportjournalismus?
Da bin ich zwiegespalten. Eine Quote um der Quote willen finde ich sehr schwierig, weil es dann nicht nach Leistung gehen würde. Aber generell würde ich mich natürlich sehr freuen, wenn Frauen in gleichem Maße inhaltlich gefördert und bei entsprechender Qualifikation auch gesehen und genommen werden, weil wir insgesamt eben immer noch unterrepräsentiert sind.
Sind wir schon an dem Punkt angekommen, dass eine Frau, die gut ist, dieselben Chancen hat wie ein Mann, der gut ist?
Wir sind zumindest schon einen langen Weg gegangen. Nach der eben angesprochenen Entwicklung hat man in manchen Fällen ja sogar das Gefühl, dass der Mann die größere Hürde hat. Aber das wollen wir ja gar nicht. Wir wollen Gleichbehandlung und einfach eine Kultur der Offenheit. Weder das eine noch das andere Geschlecht soll benachteiligt werden. Umgekehrt fehlen Frauen in den wirklich verantwortlichen Positionen. Nicht nur im Sportjournalismus, sondern auch in den Vereinen.