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WAS MACHT EIGENTLICH...

2008: Jede noch so kleine Geste von Knox, jeder einzelne Blick wurde damals von der Presse seziert
Foto: picture-alliance / dpa

Amanda Knox?

Großes mediales Interesse begleitete ihren Mordprozess, in dem sie 2009 für schuldig befunden wurde. 2015 erfolgte in letzter Instanz ein Freispruch. Heute ist die 37-Jährige als Journalistin tätig, engagiert sich für Justizopfer und zieht 2025 erneut vor Gericht.

Auch wenn der Mord an ihrer WG-Mitbewohnerin inzwischen bereits 17 Jahre zurückliegt, ist die Sache für Amanda Knox juristisch immer noch nicht endgültig ausgestanden. Als 20-jährige Studentin war sie 2007 gemeinsam mit ihrem damaligen Freund Raffaele Sollecito in Italien als mutmaßliche Mörderin der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher inhaftiert und 2009 aufgrund wackliger Indizien zu 26 Jahren Haft verurteilt worden. Die von sensationsgierigen Massenmedien vorschnell als „Engel mit den Eisaugen“ dämonisierte Knox konnte den Tatvorwurf aber widerlegen und wurde 2011 von einem Berufungsgericht freigesprochen. 

Sie kehrte in die USA zurück, wurde in Italien dann aber 2013 in einem neuen Prozess in Abwesenheit erneut für schuldig befunden und zu einer über 28-jährigen Haftstrafe verurteilt. Wegen auch vom Europäischen Gerichtshof festgestellter Ermittlungs- und Verfahrensfehler, fehlender Beweise und rechtswidriger Behandlung der Angeklagten erfolgte 2015 in letzter Instanz der endgültige Freispruch in einem aufsehenerregenden, medial mit den Motiven Sex, Drogen und Satanismus ausgeschlachteten Mordprozess.

Geschichte falsch erzählt

Heute ist die 37-Jährige als Journalistin tätig und engagiert sich für Justizopfer
Heute ist die 37-Jährige als Journalistin tätig und engagiert sich für Justizopfer - Foto: picture alliance / ipa-agency

Weil die kaum Italienisch sprechende Knox damals von der 14-stündigen Verhörsituation völlig überfordert war, hatte sie einen befreundeten Barkeeper als möglichen Täter genannt, dies aber kurz darauf wieder zurückgenommen. Dennoch wurde sie wegen Verleumdung zu drei Jahren Haft verurteilt, die sie jedoch nicht absitzen musste, da sie zuvor bereits vier Jahre zu Unrecht inhaftiert war. Nachdem Knox in der Mordsache Kercher bereits rehabilitiert war, hob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch das Verleumdungsurteil auf, sprach ihr wegen der Verletzung ihrer Rechte 18.000 Euro Entschädigung zu und forderte eine Wiederaufnahme des Verfahrens in Italien. „Ich hoffe, meinen Namen ein für alle Mal von den falschen Anschuldigungen reinzuwaschen“, schrieb Knox bei „X“ im Vorfeld des für Juni 2024 angesetzten Prozesses und reiste mit ihrem Mann und ihren Kindern optimistisch nach Italien: „Ich war aufgeregt – aber auf eine gute Art. Ich dachte, es sei ein klarer Fall und ich würde freigesprochen“, betonte sie gegenüber der Frauenzeitschrift „Annabelle“.

Das Gericht in Florenz verurteilte sie aber überraschend erneut der Falschbeschuldigung, weil sie sich zum Tatzeitpunkt möglicherweise in der Wohnung des Mordopfers aufgehalten habe und den wahren Täter wohl hätte identifizieren können. „Es ist für mich einfach wahnsinnig frustrierend, dass immer wieder diese alte falsche Geschichte erzählt wird“, sagte Knox, die angibt, zum Tatzeitpunkt bei ihrem Freund gewesen zu sein. Die im Juni erfolgte Bestätigung des früheren Schuldspruches wegen Verleumdung und die im August vorgelegte 35-seitige Urteilsbegründung habe sie schockiert, sagte Knox und wirft der italienischen Justiz vor, eigenes Fehlverhalten verschleiern zu wollen. Auf ihren Antrag hin wird nun im nächsten Jahr das Kassationsgericht erneut die Rechtmäßigkeit des Verleumdungsurteils überprüfen.

Die Journalistin Amanda Knox lebt heute auch von der Vermarktung ihrer Geschichte. Sie betreibt den Podcast „Labyrinths“, ist auf öffentlichen Plattformen sehr aktiv, hat eine Autobiografie geschrieben und tritt in Fernsehsendungen auf. Ihr spektakulärer Fall lieferte Stoff für Dokus, Filme und TV-Serien. Erst im Juli hat sich der Spiegel-Podcast „Judging Amanda Knox“ nochmal mit dem Fall beschäftigt und im Oktober beginnen beim US-Video-on-Demand-Sender „Hulu“ die Dreharbeiten für eine acht Episoden umfassende Miniserie über Knox, die mit ihrer Firma als Produzentin tätig ist. „Seit meiner Entlastung habe ich darum gerungen, meine Identität zurückzugewinnen und die Menschen, die ich liebe, davor zu bewahren, als Stoff für Klatschseiten missbraucht zu werden“, erklärt sie 2021 im Podcast „Call Her Daddy“.

Die Wahrnehmung ändert sich

Erst langsam beginne sich die öffentliche Wahrnehmung zu ändern: „Heute sehen die Menschen eher, welche Mechanismen damals gewirkt haben“, betonte Knox bei „Annabelle“ und bezeichnet ihren Fall als „Beispiel für ungefilterte, unverfälschte Frauenfeindlichkeit“. Sie und ihre Familie hätten bis heute unter aggressiven Belästigungen zu leiden. Sie habe eine Zeit lang darüber nachgedacht, nach der Heirat ihren Namen aufzugeben, es dann aber für falsch gehalten: „Ich habe schließlich nichts getan, von dem ich mich distanzieren müsste.“ Die zweifache Mutter hofft nun, die Sache möglichst bald endgültig hinter sich lassen zu können, „mit den Kindern Brombeeren pflücken zu gehen und sich auf das echte Leben zu konzentrieren“.

Aufgrund ihrer negativen Erfahrungen mit der Justiz engagiert Knox sich seit einigen Jahren beim „Innocence Project“, das sich für zu Unrecht Inhaftierte einsetzt, und kämpft in Artikeln und Vorträgen für Strafrechtsreformen und gegen unrechtmäßige Verurteilungen. 

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