Donald Trumps erste Amtszeit war von Chaos und internen Streitigkeiten geprägt. Die zweite könnte deutlich organisierter ausfallen – das ist die eigentliche Gefahr.

Im Ankündigen war Donald Trump schon immer stark. Das ist heute so und war auch 2017 der Fall, als er seine erste Amtszeit als US-Präsident im Weißen Haus antrat.
Nicht nur wollte er Amerika „great again“ machen, sondern gleichzeitig Nord- und Südkorea versöhnen, den israelisch-palästinensischen Konflikt lösen und natürlich eine Grenzmauer bauen – die Mexiko auch noch selbst bezahlen sollte, wie er unter dem Gejohle seiner Anhänger großspurig versprach.
In Wahrheit kreiste das Weiße Haus vier Jahre lang vor allem um sich selbst. Trump umgab sich mit zwielichtigen Figuren wie Steve Bannon (Inhaber der rechten Online-Plattform „Breitbart News“) und dem erzkonservativen Christen Jerry Falwell Jr., der das Bildungsministerium reformieren sollte.
Streit, Chaos und Feindschaften
Aufsichtsbehörden und Ministerien wurden mit Klimaleugnern, Vertretern der Öl-Industrie oder ehemaligen Investmentbankern besetzt. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, von Beruf Immobilien-Entwickler und Finanzinvestor, sollte den Nahen Osten befrieden. Viele große Egos, kaum politische Erfahrung. Wenig überraschend brachte diese Truppe wenig zustande, zerlegte sich lieber in internen Querelen oder gar offenen Feindschaften. Der designierte Kommunikationsdirektor Anthony Scaramucci hatte sein Amt nur zehn Tage inne, bevor ihn Trump wieder abberief. Botschafts- und Behördenposten blieben monatelang unbesetzt. FBI-Chef James Comey musste gehen, als er Trump zu unbequem wurde. Aus „Make America Great Again“ wurde eine öffentliche Zirkusnummer, die mehr an eine Seifenoper als an den mächtigsten Regierungsapparat der Welt erinnerte.
Dieses Mal könnte aber alles anders werden. War Trump von seinem ersten Wahlsieg noch selbst überrascht und entsprechend unvorbereitet gewesen, ist diesmal sein Programm klar abgesteckt – oder für ihn abgesteckt worden.
Seit Monaten arbeiten die Republikanische Partei und befreundete Thinktanks auf die zweite Trump-Präsidentschaft hin. Statt Chaos und Missgunst sollen diesmal „Law and Order“ im Weißen Haus herrschen. Ob das mit einem erratischen Menschen wie Trump gelingen kann, ist fraglich. Doch der Grundstein dafür ist bereits gelegt.
Für besonders viel Aufsehen sorgte im Wahlkampf das sogenannte „Project 2025“. Das mehr als 900 Seiten starke Dokument stammt aus der Feder der „Heritage Foundation“, einer rechten Denkfabrik, die enge Verbindungen zur republikanischen Partei unterhält, insbesondere zum designierten Vizepräsidenten J. D. Vance.
„Project 2025“ legt detailliert dar, wie eine zweite Amtszeit aussehen könnte. Der Präsident soll Familien „wiederherstellen“ (Verbot von Pornografie und Abtreibung), die Grenzen schützen (Mauer bauen, Migranten abschieben) und „christliche Werte fördern“.
Schon das ließ im Wahlkampf bei vielen Demokraten die Alarmglocken schrillen, weil es in ihren Augen einen Angriff auf die Ehe für alle darstellt und eine wissenschaftlich fundierte Bildung gefährdet.
Nur ein Beispiel für die absurden Forderungen im „Project 2025“: Der nationale Wetterdienst müsse aufgelöst werden, weil er angeblich Teil der „Klimawandel-Alarmindustrie“ sei.
Doch die rechtskonservative Wunschliste geht noch deutlich weiter. Der Staat soll so umgebaut werden, dass der Kongress geschwächt, das Justizministerium in seiner Unabhängigkeit beschränkt und das Präsidenten-Amt gestärkt wird. Das lässt sich als klarer Angriff auf die Gewaltenteilung lesen.
Hinzu kommt, dass Bundesbeamte und sogar das FBI auf Parteilinie gebracht werden sollen. Noch-Präsident Joe Biden fand im Juli auf Instagram dazu klare Worte: „Project 2025 wird Amerika zerstören.“
Zusätzlich heizte der Vorsitzende der „Heritage Foundation“, Kevin Roberts, die Debatte weiter an. In einem Interview behauptete er, die USA stünden vor einer zweiten amerikanischen Revolution, die „ohne Blutvergießen ablaufen wird, wenn die Linken dies zulassen“.
Das war offenbar selbst Donald Trump zu viel, der sich im Wahlkampf öffentlich distanzierte: Er kenne „Project 2025“ nicht. Diese Aussage wirkt allerdings wenig glaubwürdig. Laut CNN-Recherchen haben mehr als 140 Personen, die für Trump gearbeitet haben, an dem Dokument mitgewirkt, darunter sechs ehemalige Kabinettsmitglieder.
Tatsächlich ist „Project 2025“ kein offizielles Dokument der Republikaner, sondern vorerst nur ein rechtskonservativer Wunschzettel. Trotzdem decken sich viele Forderungen mit dem, was Trump nach eigenen Aussagen ohnehin plant.
In seinen Reden verspricht er Massen-Deportationen und sogar den Einsatz des Militärs im Inland. Wer ihm wohlgesonnen ist, darf hingegen mit Milde rechnen: So kündigte Trump bereits im Januar an, Personen begnadigen zu wollen, die am Sturm aufs Kapitol beteiligt waren. Bei dem geplanten Umsturz, zu dem Trump seine Anhänger aufgestachelt hatte, waren im Januar 2021 fünf Menschen ums Leben gekommen.
Vom Klimaschutz hält Trump wenig bis gar nichts. Schon in seiner ersten Amtszeit trat er aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Den Klimawandel selbst bezeichnete er in der Vergangenheit als „Erfindung Chinas“.
Wirtschaftspolitisch träumt er von Protektionismus und hohen Zöllen. Die Politik der Biden-Regierung, die massiv in erneuerbare Energien und Elektroautos investiert hat, dürfte ein jähes Ende finden.
Trumps Macht wächst
Der LGBTQ-Gemeinde stehen ebenfalls schwere Zeiten bevor, genau wie den ohnehin angeschlagenen Reproduktions- und Bürgerrechten in den USA. Gleiches gilt für die internationale Weltordnung: Diesmal könnte Trump mit seiner Drohung, die Nato zu verlassen, endgültig ernst machen.
Was die Besetzung der Machtzentrale angeht, kursieren bereits jetzt zahlreiche Namen – und auch die verheißen nichts Gutes. Der Impf-Skeptiker Robert F. Kennedy Jr. könnte künftig die Pharma-Aufsichtsbehörde FDA leiten.
Elon Musk erwartet ein Platz im Kabinett, wenn man Trumps Aussagen von diesem Sommer glauben darf. Der Tesla-Chef hatte auf seiner Internetplattform X zuletzt massiv Wahlwerbung für Trump gemacht und dabei unverhohlen Verschwörungsmythen und Falschinformationen verbreitet.

Am Ende könnte sich also doch wieder ein bunter, intern zerstrittener Haufen rund um den mächtigsten Mann der Welt bilden. Wer um die amerikanische Demokratie fürchtet, mag das als Hoffnungsschimmer sehen.
Einen wichtigen Unterschied zum Jahr 2017 gibt es aber auf jeden Fall: Trump hat seine Macht konsolidiert. Das Oberste Gericht, den Supreme Court, hat er schon während seiner ersten Amtszeit mit loyalen Richtern besetzt. Parteiinterner Widerstand gegen Trump ist verstummt. Und selbst der Senat fällt als Kontrollinstanz aus, da die Republikaner dort nun ebenfalls die Mehrheit stellen. Auf die Frage, ob er zum Diktator werden würde, antwortete Trump im Wahlkampf: „Nein – abgesehen vom ersten Tag.“
Das alles heißt nicht, dass die Demokratie in den USA zwangsläufig am Ende ist. Aber ihr steht ihre härteste, vielleicht letzte Bewährungsprobe bevor – und das auf eigenen Wunsch. Schließlich hat sich die Mehrheit der Wählerinnen trotz aller Skandale und Ungeheuerlichkeiten ganz bewusst für Donald Trump entschieden.
„Amerika heuert einen Machthaber an“, schlussfolgert die "New York Times". Und prophezeit einen autoritären Regierungsstil, wie es ihn in der 248-jährigen Geschichte des Landes noch nicht gegeben hat.