Während des Zweiten Weltkriegs wurde Audie Murphy mit sämtlichen militärischen Auszeichnungen bedacht, die die USA zu vergeben hatten. Für die im Krieg erlebten Schrecken musste er während seiner Hollywood-Karriere mit posttraumatischen Belastungsstörungen bezahlen. Dieser Tage wäre der Schauspieler 100 Jahre alt geworden.

Eine Viertelmillion US-Bürger hatten sich am 13. Juni 1945 in der ältesten texanischen Stadt San Antonio eingefunden, um den heimgekehrten Kriegsveteranen des Bundesstaates mit einer großen Parade einen würdigen Empfang zu bereiten. Zwei Tage später wurden die Jubelfeiern in etwas kleinerem Rahmen in Farmersville fortgesetzt – mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Begeisterung Tausender von Menschen dort nur einer einzigen Person galt, die in der Nähe des Kleinstädtchens aufgewachsen war. Dabei dürfte den meisten seiner Mitbürger das wahre Ausmaß des Heldenstatus von Audie Murphy wohl noch gar nicht bewusst gewesen sein.
Vom unscheinbaren Jüngling zum Helden
Das änderte sich wenig später grundlegend mit der Ausgabe des populären Magazins „Life“ vom 16. Juli 1945. Das Pressemedium stellte Audie Murphy der ganzen Nation mit einer Cover-Story als den höchstdekorierten US-Soldaten des Zweiten Weltkriegs vor. Woraus bald schon abgeleitet wurde, dass Murphy damit wohl auch der am meisten mit höchsten Ehren ausgezeichnete Militär der US-Geschichte gewesen sein dürfte. Gemeinhin wird die Zahl der militärischen Auszeichnungen auf 33 beziffert, wobei er einige sogar mehrmals erhalten hatte. Darunter waren zudem die Ehrungen, die ihm vonseiten Frankreichs – fünf an der Zahl, beginnend mit dem Croix de Guerre mit Silver-Star im April 1945 – und Belgiens, das ihm 1950 das Croix de Guerre verlieh, zuteil wurden. Als Murphy am 24. Mai 1945 in der Nähe von Salzburg aus den Händen des US-Generalleutnants Alexander McCarell Patch neben dem Orden „Legion de Merit“ auch noch für seine legendäre Ruhmestat im Elsass vom 26. Januar 1945 die höchstmögliche militärische Ehrenmedaille seines Landes erhielt, die „Medal of Honor“, die häufig auch als „Congressional Medal of Honor“ bezeichnet wird, war er mit einem Schlag zum höchstdekorierten Soldaten der US-Geschichte aufgestiegen.

Mehr ging nicht, denn er hatte in seiner dreijährigen Dienstzeit bei der US-Armee als herausragendes Mitglied der 3. Infanteriedivision in rund 400 Tagen an der Front und durch die Mitwirkung bei neun US-Feldzügen des Zweiten Weltkriegs sämtliche Tapferkeitsauszeichnungen abräumen können, die sein Land zu vergeben hatte. Bemerkenswert ist, dass er all seine Verdienste blutjung und noch weit vor seinem 21. Geburtstag erworben hatte. Kein Außenstehender hätte beim Anblick des attraktiven Bürschchens vermutet, dass dieser Mann sich beim Aufeinandertreffen mit dem Feind in eine gnadenlose Kampfmaschine verwandeln konnte. Mit einem noch kindlich wirkenden Gesicht, einer schlaksigen Figur von gerade mal 1,66 Metern Größe und einem Gewicht von 50 Kilogramm wirkte Murphy nicht gerade wie ein Elitesoldat. Zudem wurde er privat als sanftmütig und zurückhaltend beschrieben. Doch selbst drei Verwundungen konnten den jungen Mann nicht stoppen, und insgesamt soll er für den Tod von etwa 250 gegnerischen Soldaten und noch weitaus mehr Verletzte verantwortlich gewesen sein.
Audie Leon Murphy wurde am 20. Juni 1925 in Kingston, einer ländlichen Gemeinde in Hunt County im Norden von Texas, geboren. Kindheit und Jugend in einer finanziell angeschlagenen Farmpächterfamilie waren für ihn kein Zuckerschlecken. Mit der Schule war schon nach fünf Jahren Schluss, weil der Vater die Familie verlassen hatte und Murphy daher als Baumwollpflücker und später mit Gelegenheitsjobs einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt seiner Mutter und seiner elf Geschwister leisten musste. Der Tod der Mutter traf den 16-Jährigen so schwer, dass er sogleich einen neuen Halt durch den Eintritt in die nach Pearl Harbour in den Weltkrieg involvierten US-Streitkräfte suchte. Doch sowohl von der Army als auch von den Marines erhielt er zunächst wegen seiner Minderjährigkeit und seines Untergewichts eine Absage. Nach Fälschung seines Geburtsdatums – er hatte sich ein Jahr älter gemacht – gelang ihm im Juni 1942 doch noch die Aufnahme als einfacher Soldat in die Army. Nach Absolvierung der Grundausbildung im texanischen Camp Wolters und dem anschließenden Drill zum Infanteristen wurde er Anfang 1943 mit seiner Division nach Casablanca eingeschifft.
Pferde und Glücksspiel fraßen Vermögen auf

Seine erste Bewährungsprobe war im Juli 1943 die Invasion in Sizilien. Danach tat er sich bei einer ganzen Reihe von Schlachten im Zuge der Eroberung Italiens und beim folgenden Vormarsch in Frankreich durch heldenhafte, minutiös bezeugte Taten hervor. Vor allem sein todesmutiger Einsatz am 26. Januar 1945 beim elsässischen Städtchen Holtzwihr machte ihn endgültig zur Legende. Unter Murphys Kommando war sein gerade mal aus 18 Soldaten bestehender Tross, der von zwei Panzerzerstörern unterstützt wurde, auf eine überlegene deutsche Einheit mit sechs Panzern und Dutzenden von Landsern gestoßen. Nachdem dem Feind ein Volltreffer auf einen der Panzerzerstörer gelungen war, befahl Murphy seinen Leuten den Rückzug in den nahen Wald. Er selbst hielt die Stellung durch Dauerfeuer mit seinem M1-Karabiner, um danach auf den brennenden Panzerzerstörer zu klettern und mit dessen 50-Kaliber-Maschinengewehr die vorrückenden Deutschen unter Beschuss zu nehmen. Trotz einer dabei erlittenen Beinverletzung hielt er eisern eine Stunde lang gegen die Übermacht durch und tötete oder verletzte 50 Gegner – bis ihm die Munition ausging und er zum Rückzug gezwungen war. Damit hatte er sich die „Medal of Honor“ reichlich verdient, weil er deren Bedingung – „auffallend durch Tapferkeit und Furchtlosigkeit bei Lebensgefahr weit über die Pflichterfüllung hinaus im Gefecht gegen einen Feind der Vereinigten Staaten“ – wahrlich mehr als erfüllt hatte.
Am 21. September 1945 wurde er im Rang eines Oberleutnants mit einer Invalidität von 50 Prozent aus der Armee entlassen. Nach dem Ausbruch des Koreakrieges begann er im Juli 1950 eine zweite Militärkarriere als Ausbilder einer Infanteriedivision der Texas Army National Guard und schied erst 1957 im Rang eines Majors endgültig aus dem aktiven Armeedienst aus. Die Schrecken und Erlebnisse des Krieges hatten bei Murphy allerdings seelische Spuren hinterlassen und führten zu einer posttraumatischen Belastungsstörung, die er mit verschreibungspflichtigen, ihn zeitweise abhängig machenden Medikamenten zu behandeln versuchte. Er machte seine psychischen Probleme öffentlich bekannt und setzte sich mit Blick auf die Korea- und Vietnam-Veteranen für eine stärkere gesundheitliche Berücksichtigung der emotionalen Auswirkungen von Kampferfahrungen ein.
Bereits nach der Veröffentlichung des „Life“-Artikels im Juli 1945 lockte der bekannte US-Schauspieler James Cagney den neuen US-Helden nach Hollywood und gab ihm einen Vertrag in der eigenen Produktionsfirma. Trotz Schauspielunterrichts kam bis zur Auflösung des Kontrakts 1947 kein einziges Film-Engagement zustande. Auf eigene Faust konnte Murphy 1948 zwei kleinere Rollen ergattern, um ein Jahr später dank der Protektion der den Film finanzierenden Kinderhilfsorganisation Variety Club International seine erste Hauptrolle im Drama „Bad Boy“ zu erhalten. Danach unterschrieb er einen Sieben-Jahres-Vertrag mit den Universal Studios, was ihm ein Wochenverdienst von 2.500 Dollar garantierte. Insgesamt brachte es Murphy in Hollywood bis zum Jahr 1969 auf 44 Filme, von denen die überwiegende Mehrzahl Western waren und mit denen er immerhin ein Gesamthonorar von rund drei Millionen Dollar einstreichen konnte.

Bezüglich seiner mimischen Leinwand-Qualitäten machte sich Murphy keinerlei Illusionen: „Ich hatte als Schauspieler ein Problem. Ich hatte kein Talent. Das habe ich nicht verheimlicht. Ich habe denselben Film 20-mal gedreht.“ Die einzige Ausnahme war die Hauptrolle in dem Kriegsdrama „Zur Hölle und zurück“ im Jahr 1955, das auf der von einem befreundeten Journalisten als Ghostwriter geschriebenen und 1949 veröffentlichten gleichnamigen Bestseller-Autobiografie Murphys beruhte. Der Film wurde für Universal Studios der bis dahin größte kommerzielle Hit und diesbezüglich erst durch Spielbergs „Der weiße Hai“ im Jahr 1975 abgelöst. Im Fernsehen war Murphy lediglich in der 1961 ausgestrahlten Western-Detektivserie „Whispering Smith“ zu sehen.
Bei Flugzeugabsturz ums Leben gekommen
Mit dem vor der Kamera verdienten Geld finanzierte Murphy, der zweimal verheiratet war, eine kostenintensive Pferdezucht auf Ranches in Kalifornien und Arizona. Zudem frönte er den Pferdewetten und dem Glücksspiel, wodurch sein Vermögen schnell aufgebraucht war. Er entdeckte seine poetische Ader, die er im Verfassen von lyrischen Texten und vor allem als Songwriter umsetzte. Obwohl er weder Musiker noch Sänger war, arbeitete er zwischen 1962 und 1970 sehr produktiv mit dem kanadischen Erfolgsmusiker Scott Turner zusammen. Insgesamt 83 Songs kamen dabei zustande, wobei „Shutters and Boards“ sowie „When the Wind Blows in Chicago“ am bekanntesten wurden. Am 28. Mai 1971 kam Murphy im Alter von 45 Jahren beim Absturz eines Privatflugzeugs in der Nähe der im Bundesstaat Virginia gelegenen Stadt Roanoke ums Leben.