Der Kanton Waadt im französisch geprägten Westen der Schweiz verfügt über den schönsten Abschnitt des Genfer Sees, die Schweizer Riviera, eine atemberaubende Szenerie, umwerfend schöne Städte und eine Berühmtheit.
Whiskey? In einem zivilisierten Land trinkt man Wein“, soll Charlie Chaplin (1889 – 1977) einmal gesagt haben. So verwundert es nicht, dass er das Waadtland, zweitgrößtes Weinbaugebiet der Schweiz, zu seiner Wahlheimat erkor. Der Brite, der seit 1914 in Los Angeles lebte, befand sich im September 1952 an Bord der „Queen Elizabeth“ Richtung England, um seinen Film „Rampenlicht“ zu promoten. Zu diesem Zeitpunkt hatte Senator McCarthys „Ausschuss für unamerikanische Umtriebe“ Chaplin aufgrund pro-kommunistischer Stellungnahmen längst auf dem Kieker. Noch auf See erhielt er die Nachricht, dass seine Rückkehr in die USA nicht erwünscht sei. Auf der Suche nach einer Wohlfühloase, in der er und seine Familie sich frei und fern von Presserummel bewegen konnten, wurde der Verbannte in Corsier-sur-Vevey fündig. In dem Dörfchen oberhalb der Stadt Vevey erwarb er Ende 1952 den herrschaftlichen Landsitz Manoir de Ban inmitten eines weitläufigen Parks mit Blick auf die Alpen, den tiefblauen See und die terrassenförmig angelegten Weinberge des Lavaux, wo einige der besten Weine des Waadtlandes reifen. Chaplin lebte bis zu seinem Tod am Weihnachtstag 1977 auf dem Anwesen. Wenige Meter von der Villa entfernt eröffnete am 16. April 2016, dem 127. Geburtstag des Filmpioniers, das Mammutmuseum „Chaplin’s World“, ein Studiokomplex aus fünf verschachtelten Betonquadern, in dem seine berühmtesten Szenen mit Wachsfiguren nachgestellt sind.
Man spaziert durch verschiedene Filmszenen
Wie cool ist das denn? Man tritt von einem nachgebauten Filmset ins nächste, fügt sich in die dargestellte Szene ein und wird Teil eines Filmklassikers. Wie zum Beispiel in der grandiosen Hitler-Parodie „Der große Diktator“, wo man in einem Friseurstuhl Platz nimmt, hinter dem ein wächserner Charlie Chaplin steht und als Coiffeur agiert. Man kann sich zwischen gigantische Zahnräder legen wie in „Moderne Zeiten“ oder sich in einer Holzhütte verkriechen wie in „Goldrausch“. Die faszinierende Ausstellung beginnt in einem Kinosaal mit Ausschnitten aus Chaplins Filmen und Leben. Anschließend rollt die Leinwand nach oben und macht den Weg frei zu einem spannenden Rundgang, der in den Londoner Slums beginnt, wo die Filmlegende aufwuchs. Man spaziert direkt hinein ins Geschehen. Vorbei an filmischen Szenen, die über Leinwände und Bildschirme flimmern, führt die interaktive Reise durch legendäre Filmkulissen aus der über 50-jährigen Schaffensperiode des Schauspielers und Regisseurs. An jeder Ecke der hohen Säle stehen lebensechte Wachsfiguren der Menschen, die in Chaplins Filmen auftraten. Hinter Glas sind Originalkostüme aus Filmen ausgestellt, darunter die zerschlissenen Klamotten, die viel zu großen Schuhe und der Hut aus „The Tramp“.
Anders als der Studiokomplex widmet sich das benachbarte Manoir du Ban ganz dem Privatmann Chaplin und gibt einen Einblick in das Familienleben mit Ehefrau Oona O’Neill und den acht gemeinsamen Kindern, von denen die Hälfte in Corsier-sur-Vevey zur Welt kam.
Von „Chaplin’s World“ führen zwei Kilometer durch die Weinberge hinunter nach Vevey. Das Städtchen mit mediterranem Flair avancierte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum beliebten Sommer-Hotspot der Hautevolee. Von dieser Zeit zeugt die prächtige Bäderarchitektur entlang der blumengesäumten Seepromenade. Wer sich den Bau einer Sommerresidenz nicht leisten konnte oder wollte, logierte in pompösen Luxushotels wie dem „Hôtel des Trois Couronnes“, das in seiner über 180-jährigen Geschichte zahlreiche illustre Gäste beherbergte, darunter gekrönte Häupter, berühmte Schriftsteller, Musiker und Komponisten. Nicht nur den Geldadel zog es nach Vevey. In den 1830er-Jahren ließ sich dort der Frankfurter Apothekergehilfe Heinrich Nestle nieder, der sich fortan Henri Nestlé nannte, dort 1867 die Säuglingsnahrung „Nestlés Kindermehl“ entwickelte und daraufhin die Firma „Farine Lactée Henri Nestlé“ gründete, die sich später unter dem Namen Nestlé zum heute weltgrößten Lebensmittelkonzern entwickelte. Daran erinnert an der Promenade das Alimentarium, das sich in der ehemaligen Firmenzentrale des Nahrungsmittelgiganten befindet. Einzig der Nestlé-Raum, 1921 bis 1936 Büro der Generaldirektion, ist in seiner ursprünglichen Form erhalten und versetzt Besucher zurück in die Zeit, als Henri Nestlé seine Firma ins Leben rief. Herzstück des Museums ist die interaktive Dauerausstellung „Essen – Die Essenz des Lebens“, die in die Welt des Essens entführt. Passend dazu ragt vor dem Gebäude eine acht Meter hohe Gabel aus Edelstahl aus dem See, die 1995 zum zehnjährigen Jubiläum des Alimentariums geschaffen wurde. Zwischen dem Museum und der Riesengabel, die es 2014 ins Guinness-Buch der Rekorde schaffte, steht eine Bronzestatue von Charlie Chaplin in seiner Pose als Tramp.
Die Stadt liegt mitten in den Weinbergen
Allein der Blick von der Aussichtsterrasse des schneeweißen Schlosses von Nyon über den Genfer See (Lac Léman) ist die Reise in die 70 Kilometer entfernte Stadt wert.
Die schmucke Kleinstadt zwischen Genf und Lausanne liegt inmitten der Weinberge der La Côte, dem größten Weinbaugebiet des Kantons Waadt. In Gland/Begnins, acht Kilometer nördlich von Nyon, produzierte Reynald Parmelin vom Weingut „Domaine la Capitaine“ 1994 als erster Winzer im Kanton Waadt biodynamischen Wein. Heute kultiviert er über 20 Rebsorten, die mit der „Knospe“ (Bio Suisse) und nach Demeter zertifiziert sind, darunter Chardonnay, Johanniter, Malbec, Merlot, Syrah und natürlich Chasselas, die Königin unter den Waadtländer Rebsorten. Markenzeichen des Weinguts sind die markanten blauen Flaschen. Beim Rundgang durch die Kellerei fällt eine Flasche sofort ins Auge. Ihr Etikett ziert das Konterfei eines Fliegers aus den Anfangstagen des 20. Jahrhunderts. Es ist Vorfahr Agénor Parmelin, der 1914 den Mont Blanc auf dem Luftweg überquerte, dabei mit seinem offenen Eindecker einen Höhenrekord von 5.300 Metern aufstellte und drei Jahre später mit einem Flugboot in den Lago di Varese stürzte und starb. Mit der Collection Agénor setzte ihm Reynald Parmelin ein Denkmal. Bei einem Gläschen Wein mit Blick auf die weiten Hügel der La Côte, den Mont Blanc und den Genfer See kann das Leben so schön sein.