Durch drei Niederlagen kann Hertha BSC schon nach der ersten Pflichtspielwoche des neuen Jahres Aufstieg und Pokalfinale zu den Akten legen.

Pal Dardai ist bekanntlich niemand, der gern Ausreden sucht oder mit seinen Aussagen einen solchen Eindruck erwecken möchte – doch schon nach dem Aus im Pokal-Viertelfinale gegen den 1. FC Kaiserslautern vergangene Woche sah sich der Trainer von Hertha BSC dazu genötigt, die Karten auf den Tisch zu legen: „Wir haben nie gejammert und es nie gesagt, aber seit dem Trainingslager haben 60 Prozent der Mannschaft das Norovirus mit Fieber und Durchfall, das hinterlässt Spuren. Die halbe Mannschaft hat mit Spritzen und Medikamenten gespielt, wir waren am Limit.“ Das gestand der Ungar, weil auch ihm der Wind nach dem Aus vom Traum des „Finale daheem“ kurzfristig ins Gesicht wehte – fragwürdige Umstellungen taktischer und personeller Natur wurden ihm vorgeworfen. Der Trainer habe das extrem wichtige Spiel „vercoacht“, machte es sogar medial mancherorts die Runde – von den sozialen Netzwerken ganz zu schweigen.
Viele ausfälle im Trainingslager
Doch der Reihe nach: vor dem Pokalspiel hatte Dardai also vom 4-2-3-1-System auf 3-5-2 umgestellt – eine Taktik, die man im Wintertrainingslager in Spanien eigens einstudiert, aber dort bereits aufgrund personeller Engpässe und eines 0:3 gegen den belgischen Erstligisten KV Mechelen wieder einkassierte. „Ich hatte keine Flügelspieler, deshalb wollten wir den Gegner spiegeln, damit er uns nicht so pressen kann“, erklärte Dardai den Systemwechsel – das führte jedoch dazu, dass die FCK-Angreifer in der ersten Halbzeit den Spielern in der Dreierkette bei direkten Duellen ein ums andere Mal entwischten. Das lag auch daran, dass die Doppel-Sechs aufgrund der krankheitsbedingten Ausfälle von Pascal Klemens und Linus Gechter positionsfremd besetzt werden musste – Deyovaisio Zeefuik und Neuzugang Aymen Barkok erwiesen sich dabei obendrein als Fehlbesetzung vor der Abwehr.
Pech, wenn man die personelle Wahl des Trainers betrachtet – aber die Systemumstellung, die zur Pause bereits einen 0:2-Rückstand zur Folge hatte, musste sich Dardai dann doch ankreiden lassen. Mit der Rückkehr zur Viererkette ab dem Wiederanpfiff lief das Spiel von Hertha BSC dann wesentlich geordneter – allerdings unterlief dem zur Pause für Zeefuik eingewechselten Andreas Bouchalakis dann auch noch der Fehlpass, der den vorentscheidenden Treffer zum 0:3 verursachte. Ein weiterer Vorwurf: das Pflichtspiel-Debüt von Marius Gersbeck, für den Stammtorwart Tjark Ernst auf die Reservebank musste. Der Nummer zwei war zwar keine Schuld an einem der drei Gegentreffer anzulasten, die ungewöhnliche Maßnahme – Hertha BSC pflegt im Gegensatz zu dem einen oder anderen Proficlub nicht die wettbewerbsbezogene Rotation zwischen den Pfosten – könnte aber gerade zur weiteren Unsicherheit der Dreierformation in der Abwehr vor der Pause beigetragen haben. So warf der Trainer den durch mehrwöchige Pause wegen einer Coronainfektion noch nicht vollständig fitten Fabian Reese zur zweiten Halbzeit ins kalte Wasser. Bezeichnend ist, dass der Hoffnungsträger trotz seines Zustands das Spiel gewaltig anzukurbeln wusste und obendrein noch den Treffer zum 1:3-Endstand markieren konnte.
Nach der öffentlichen Erklärung Dardais zum Personalnotstand im Kader war dann für das wichtige Heimspiel gegen den Hamburger SV am Samstagabend die Richtung quasi schon vorgegeben. Denn angesichts der widrigen Voraussetzungen wollte Pal Dardai kein Feuerwerk gegen den Aufstiegskandidaten von der Alster versprechen. Das belegten dann auch 61 Prozent Ballbesitz für den Gast am Samstagabend am Ende in aller Deutlichkeit – aber auch eine ausgeglichene Bilanz an Zweikämpfen (allerdings mit der besseren Quote für den HSV) sowie eine von Dardais Schützlingen um fünf Kilometer längere Laufleistung. So war das Spiel der Berliner im ersten Durchgang vornehmlich auf Stören des Gegners ausgelegt – nur kurz vor der Pause kamen sie einmal gefährlich vor das Hamburger Tor, doch Haris Tabakovic hatte Pech mit seinem Kopfball an den Pfosten. Dennoch hätte man auch zur Halbzeit schon gut und gern zurückliegen können – dann aber kam es nach Wiederanpfiff zu einer erheblich längeren Unterbrechung, als Fans immer wieder Tennisbälle aus Protest gegen den geplanten Investoreneinstieg bei der DFL auf den Rasen des Olympiastadions warfen. Nach 20-minütiger Unterbrechung bat Schiedsrichter Daniel Schlager beide Teams dann in die Kabine – auch eine letzte Warnung an die Anhänger, bei der Rückkehr und wieder einsetzendem Ballhagel einen Abbruch zu provozieren.
Tennisbälle auf dem Feld

Die Maßnahme wirkte und mit gut einer halben Stunde Verzögerung konnte die Partie ohne weitere Störungen fortgesetzt werden. Auf die kalte Dusche durch den schnellen HSV-Treffer nach Wiederbeginn – zeigte der wieder zwischen die Pfosten zurückgekehrte Tjark Ernst hier eine Unsicherheit und resultierte diese durch die Versetzung auf die Bank gegen Kaiserslautern? – hatte Hertha BSC eine gute Antwort. Der nach 60 Minuten eingewechselte Reese sorgte gleich für Wirbel, HSV-Torwart Heuer Fernandes konnte seinen Schuss nicht festhalten und Tabakovic staubte zum 1:1 ab. Bis 20 Minuten vor Schluss wechselte Dardai dabei seine offensive Mittelfeldreihe wahrscheinlich auch aus Gründen der Belastungssteuerung aus, während die diesmal von Barkok und Bouchalakis gebildete Doppel-6 bis zum Schluss vor der Viererkette Bestand hatte. Das führte dazu, dass der zweite Winterzugang – das 19-jährige Mittelfeldtalent Bradley Ibrahim – allerdings nicht mehr zum Einsatz kam und von der Bank mit ansehen musste, wie sich die Hamburger als das kaltschnäuzigere Team erwiesen. Einen blitzsauber gespielten Vorstoß nutzten sie am Ende jedenfalls durch den eingewechselten Reis per Kopf zum entscheidenden Treffer. Dann war Schluss und Hertha BSC konnte sich beziehungsweise wollte den Anhängern nichts vorwerfen – dennoch standen unter dem Strich drei Niederlagen binnen acht Tagen zum Jahresauftakt, die nach dem Aus im DFB-Pokal wohl nun auch das Ende aller Aufstiegsträume bedeuten. Zunächst war daraufhin erst einmal Regeneration bitter nötig, bevor es in die Vorbereitung zu einer weiteren anspruchsvollen Aufgabe bei der SpVgg Greuther Fürth (Sonntag, 13.30 Uhr) ging. Ab sofort gilt es dabei, trotz geplatzter Hoffnungen den Kopf oben zu behalten – und den Vorsprung von sechs Punkten auf den direkten Abstiegsplatz zu wahren.