Die EU fördert drei deutsche Projekte, die die Abhängigkeit der Union von kritischen Rohstoffen verringern könnten. Auch unter Deutschland befinden sich zum Beispiel Lithiumvorkommen in beachtlichem Umfang.
Von ihnen hängt die Zukunft ab: Kritische Materialien wie Titan, Mangan, Kobalt oder Lithium gelten weltweit als begehrte Stoffe in einer ganzen Reihe von Schlüsselindustrien – für das Militär, aber auch für zivile Verwendungen in Halbleiterchips oder Batterien. Sie sind der Grund für den Rohstoffdeal der USA mit der Ukraine, sie sind der Hebel im Rohstoffwettlauf Chinas mit dem Westen, in dem die Volksrepublik derzeit die Pole-Position innehat. Dabei gibt es auch in Deutschland und Europa durchaus große Vorkommen. Um weniger von Chinas Übermacht beim Abbau und der Weiterverarbeitung jener Rohstoffe abhängig zu sein, handelt die Union jetzt: Zum ersten Mal veröffentlichte die Europäische Kommission eine Liste von förderwürdigen Projekten rund um diese kritischen Rohstoffe. Insgesamt 47 Projekte kommen in den Genuss dieser Förderung, drei davon befinden sich in Deutschland. Die ausgewählten Firmen sollen etwa von schnelleren Genehmigungsverfahren oder einfachem Zugang zu Kapital profitieren, heißt es aus Brüssel. Die Profiteure des Auswahlverfahrens sind die Firma Vulcan Energy, die Lithium aus dem Oberrheingraben gewinnen will, der Duisburger Batterie-Spezialist PCC Thorion sowie die Firma Rock Tech, die im brandenburgischen Guben Lithium herstellen will.
Kredite und Genehmigungen
Welche Förderung den einzelnen Projekten zugutekommt, bleibt zunächst unklar. Viele sind nach Ansicht der Kommission für private Geldgeber attraktiv, sodass gar kein EU-Geld nötig ist. Für andere stünden insgesamt zwei Milliarden Euro bereit, etwa für Garantien oder Kredite. Genehmigungsverfahren sollen je nach Projektart künftig maximal 27 Monate dauern, bisher waren es bis zu zehn Jahre. „Rohstoffe stehen am Anfang der strategisch wichtigsten Lieferketten“, sagte der für die Industriestrategie zuständige Kommissions-Vizepräsident Stéphane Séjourné laut Mitteilung. Der Kern der Strategie: „Wir müssen unsere eigene Produktion steigern, unsere externe Versorgung diversifizieren und Vorräte anlegen.“
Grundlage der Förderung ist die EU-Verordnung zu kritischen Rohstoffen (Critical Raw Material Act, CRMA), die die Kommission bereits 2023 verabschiedet hatte. Das europäische Gesetz soll der EU beim Aufbau ihrer Kapazitäten helfen und ihre Lieferketten weniger anfällig machen. Konkret heißt das, die inländischen Lieferketten der EU zu stärken und Partnerschaften mit Nicht-EU-Ländern einzugehen, nicht mit China, um die ohnehin schon hohe Abhängigkeit von der kommunistischen Diktatur zu reduzieren. Es beginnt bei der Exploration, also dem Auffinden und Nutzbarmachen von Materialien, und reicht über den Abbau, bei dem Umwelt- und Sozialstandards beachtet werden müssen, bis hin zum Recycling. Zudem sollen unter anderem strategische Reserven kritischer Rohstoffe angelegt werden, um krisenfester zu sein.

Eines der Nicht-EU-Länder, das nun von dem Gesetz und der Förderung profitiert, ist Australien: Bei Vulcan Energy handelt es sich ursprünglich um ein Unternehmen von „down under“, dessen Projektschwerpunkte nach eigener Aussage jedoch in Europa liegen und das von dem Deutschen Horst Kreuter mitgegründet wurde.
Eine Unternehmung von Vulcan Energy befindet sich bei Landau in der Pfalz. Dort ging im Februar eine Pilotanlage in Betrieb, die zwei Probleme gleichzeitig lösen soll: Einerseits bohrt sie im Oberrheingraben nach Lithiumchlorid, das in Frankfurt zu industriell verwertbarem Lithiumhydroxid weiterverarbeitet werden soll. Andererseits nutzt sie das lithiumhaltige Thermalwasser zur Wärmegewinnung. Im ersten Jahr rechnet das Unternehmen mit 24.000 Tonnen Lithium, Material für etwa 500.000 Autobatterien.
Schätzungen zufolge ließen sich alleine mit den Vorkommen im Oberrheingraben 40 Prozent des EU-Bedarfs und damit auch der gesamte deutsche Bedarf an Lithium decken. Zum Vergleich: Die Deutsche Rohstoffagentur schätzt den deutschen Lithium-Bedarf auf bis zu 0,17 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Weltweit wurden 2023 etwa 130.000 Tonnen Lithium produziert. Auch in der Nähe von Ludwigshafen will Vulcan Energy nach Lithium fahnden und zusammen mit BASF geothermale Untersuchungen anstoßen. Die geothermische Energie könnte im Ludwigshafener Werk des Chemieriesen Verwendung finden.
In Grubenwasser nachweisbar
Dass es durchaus genügend Lithium in Deutschland gibt, hat die Fraunhofer Gesellschaft bereits in Norddeutschland untersucht. Die Studie geht von circa 0,39 bis 26,51 Millionen Tonnen Lithium aus, die sich im sogenannten Norddeutschen Tiefland nachweisen lassen. Diese geologische Zone umfasst etwa den Nordwesten Nordrhein-Westfalens, die Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen Anhalt sowie den Norden Thüringens. Jene Vorkommen könnten mithilfe alter Erdgasbohrlöcher nutzbar gemacht werden. Die Gewinnung aber sei nicht einfach, es brauche je nach Region „neue Förderkonzepte, was jahrzehntelange Arbeit erfordern wird“, heißt es von der Fraunhofer Gesellschaft.
Lithium findet sich auch in Grubenwasser. Professor Dr. Volker Presser leitet die Gruppe Energie-Materialien des Leibniz Institut für Neue Materialien. Er hat errechnet, dass alleine im Saarland etwa 1.900 Tonnen Lithium jährlich über abgepumptes Grubenwasser ungenutzt abfließen. Ob und wie sich eine Gewinnung unternehmerisch rechnen würde, hängt von vielen Faktoren ab. Presser erforschte die direkte elektrochemische Gewinnung von Lithium-Ionen im Projekt Merlin, das mittlerweile abgeschlossen ist. „Die derzeit verfügbaren kommerziellen Systeme zur Lithiumgewinnung basieren hauptsächlich auf chemischen Verfahren sowie auf Membranprozessen“, sagte Presser – anders als herkömmliche bergbautechnische Verfahren. Die Forschung ist noch nicht abgeschlossen. „Derzeit arbeiten wir im Rahmen eines drittmittelfinanzierten Projekts an einer weiterentwickelten Technologie zur Lithium-Ionen-Extraktion“, diesmal geht es um elektrochemisches Batterie-Recycling. Denn die EU will auch die Kreislaufwirtschaft zum Kernelement ihrer Rohstoffstrategie machen, um von Importen unabhängiger zu werden. „Es besteht im internationalen Vergleich ein klarer Bedarf an weiteren, ambitionierten Maßnahmen – insbesondere was die Förderung von Startups und Investitionen in grüne Schlüsseltechnologien betrifft – und an einer beherzten Entbürokratisierung“, sagte Presser gegenüber FORUM.
Kurz vor Produktionsstart sieht sich auch die Zinnwald Lithium AG. Im Erzgebirge nahe der tschechischen Grenze liegt das bislang größte bekannte Lithiumvorkommen Deutschlands, etwa 400.000 Tonnen. Bis 2030 soll dort mit dem Abbau begonnen werden. Der größere Teil des Vorkommens findet sich auf tschechischer Seite, wo Privatunternehmen ebenfalls in Kürze mit dem Abbau und der Weiterverarbeitung starten wollen. Ähnliche Projekte finden sich in Finnland, Spanien und Portugal.
Es geht also voran in Sachen strategischer Unabhängigkeit. Ob die Initiative im Umbruch der neuen globalen Ordnung rechtzeitig kommt, muss sich nun zeigen. Materialwissenschaftler Volker Presser glaubt daran, dass „durch eine Kombination aus gezielten Anreizen, einem verlässlichen regulatorischen Rahmen und industriellem Engagement“ durchaus bedeutende Fortschritte möglich sind. „Allerdings ist der globale Wettbewerb hart, politisch aufgeladen und von Akteuren geprägt, die über erhebliche finanzielle Mittel und politischen Einfluss verfügen.“ Hier wird sich auch eine EU in Zukunft durchsetzen müssen.