Ein Konzern übertrifft derzeit viele andere an Marktwert: Nvidia. Der US-Chiphersteller verspricht Investoren eine lukrative technologische Zukunft dank Halbleitertechnologie, Künstlicher Intelligenz und Robotik.
Seit Januar 2023 gibt es für den Aktienkurs von Nvidia nur eine Richtung: aufwärts. Im Mai 2023 war es dann soweit, Nvidia knackte die Billion-Dollar-Marke an der Wall Street. Derzeit liegt der Marktwert bei 1,7 Billionen US-Dollar. Der Grund für Nvidias Höhenflug ist sein zukunftsträchtiges Produkt: Beschleunigerchips. Dies allein wäre jedoch noch kein Alleinstellungsmerkmal. Aber Nvidia-Grafikbausteine gelten im Moment auf dem Markt für Künstliche Intelligenz als das Nonplusultra für das Anlernen einer KI, die Beschleunigerchips als Marktführer für den Betrieb von Rechenzentren. Noch gibt es keine Konkurrenz, die der Hardware des US-amerikanischen Konzerns das Wasser reichen könnte.
Marktführer für KI-Training
Kürzlich erst lud Nvidia zur Hausmesse GTC 2024 ein, auf der Vorstandschef Jensen Huang die neue Blackwell-GPU (Graphical Processing Unit) der Öffentlichkeit vorstellte, ein weiterer Meilenstein für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz. Für den neuen Chip musste Nvidia neue Technologien entwickeln, so Huang in einem Interview mit dem US-Sender CNBC. Physikalisch stieß man offenbar an Grenzen, sodass für die erhöhte Leistungsfähigkeit der Chip letztlich vergrößert werden musste – es sind im Grunde zwei Chips, die mit einer Geschwindigkeit von zehn Terabyte pro Sekunde miteinander kommunizieren. Darauf verbaut sind 208 Milliarden Transistoren, die Entwicklungsversion kostete zehn Milliarden US-Dollar. Letztlich gelöst hat die Fertigungsprobleme der taiwanesische Halbleiter-Gigant TSMC, der die Blackwell-GPUs im Auftrag von Nvidia produziert. Im Vordergrund der Neuentwicklung stehen eine erhöhte Energieeffizienz – bei einem Stromverbrauch im zweistelligen Kilowattbereich für Komplettsysteme kein Wunder – und ein effizienterer Datenaustausch.
Bislang galten Tech-Konzerne wie Apple, Google und Microsoft als die wertvollsten Platzhirsche an der Börse mit einer Marktkapitalisierung von einer bis drei Billionen US-Dollar. Microsoft erreichte die Marke von drei Billionen im Januar ebenfalls durch den aktuellen KI-Hype. Erinnerungen an die Dotcom-Blase werden wach, doch fußt die aktuelle Kursrallye Nvidias auf konkreten Produkten und einer seit Jahrzehnten soliden Strategie vor allem mit Grafikchips der Marke Geforce. 2017 stieg das Unternehmen ins autonome Fahren ein, 2018 stellte Nvidia die Volta-Architektur für KI-Anwendungen vor. Seither geht es mit dem Aktienkurs steil bergauf.
Künftig, so Huang auf der GTC 2024, werde KI das Programmieren von Computercode übernehmen. Um eine KI überhaupt zu trainieren, gehen je nach Komplexität und Datensätzen oft viele Stunden, Wochen oder gar Monate ins Land. Schnellere Chips beschleunigen auch die Trainingszeit, der Blackwell-Chip laut Nvidia um das zweifache.
KI-Programme, die menschliche Gespräche simulieren können, aus Sprachmodellen Texte generieren können und letztlich sogar mechanische Tätigkeiten mithilfe von Robotern übernehmen, werden in Zukunft häufiger. So arbeitet beispielsweise OpenAI an Figure, einem menschenähnlichen Roboter, der mithilfe seiner KI ChatGPT Konversation betreiben kann – mithilfe von Nvidia-Chips.
„Ohne Nvidia wäre mein Job derzeit nicht möglich“, sagt auch Timo P. Gros, Wissenschaftler und Forschungsbereichsmanager für Neuromechanistische Modellierung am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken. Er trainiert Künstliche Intelligenzen – allesamt mithilfe von Nvidia-Chipsätzen.
Nvidia 2,36 Billionen US-Dollar wert
Einer der besten handelsüblichen PC-Computer besitzt heute einen i9-Zentralprozessor mit 24 Kernen. „Dieser kann sehr viele Dinge gleichzeitig tun, zum Beispiel mehrere Dokumente öffnen, Musik abspielen und so weiter.“ Grafikprozessoren sind dagegen nur für eine einzige spezifische Aufgabe gut: Sie übernehmen die Rechenleistung für die Grafik eines Computers und sind daher wichtig für die Gaming-Industrie. „Die notwendigen mathematischen Operationen für Grafikprozesse wie für das Anlernen von Künstlicher Intelligenz sind allerdings die gleichen: Addition und Multiplikation sogenannter mathematischer Matrizen“, erklärt Gros, denn eine KI sei auch nichts anderes als eine große mathematische Operation. Daher brauche es Grafikprozessoren, um der KI die notwendigen Dinge beizubringen. Gros arbeitet derzeit noch mit einem etwas älteren Nvidia-Modell, einem V100-Grafikprozessor. Dieser bietet die Leistung von 32 Zentralprozessoren oder 640 Kernen. Die kürzlich vorgestellte Blackwell-GPU besteht aus bis zu 20.000 Kernen. „Jeder einzelne Kern für sich ist langsam. Aber weil wir eine große Menge von Daten für KI bereitstellen, die diese gleichzeitig, also parallel verarbeiten soll, sind Grafikprozessoren dafür besonders gut geeignet. Mit einer Blackwell könnten wir eine KI 60-mal so schnell trainieren wie mit einem üblichen PC mit 24 Kernen.“ Eine KI-Anwendung jedoch ist im Gegensatz zum Training weitaus weniger rechenaufwändig – hier reicht die Rechenleistung einer üblichen CPU.
Kein Wunder, dass vor allem die Hersteller von Grafikprozessoren aktuell von der Goldgräberstimmung im Geschäft mit der Künstlichen Intelligenz profitieren. Nvidias Geschäft mit Technik für Rechenzentren war mit einem Umsatz von 18,4 Milliarden Dollar im ersten Quartal 2024 fünfmal höher als im Vorjahresquartal. Der Quartalsgewinn sprang binnen eines Jahres von 1,4 auf knapp 12,3 Milliarden Dollar, die Aktie profitierte jedoch auch von der allgemeinen Stimmung an den Börsen, die nach wie vor extrem gut ist. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz habe einen Wendepunkt erreicht, und die Nachfrage steige weltweit, betonte Jensen Huang. Huang, Mitgründer und Langzeit-CEO von Nvidia seit 1993, muss nun den Vorsprung gegenüber der Konkurrenz halten. Linda Su, Chefin des ewigen Nvidia-Konkurrenten AMD, hat ebenfalls einen KI-Spezialchip entwickelt, auch Intel fasst auf dem Markt Fuß. Der britische Mikroprozessor-Hersteller ARM Holdings, dessen Verkauf an Nvidia 2022 auf Einspruch von Google, Microsoft und US-Behörden stieß und letztlich nicht stattfand, gilt als „europäisches Nvidia“ und ist der US-Konkurrenz ebenfalls hart auf den Fersen.
Etwas gebremst wird das Nvidia-Geschäft von den Maßnahmen der US-Regierung gegen Lieferungen von KI-Technologie nach China. Nvidia darf seine modernsten Chip-Systeme, mit denen Künstliche Intelligenz angelernt wird, nicht dorthin verkaufen. Washington verweist auf das Risiko, dass die Technik für militärische Zwecke eingesetzt werden könnte. Auch für eine abgespeckte Version der Geräte bekam Nvidia bisher keine Ausfuhr-Lizenz, deswegen wurden zuletzt Chips geliefert, deren Leistung unter den vorgegebenen Grenzwerten liegt. China habe im vergangenen Quartal einen Anteil im mittleren einstelligen Prozent-Bereich am Geschäft mit Technik für Rechenzentren gehabt, hieß es. Die US-Regierung wolle, dass Nvidia in China möglichst erfolgreich sei, aber im Rahmen der Leistungsbeschränkungen, sagte Huang.
Für Nvidia gelten in der westlichen Welt derweil keine Leistungsbeschränkungen, im Gegenteil. Hier schickt sich der Konzern an, einer der mächtigsten Player auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und Robotik zu werden.