Neues Jahr. Neue Wahlen. Die nächsten Wochen stehen im Zeichen des Wahlkampfs. Die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar steht gleich unter einer ganzen Reihe besonderer Vorzeichen.
Die ersten Tage im neuen Jahr sind bereits gezählt. In den Wahlkampfzentralen der Parteien läuft der Countdown. Auch in den Rathäusern. Nach einer kurzen Feiertagspause zum Jahreswechsel wird alles gerichtet für einen konzentrierten Wahlkampf, der fast aus dem Stand schon in die Zielgerade einbiegt.
Die Ausgangslage ist klar. Friedrich Merz, der erst einige Umwege und Anläufe brauchte, um an die Spitze der CDU zu gelangen, hat im ersten Anlauf als Spitzenkandidat das Kanzleramt im Visier. Ob sich Olaf Scholz in diesem Kanzleramt in den letzten drei Jahren immer wohl gefühlt hat, kann bezweifelt werden. Trotzdem will er gerne von dort aus weitermachen.
Ansonsten gibt es bei dieser Bundestagswahl so viele Kanzlerkandidaten (und eine Kandidatin) wie noch bei keiner Bundestagswahl zuvor. Ob eine Partei ihren Spitzenkandidaten oder ihre -kandidatin dazu erhebt, ist zunächst einmal Frage des eigenen Anspruchs, der aber auch einigermaßen durch Umfragen begründet sein sollte.
Und diese Umfragen zeigen seit dem Frühjahr vergangenen Jahres ein erstaunlich stabiles Bild. Die Balken für die Parteien in den Grafiken scheinen wie gemeißelt, die geringfügigen Veränderungen weitgehend im Bereich der statistischen Fehlertoleranz.^
Einflussversuche von allen Seiten
Dass sich so etwas auch schlagartig ändern kann, hat die Erfahrung der Vergangenheit gezeigt. Sechs Wochen vor einem Wahltermin deshalb schon das Fell des Bären zu verteilen, ist definitiv zu früh. Trotzdem haben schon kurz nach dem offiziellen Ampel-Aus die heftigsten Diskussionen darüber eingesetzt, wer wohl nach dem 23. Februar mit wem regieren können würde. Der gleich doppelte Konjunktiv zeigt: Es ist Spekulation – aber eine nicht ganz unberechtigte.
Das Experiment eines Dreier-Bündnisses auf Bundesebene ist zumindest schon mal in der „Ampel“-Formation gescheitert. Die mühseligen Regierungsbildungen nach drei Landtagswahlen in ostdeutschen Ländern und die anschließenden Varianten der Koalitionsbildungen zeigen eindrucksvoll die Veränderungen der politischen Landkarte.
Koalitionen mit einer Partei, die in diesen Tagen ihren ersten Geburtstag feiern kann, gehören jetzt ebenso dazu wie Minderheitsregierungen mit neuen Politikformaten („Konsultationsverfahren“). Die Farbenlehre ist um die „Brombeere“ (Koalition von CDU, SPD und BSW) reicher geworden.
Da ist die Frage schon berechtigt, welche Konstellation es nach der Bundestagswahl geben könnte. Was wiederum eigentlich Rückwirkungen auf den Wahlkampf, genauer: den Tonfall im Wahlkampf haben sollte.
Die Diskussion um den überraschend harten Auftritt des Bundeskanzlers bei der Vertrauensfrage hat immerhin dafür sensibilisiert, dass persönliche Angriffe kaum zu einer Atmosphäre beitragen, die es später womöglich erlaubt, aus einem kniffligen Wahlergebnis ein konstruktives Regierungsbündnis zu formen. Mal ganz abgesehen davon, dass die allermeisten Menschen diese Art von Auseinandersetzung hinreichend leid sind.
Eine weitere große Herausforderung nicht nur für die nächsten Wochen: Aus dem Frust über die Ex-Ampel-Regierung ist eine allgemeine Politik- und Institutionenverdrossenheit geworden, so zumindest die weitgehend übereinstimmende Analyse. Nun ließe sich trefflich diskutieren, welchen Anteil an diesem Vertrauensverlust das Ampel-Gebaren trägt und wie sehr auch die Performance anderer Akteure ihren Beitrag dazu geleistet hat. Den Menschen im Land macht diese Entwicklung durchaus Sorgen. Im Deutschlandtrend (ARD, Dezember 2024) haben knapp 60 Prozent der Befragten die Befürchtung geäußert, dass es nach der Wahl zu keiner stabilen Regierungsbildung kommt. Entscheidend ist also, nicht weiter Vertrauen aufs Spiel zu setzen. Zumal es ausreichend Versuche von innen wie von außen gibt, die grundsätzliche Vertrauensbasis weiter zu zermürben.
Dabei liefern schon die allgemeinen Entwicklungen Grund genug zur Sorge. Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands, das immer öfter als „kranker Mann Europas“ bezeichnet wird, ist in den vergangenen Monaten auch bedingt durch eine Reihe von Ankündigungen zu massivem Arbeitsplatzabbau zum Thema Nummer eins für die Menschen geworden, das fast alle anderen Themen in den Hintergrund treten lässt. Die Parteien haben in ihren Wahlkampfprogrammen darauf reagiert. Was an Positionierungen darin zu finden ist, zeigt, dass es bei dieser Wahl in der Tat klare Alternativen gibt. Die lesen sich allerdings nach einem sehr bekannten Muster. Zugespitzt: wirtschaftsliberale Konzepte mit einer Eindämmung des Sozialstaates (Stichwort Bürgergeld) auf der einen Seite, und auf der anderen ein starker Staat, der soziale Sicherheit verspricht. In einem Punkt gibt es allerdings große Einigkeit: Bürokratieabbau.
Vertrauen zurückgewinnen
Der zweite große Themenkomplex, der die Menschen umtreibt, ist Krieg und Frieden. Die Positionen der Parteien sind klar, wie es scheint, klarer als die Lage selbst. Eigentlich ist die Frage zu ernst, als dass sie für einen auf einfache Slogans oder Symbole zugespitzten Wahlkampf (nach dem Motto: Taurus oder Diplomatie) taugen würde. Vermeiden lassen wird es sich aber wohl kaum.
Das dritte große Thema ist vor diesem Hintergrund in der Aufmerksamkeit ziemlich abgerutscht. Völlig zu Unrecht. Der Klimawandel wird uns mit jeder neuen Katastrophe drastisch vor Augen geführt. Im Grunde ist auch einer ganz großen Mehrheit bewusst, dass die Chancen der nächsten Generationen davon abhängen, was wir jetzt zustandebringen (oder unterlassen). Aber die Konsequenzen verlangen uns einiges ab. Damit so etwas wahlkampftauglich ist, braucht es schon eine besondere Konstellation wie vor der letzten Wahl.
Alle drei Mega-Themen: Wirtschaft, Krieg und Klima dürften in den nächsten Wochen noch einmal beflügelt werden, dann nämlich, wenn Donald Trump am 20. Januar offiziell seine zweite Präsidentschaft antritt und klar wird, welche der vielen Ankündigungen reale Politik werden, mit allen ganz unmittelbaren Auswirkungen auf den Rest der Welt, auf Europa, auf Deutschland.
Am Ende, so sagen Polit-Analytiker, sind aber nicht so sehr die Sachthemen sondern die Köpfe entscheidend, unabhängig davon, dass der Bundeskanzler nicht direkt gewählt wird. Aber dabei stehen Wählerinnen und Wähler vor einem Dilemma. Es gibt zwar mit drei Kanzlerkandidaten und einer Kandidatin reichlich Auswahl. Aber keine überzeugt wirklich. Wenige Wochen vor der Wahl halten zwischen 60 und 70 Prozent der Befragten keinen der vier für besonders gut geeignet. Was aber auch heißt: Jeder kann sich auf den letzten Metern noch einmal ins Zeug legen. Es ist noch Luft nach oben.