Tapferkeit und Todesverachtung waren römische Tugenden. War es Schicksal oder Traumberuf, Gladiator im Römischen Reich zu sein? Die Ausstellung „Gladiatoren“ im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Saarbrücken gibt erstaunliche Antworten.

Zwei Gladiatorenszenen, Motive aus dem prachtvollen Mosaikboden der Römischen Villa in Nennig, beeindrucken auf einem Plakat, das im Treppenhaus aufgespannt ist. Der Mosaikboden, das bedeutendste Beispiel römischer Kunst unserer Region, ist weithin bekannt. Könnte es sein, dass es weitere Funde im Saarland gibt, die mit Gladiatoren im Zusammenhang stehen? Das nächste Amphitheater steht in Trier. Womöglich schlummert in saarländischem Boden ein Sensationsfund und wartet auf Entdeckung. Doch bevor ich mich in Spekulationen verliere, betrete ich lieber die Ausstellung.
Lebensgroße Figuren, die Gladiatoren mit unterschiedlicher Ausrüstung und Waffen darstellen, ziehen Blicke an. Zunächst gilt es, die Kämpfer zu unterscheiden. Der Murmillo mit Schwert, geschützt durch Schild, Helm, Handschutz und Beinschienen, sieht zum Fürchten aus! Sein Visierhelm mit vergitterter Augenpartie erinnert an ein Insekt und wiegt 15 bis 18 Kilo. Dem Murmillo steht der Thraex gegenüber. Der Kopf eines Greifs auf seinem Helm symbolisiert Wachsamkeit und Wildheit. Auffallend ist, dass sein Schwert gebogen ist. Beim römischen Publikum waren außerdem Retiarius und Secutor ein beliebtes Kämpferpaar. Die Hauptwaffe des Retiarius, des Netzkämpfers, war der Dreizack. Der Secutor war eine Variante des Murmillo, ebenso schwer bewaffnet wie jener, sein Helm jedoch offenbart einen Nachteil: Die Sicht ist sehr eingeschränkt.
Gladiatorenspiele waren ursprünglich Teil von privaten Begräbnisritualen und sind erstmals 264 v. Chr. zur Totenfeier des Senators Decimus Iunius Brutus Pera belegt. Auf dem Marktplatz in Rom traten drei Fechterpaare an. Die Aristokratie folgte dem Beispiel. Auf Großes folgt Größeres, darauf Größenwahn: Julius Caesar wollte 320 Gladiatorenpaare antreten lassen. Der Senat machte nicht mit. Die Kämpferpaare mussten reduziert werden. Caesar war 44 v. Chr. tot, weil, infolge einer Verschwörung, ermordet. Aus Anlass seines Todes fanden die Gladiatorenspiele erstmals auf Staatskosten statt. Augustus erkannte, dass die Kämpfe dem Kaiserkult nutzen, obendrein konnte er sich so beim Volk beliebt machen, das begierig auf diese Vergnügung war. Gladiatorenkämpfe sind bis Mitte des 5. Jahrhunderts belegt.
Gladiatorenkämpfe folgen Regeln
Deckenhohe rote Papierbahnen sind mit Graffiti übersät. Eines entschlüssle ich teilweise: Zwischen Palmzweig und Lorbeerkranz lese ich römische Zahlen. Das Männlein ist ein Murmillo. Der Gladiator hat 32 Kämpfe gewonnen. Das Graffito fand man in Pompeji.
Gladiatoren waren Stars. Sie hatten Fans. Die Aristokratie leistete sich kostbare Fußböden mit ihren Idolen wie den in Nennig oder auch Wandfresken, ärmere Schichten kauften Öllampen mit Gladiatorenszenen. Ein Gladiator wurde unsterblich. Wie zum Beispiel Senilians: In einem Stadthaus bei Metz ist sein Name im Mosaikboden verewigt.

Die Wand „Wahr oder falsch?“ verspricht Rate-Spaß. „Gladiatoren mussten zur Schule gehen“. Jeder Achtjährige will das wissen, während die Antwort auf „Alle Gladiatoren hatten einen Waschbrettbauch“ Papa und Mama interessiert. Gladiatoren mussten zur Schule gehen und waren mit Fettschicht besser vor Verletzung geschützt. „Die Kämpfe waren wilde Gemetzel“. Die Auffassung ist weit verbreitet. Tatsächlich gab es Regeln für den Kampf, und ein Schiedsrichter sorgte für deren Einhaltung. Vor der Rate-Wand sind Stufen, damit auch kleinere Kinder die Türchen zu den Antworten öffnen können. Eine schöne Idee, die den Dialog fördert und Wissen vermittelt. Die Ausstellung ist vom Archäologischen Museum der Stadt Kelheim konzipiert und mit Objekten aus Museen in Frankreich, Rheinland-Pfalz und dem Landesdenkmalamt des Saarlandes erweitert.
Welche todesmutigen Männer betraten die Arena? Kriegsgefangene, Sklaven und Verbrecher mussten sich dem Kampf auf Leben und Tod stellen. Freie Römer der unteren gesellschaftlichen Schichten verpflichteten sich gegen Geld. Sie alle besuchten die Gladiatorenschule. Neu war mir, dass die Kämpfer mit hölzernen Waffen übten. Das Wachpersonal sollte keinen Aufstand fürchten müssen. Waffen aus Metall übergab man den Kämpfern erst vor dem Betreten der Arena. In Rom existierten vier staatliche Gladiatorenschulen, andernorts waren die Gladiatorenspiele privatwirtschaftlich organisiert. Ein Unternehmer konnte mit einem siegreichen Gladiator viel verdienen, deshalb war die Ernährung gut und auch die medizinische Versorgung gewährleistet. In einer Vitrine liegt ein Arztbesteck aus Bronze. Wem das Todesurteil „damnatio ad bestias“ bevorstand, war verloren: Hinrichtungen wurden bei schweren Vergehen (Mord oder Brandstiftung) durch Tierhatz vollzogen. Wir erinnern uns: Christen, die sich weigerten, den Kaiserkult anzunehmen, wurden Löwen vorgeworfen.
Die Gladiatorenspiele dauerten einen Tag und folgten einem Ablauf. Die Kämpfer versammelten sich vor Beginn zum Festbankett, für den einen oder anderen die letzte, sozusagen die Henkersmahlzeit. Einzig die Sieger durchschritten das Tor des Lebens, die Porta Sanavivare. Nach dem Kampf tranken die Helden ein Gebräu aus Asche, was gegen Muskelkater helfen sollte.
„Amazone“ und „Achilia“ entziffere ich auf der Fotografie eines Reliefs. Das Original befindet sich im Britischen Museum. Kaum zu glauben: Gladiatorinnen mit Kurzhaarschnitt! Dass es weibliche Gladiatorinnen wirklich gegeben hat, beweist ein Dekret von Kaiser Septimius Severus. Er untersagte Frauen höherer Schichten, Gladiatorin zu werden – die soziale Ordnung schien bedroht. Eine Römerin stand unter Vormundschaft von Vater oder Gatte. War das ein Grund, freiwillig Gladiatorin zu werden?

Die nächste Überraschung: Gladiatorenkämpfe waren von Musik begleitet! Das Cornu, das römische Horn, tönte. Das bronzene Instrument wurde militärisch genutzt, um Signale über Entfernungen zu senden. Die Rekonstruktion einer römischen Wasserorgel gibt Rätsel auf, auch weil ich mir nicht vorstellen kann, wie sie klingt. Die Funktionsweise mit der Hydraulik von Kolbenpumpen, Wasserbecken und Orgelpfeifen scheint raffiniert. Den Kampf auf Leben und Tod mit Musik dramaturgisch-dramatisch zu begleiten, verblüfft. Die Römer setzten auf Effekte. Zur Eröffnung des Kolosseums 80 n. Chr. inszenierten sie sogar eine Seeschlacht. Das Kolosseum in Rom bot 50.000 Menschen Platz. Die Gesellschaftsschichten waren streng getrennt, auf den obersten Rängen saßen Frauen und Sklaven.
Zwei Originale aus unserer Region: Die Bilderschüssel Terra Sigillata, 2. Jh. n. Chr., wurde in Saarbrücken-Brebach gefunden. Sie zeigt Gladiatorenkämpfe: Ein Löwe schickt sich an, einen Nackten anzuspringen und zu zerfleischen. Auch das Bruchstück einer Schale, die in Blieskastel-Blickweiler entdeckt wurde, zeigt Gladiatoren. Ich habe zwar gelernt, dass die Motive im Römischen Imperium beliebt waren und etliche Objekte, die in Massenfabrikation hergestellt wurden, zierten, aber trotzdem: Könnten diese Funde nicht doch einen Hinweis geben, dass ein Amphitheater im Saarland existiert? Der Archäologe Dr. Andreas Stinsky hat mir versichert, dass man im Bliesgau rund 400 Fundplätze aus römischer Zeit kennt (das Interview ist nachlesbar unter www.magazin-forum.de/de/node/26118). Wüsste man doch nur, an welchem Ort das Saar-Kolosseum auszugraben wäre.