Die Kommunen müssen die höheren Ausgaben der Landkreise finanzieren. Daneben kommen aber auch auf Gemeindeebene zahlreiche neue Aufgaben auf sie zu, sagt Stefan Spaniol, Hauptgeschäftsführer des Saarländischen Städte- und Gemeindetages.
Herr Spaniol, es gibt immer mehr Aufgaben für die Kreise, die mit hohen Schulden kämpfen. Deswegen gibt es den Saarlandpakt, der die Hälfte der kommunalen Kassenkredite in die Schuld des Landes übernahm. Wie ist der Einfluss dieses Paktes aus heutiger Sicht?

Der Saarlandpakt war ein wichtiger Schritt zur finanziellen Entlastung der Kommune, der auch Wirkung gezeigt hat. Das Land hat von zwei Milliarden Euro Kassenkrediten eine Milliarde übernommen. Seitdem gab es aber verschiedene Krisen, deren Folgen sich aufeinander aufgetürmt haben: Corona, der Krieg in der Ukraine, Inflation, Energiepreisanstieg. Zudem die Flüchtlingssituation. Nach wie vor sind die Einnahmen der Kommunen strukturell zu niedrig und seit ein paar Jahren laufen uns die Ausgaben auch wegen der oben genannten Krisen davon. Daher bleibt die kommunale Finanzlage sehr angespannt. Und es fehlt ein zweiter Schritt: dass der Bund seiner Verantwortung für gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland laut Grundgesetz gerecht wird. Demnach sollte es noch eine Altschuldenregelung durch den Bund für die zweite Milliarde Euro an Schulden geben, dafür stehen wir in Berlin ein. Gerade jetzt nach dem Hochwasser sind wir umso mehr auf die Solidarität des Bundes angewiesen.
Warum ist das Saarland im Vergleich zu anderen Bundesländern in einer schwierigen Situation?
Wir haben im Saarland das Problem, dass uns seit Jahren strukturell nur 70 Prozent der Einnahmen im Vergleich zu den Kommunen der anderen Bundesländern zur Verfügung stehen. Nun kommen durch die Krisen erhöhte Ausgaben hinzu und, weil wir als Kommunen die Landkreise mitfinanzieren, auch durch verschiedene Faktoren höhere Kreisumlagen. Wir befürchten, dass wir durch diese Änderungen, und wenn das Land nicht gegensteuert, in eine neue Verschuldungsspirale eintreten. Dies würde die Erfolge des Saarlandpaktes gefährden. Deswegen brauchen wir schnelle Hilfen, aber vor allem auch eine nachhaltige, strukturelle Neuaufstellung der Finanzen der Kommunen. Mit der Landesregierung haben wir eine Begutachtung der kommunalen Finanzen vereinbart, zum 1. Januar 2026 soll eine Neuregelung dann greifen.
Aus welchen Gründen steigt die Kreisumlage?
Das lässt sich vor allem auf mehrere Faktoren aus dem sozialen Bereich zurückführen. Dazu gehören Kostensteigerungen in der Jugendhilfe und in der Pflege, wie zum Beispiel für Heimunterbringungen und für Pflegeplätze. In diesen Bereichen gibt es keinerlei finanzielle Unterstützung durch den Bund. Zudem führen höhere Tarifabschlüsse zu steigenden Personalkosten, die nicht nur die Kreise selbst, sondern auch die Städte und Gemeinden betreffen. Diese müssen sowohl ihre eigenen erhöhten Personalkosten als auch die der Kreise finanzieren.
„Fürchten neue Schuldenspirale“

Zusätzlich haben wir zum Beispiel die Neuregelung des Wohngeldes zu berücksichtigen, was ebenfalls mehr Personal erfordert. Auch die Versorgung der steigenden Zahl der Geflüchteten stellt eine finanzielle Herausforderung dar. Hier gibt es ein Finanzierungsdefizit, das vom Bund nicht ausgeglichen wird. Diese Finanzierungslücke, speziell für die Kosten der Unterkunft, muss dann von den Kreisen übernommen werden, was wiederum die Städte und Gemeinden über die Kreisumlagen belastet.
Ich habe mir die Entwicklung der Kreisumlagen genauer angesehen: Sie lag noch vor fünf Jahren bei rund 649 Millionen Euro und ist mittlerweile auf über 825 Millionen Euro gestiegen. Das bedeutet, dass die Städte und Gemeinden nun 825 Millionen Euro an die Kreise zahlen müssen. Wenn man sich vor Augen hält, dass diese Gemeinden nach neuester Steuerschätzung in diesem Jahr nur 1,29 Milliarden Euro an eigenen Steuereinnahmen haben, könnte man prognostisch fast davon ausgehen, dass die gesamten eigenen Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden künftig kaum ausreichen werden, um diese Umlage zu decken.
Eine dieser Aufgaben ist es, die Städte und Gemeinden klimaresilienter zu machen. Wie sieht die aktuelle Situation diesbezüglich aus?
Ja, eine wesentliche Herausforderung ist der Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Hier ist der Hochwasserschutz einer der Megathemen. Aber es gibt noch viele weitere Themen, die die Kommunen jetzt vermehrt angehen müssen. Dazu gehören die Verkehrswende, die Energiewende und die Umgestaltung der Städte hin zu grüneren und barrierefreien Räumen. Wir müssen die Dorfkerne beleben, mehr sozialen Wohnungsbau schaffen und im Notfall sogar Krankenhäuser mitfinanzieren. Die Versorgung und Integration von Geflüchteten stellen ebenfalls eine enorme Herausforderung dar.
Um all diese Aufgaben zu bewältigen, benötigen wir erhebliche finanzielle Mittel. Dies gilt besonders für den Klimaschutz, wo es oft nur Teilfinanzierungen gibt und um die Mittel stets gerungen wird. Konkrete Maßnahmen im Klimaschutz, wie die Wärmewende und der Ausbau von Fernwärmenetzen, und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sind dringend notwendig. Auch der Katastrophenschutz und die Ausstattungen unserer Feuerwehren sind wichtige Themen. Was viele nicht wissen, die Kommunen im Saarland besitzen 28.000 Hektar Wald, die angesichts des Klimawandels umgebaut werden müssen, was hohe Kosten verursacht. Es gibt Programme wie das Schulbauprogramm, aus dem wir unter anderem 100 Millionen Euro für die energetische Sanierung von Schulen erhalten haben. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, aber es reicht nicht aus, um alle notwendigen Maßnahmen zu finanzieren. Es fehlen zudem umfassende Förderungen für viele weitere kommunale Gebäude und Infrastrukturen.
Auch der Personalbedarf ist eine große Herausforderung. Es ist schwer, qualifizierte Klimaschutzmanager zu finden. Die Kommunen müssen hier mit knappen Ressourcen arbeiten und um die besten Fachkräfte konkurrieren. Das ist eine riesige Aufgabe, die wir trotz begrenzter Mittel bewältigen müssen.
Der Bund hat ein Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung erlassen, aber die Umsetzung bleibt den Ländern und Gemeinden überlassen. Wie sieht es dabei im Saarland aus?
Der Bund kann die Kommunen nicht direkt verpflichten. Stattdessen verpflichtet er die Länder, sicherzustellen, dass die Städte und Gemeinden bis 2028, und in manchen Fällen auch früher bis 2026, entsprechende Wärmepläne vorlegen. Das Saarland hat bereits einen Gesetzesentwurf erarbeitet, um diese Vorgaben umzusetzen.
Ein Wärmeplan bedeutet, dass wir analysieren, welche Wärmequellen vor Ort vorhanden sind und wie wir diese effizient nutzen können. Das umfasst bestehende Fernwärmenetze, die möglicherweise ausgebaut werden können sowie die Nutzung von Abwärme. Der Plan entwickelt ein Zielbild für die Wärmeversorgung und überlegt, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Konkrete Maßnahmen werden dabei jedoch noch nicht festgelegt, da diese auf ihre Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit geprüft werden müssen.

Insbesondere im ländlichen Raum stehen wir vor Herausforderungen, da dort oft keine Industrie und somit keine Abwärmequellen vorhanden sind. Hier müssen alternative Lösungen wie Biomasse oder Nahwärmenetze geprüft werden, was ebenfalls mit finanziellen Unsicherheiten verbunden ist. Einige Kommunen haben sich bereits um Fördermittel aus dem Bundesprogramm beworben, aber auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds des Bundes und die dadurch ausgelösten aktuellen finanziellen Unsicherheiten gibt es Fragezeichen, ob diese Mittel wie geplant fließen.
Das Land hat jedoch zugesagt, die Kosten für die Erstellung der Wärmepläne selbst zu übernehmen. Viele Kommunen sind bereits aktiv, arbeiten mit externen Beratern und Stadtwerken zusammen und haben Pilotprojekte gestartet. Es gibt jedoch noch einige rechtliche und datenschutzrechtliche Fragen zu klären. Vor allem fehlt auch noch das endgültig geklärte Finanzierungsszenario, um die geplanten Maßnahmen dann auch umzusetzen.
Darüber hinaus müssen die Kommunen im Saarland auch neue Windenergieflächen ausweisen, eine zusätzliche Planungsaufgabe. Auch hier stehen wir vor der Herausforderung, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu gewinnen und die Planungen professionell zu kommunizieren.
Ein weiteres Thema ist das Recht auf Ganztagsbetreuung. Einige Kommunen im Saarland sind hier schon vorbildlich, während andere noch aufholen müssen. Wie ist der aktuelle Stand?
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung tritt ab 2026 in Kraft. Das bedeutet, dass alle Erstklässler ab diesem Jahr einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen haben werden. Bis 2029 muss das System vollständig ausgebaut sein. Aktuell gehen wir davon aus, dass etwa 80 Prozent der Kinder diesen Anspruch wahrnehmen werden. Derzeit sind wir im Saarland bei etwa 60 Prozent. Wir haben schon über 20.000 Ganztagsplätze geschaffen, aber es fehlen noch rund 5.800 Plätze, um die erwartete Nachfrage zu decken. Diese Schaffung neuer Plätze ist jedoch mit erheblichen Investitionen verbunden.
„Wir benötigen dafür 330 Millionen Euro“

Laut unseren Prognosen benötigen wir etwa 330 Millionen Euro, um die notwendigen Investitionen bis 2026 zu stemmen. Dazu kommen noch die Betriebskosten für die neuen Plätze. Das Saarland ist im Vergleich zu anderen Bundesländern im Süden Deutschlands relativ gut aufgestellt, weil wir frühzeitig das Modell der freiwilligen Ganztagsschulen eingeführt haben. Dieses Modell wird nun anerkannt, um den Rechtsanspruch zu erfüllen.
Ein Schulbauprogramm des Landes in Höhe von über 200 Millionen Euro hilft sehr, aber es ist nicht ausreichend, um den gesamten Bedarf zu decken, den wir für Investitionen in die Schulen benötigen. Neben dem Betreuungsausbau kommen ja die Maßnahmen zur energetischen Sanierung und für mehr Klassenräume hinzu. Bund und Länder haben gemeinsam beschlossen, diesen Rechtsanspruch einzuführen, aber die Finanzierung selbst leider nicht vollständig gesichert. Die Kommunen arbeiten daher oft mit Übergangslösungen wie Containern, um den Bedarf kurzfristig zu decken und versuchen darüber hinaus mit den vorhandenen Mitteln langfristige bauliche Lösungen zu schaffen.
Es ist eine unbefriedigende Situation, dass der Bund einen Rechtsanspruch schafft, ohne die Kommunen ausreichend finanziell zu unterstützen. Der Bund stellt nur 33 Millionen Euro bereit, was bei Weitem nicht ausreicht. Es gibt auch Fragen zur Deckung der Betriebskosten und zum notwendigen Personal.
Zusätzlich zur Ganztagsbetreuung in den Grundschulen gibt es auch einen steigenden Bedarf an Kinderbetreuung in Kindertageseinrichtungen. Die Elternbeiträge entfallen, und es gibt mehr Kinder aufgrund des Zuzugs. Auch hier sind Investitionen notwendig, und freie Träger, insbesondere kirchliche, ziehen sich teilweise zurück, sodass die Kommunen auch diese Aufgabe übernehmen müssen. Das führt zu einem enormen zusätzlichen Bedarf an finanziellen und personellen Ressourcen.
Ein weiteres großes Thema ist die Gesundheitsversorgung, insbesondere im Hinblick auf die Krankenhausreform. Was kommt da auf die Kommunen zu?
Bei der Krankenhausreform sehen wir schon, dass erhebliche Veränderungen und Herausforderungen auf uns zukommen. Zwar haben die Städte und Gemeinden gesetzlich keine Zuständigkeit und Finanzierungsverantwortung für die Krankenhausversorgung – Investitionen sind Ländersache und die Betriebskosten werden von den Krankenkassen getragen – doch die Reform bringt indirekte Auswirkungen mit sich.
In einigen Regionen des Landes gibt es bereits jetzt Schieflagen im Bereich der Krankenhausfinanzierung, was dazu führt, dass Landkreise einspringen müssen. Wenn die Versorgung in den Kreisen nicht mehr gewährleistet ist, sind die Landkreise verpflichtet, unterstützend einzugreifen. Dies kann wiederum mittelbar die finanzielle Belastung der Städte durch die Kreisumlagen erhöhen.

Krankenhaus-Reform hat indirekte Auswirkung
Kommunale Krankenhäuser existieren, aber es ist nicht die originäre Aufgabe der Kommunen, diese zu betreiben. Wir appellieren an die zuständigen Behörden, die Krankenhausversorgung auch im ländlichen Raum sicherzustellen. Das Land muss für deutlich mehr Investitionen sorgen, und der Bund muss die laufende Finanzierung über die Krankenkassen regeln. Es sollte nur im Notfall vorkommen, dass Kreise einspringen müssen.
Besonders im ländlichen Raum beobachten wir die Entwicklungen sehr genau und stehen in Gesprächen, um sicherzustellen, dass die Versorgung aufrechterhalten bleibt. Hierbei ist auch die Finanzierungssystematik der Krankenhauslandschaft im Saarland von Bedeutung. Wenn eine Einrichtung mit kommunalen Geldern unterstützt wird, kann dies Auswirkungen auf private Krankenhäuser haben, was ebenfalls sorgfältig betrachtet werden muss.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die sonstige ärztliche Versorgung, insbesondere die Sicherstellung der Haus- und Landarztversorgung. Es gibt wertvolle Ansätze im Saarland, wie das Programm des Landesamtes für Soziales, das Medizinstudienplätze finanziert, wenn sich die Studierenden verpflichten, später als Landärzte tätig zu sein. Diese Maßnahmen sind wichtig, aber ihre Möglichkeiten sind natürlich begrenzt.
Die Kommunen spielen eine wichtige Rolle als Gesprächspartner und Moderatoren, um den Kontakt zwischen den verschiedenen Akteuren herzustellen. Allerdings sind auch ihre Handlungsmöglichkeiten im Bereich der medizinischen Versorgung begrenzt.