Das Down-Syndrom ist so alt wie die Menschheitsgeschichte. Dennoch ist es bis heute mit Vorurteilen behaftet. Diese gilt es abzubauen – auf verschiedenste Art und Weise. Denn am Ende geht es um eins: ein erfülltes Leben mit Träumen und Rechten.
Ich habe keine Behinderung, ich habe das Down-Syndrom. Das schrieb Paul Spitzeck, Autor des Mediums „Ohrenkuss“, ein Magazin, das 1998 gegründet wurde und ausschließlich Schreiberinnen und Schreiber mit Down-Syndrom beschäftigt.
Das Down-Syndrom, auch als Trisomie 21 bekannt, ist eine genetische Besonderheit, bei der das 21. Chromosom dreimal statt der üblichen zweimal vorliegt. Die Folge: körperliche wie auch geistige Merkmale, wie die charakteristischen mandelförmigen Augen oder unterschiedlich stark ausgeprägte Lernverzögerungen. Und die Betonung liegt auf „unterschiedlich stark“. Denn dass Menschen mit Trisomie 21 auf keinen Fall unterschätzt werden sollten, zeigen mittlerweile viele Beispiele: Sei es Sofía Jirau, die als erstes Model mit Down-Syndrom für Victoria’s Secret lief, Pablo Pineda, der als erster Europäer mit Trisomie 21 einen Universitätsabschluss erhielt, oder Chris Nikic, der als erster Mensch mit der Beeinträchtigung die Ziellinie beim Ironman überquerte.
Ohne Förderung und Unterstützung hätten auch diese Menschen ihre Ziele nicht erreicht. Daher steht auch der Welt-Down-Syndrom-Tag in diesem Jahr unter dem Motto: „Improve Our Support Systems“, also „Verbessert unsere Unterstützungs-Systeme“. Der am 21. März – eine Anlehnung an das dreifache Vorkommen des 21. Chromosoms – begangene Tag dient zur Aufklärung und Sensibilisierung. Es geht darum, Vorurteile abzubauen, Inklusion zu fördern und das Bewusstsein für die Rechte von Menschen mit Down-Syndrom zu schärfen. Eine beliebte Aktion an diesem Tag ist das Tragen bunter, nicht zusammenpassender Socken. Ein Akt, der für die Vielfalt und Individualität der Menschen mit Down-Syndrom steht.
Selbstbestimmt leben
Denn trotz zunehmender inspirierender Beispiele werden Menschen mit Trisomie 21 häufig unterschätzt. In vielen Köpfen steht die Diagnose für eine schwere Behinderung, für lebenslange Pflege und Unterstützung. Für Krankheitsanfälligkeit und eine geringere Lebenserwartung. Doch die Forschung spricht eine andere Sprache. Die Lebenserwartung für Betroffene ist gestiegen, ein selbstbestimmtes Leben ist in vielen Fällen möglich. Dennoch: Durchschnittlich entscheiden sich neun von zehn Frauen und Paaren bei der Diagnose Trisomie 21 für einen Schwangerschaftsabbruch. Durch moderne Untersuchungsmethoden können Eltern bereits frühzeitig erfahren, ob ihr Kind das Down-Syndrom hat oder nicht und haben noch zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt der Schwangerschaft die Option, sich für eine Abtreibung zu entscheiden. Kritiker dieser pränatalen Diagnostik sehen darin eine Form von Diskriminierung, da die Entscheidung für einen Abbruch oft mit der falschen Annahme über die Lebensqualität der Menschen mit Trisomie 21 einhergeht. Auf der anderen Seite soll es für die Eltern um die Wahlmöglichkeit gehen, um die individuelle Lebenssituation. Wichtig ist es, die Eltern in dieser Situation nicht alleine zu lassen, betont auch der Humangenetiker Prof. Dr. Wolfram Henn vom Uniklinikum Homburg.
Allein gelassen fühlen sollen sich auch die Kinder im späteren Leben nicht – weder in privater Hinsicht, wo viele Unterstützungsangebote bis hin zu Wohnprojekten für Lebensqualität sorgen, noch in Sachen Bildung. Ein wichtiger Faktor hierbei: Inklusion. Im Saarland wurden bereits in den 1970er-Jahren die Grundlagen für inklusive Bildung gelegt, an Kitas wie auch an Schulen. Dennoch ist es noch ein weiter Weg bis zum Ziel der inklusiven Gesellschaft. Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) fordert daher mehr Handlungsmöglichkeiten, multiprofessionelle Teams und flexible Hilfen und Förderungen – nicht nur für Menschen mit Down-Syndrom, sondern für alle Menschen mit einer Beeinträchtigung. Das Hauptproblem dabei bleiben fehlende Ressourcen, sei es finanziell oder personell. Doch die Ministerin betont auch: Inklusion muss über die Bildung hinaus gedacht werden. Es sei ein „Querschnittsthema“, das ganz unterschiedliche Lebensbereiche betreffe.
Auch darum geht es am Welt-Down- Syndrom-Tag: Die Vielfalt des Lebens und den wertvollen Aspekt eines jeden in unserer Gesellschaft. Mit allen Talenten, Wünschen, Träumen und auch Rechten. Denn klar ist: Inklusion beginnt mit Akzeptanz und dem Willen, Barrieren abzubauen – sei es in der Schule, im Beruf oder im täglichen Miteinander.