Seriengründer Josef Brunner mahnt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen, das Land gemeinsam wieder auf die Erfolgsspur zu bringen. Verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und Mäßigung im Umgangston statt ständige Schuldzuweisungen und Egoismus seien wichtiger denn je.
Herr Brunner, Sie haben bereits mit 16 Jahren damit begonnen, Firmen zu gründen. Wie kam es dazu, und was machen Sie heute?
Als mein Vater seine eigene Bäckerei aufgeben musste und wir aus dem Elternhaus ausziehen mussten, war das ein prägender Moment in meinem Leben. Ich brach meine Schulausbildung ab und gründete mit Trusted Attack eine Internet-Sicherheitsfirma. Das lief so gut, dass ich die Firma zwei Jahre später verkaufte und mit dem Geld meinen Eltern ein Haus kaufen konnte. Eine sehr gute Rendite. Es folgten weitere Firmengründungen in der Tech-Szene wie JouleX oder Relayr, die mittelständischen Unternehmen ihre Produkte als Service anbieten. Inzwischen habe ich die Startups verkauft. 2024 gründete ich NutriUnited, mit dem ich die Lebensmittelindustrie nachhaltig transformieren möchte. In einer globalisierten und zunehmend unsicher gewordenen Welt wird die Sehnsucht der Menschen zum Ursprung feststellbar immer größer.
Es mag möglicherweise paradox erscheinen, aber eigentlich wollte ich nie Unternehmer werden, sondern vielmehr Physiker.
Ihre Lebensgeschichte klingt echt amerikanisch, wie vom Tellerwäscher zum Millionär. Woran liegt es, dass Sie mit Ihren Start-ups in Deutschland erfolgreich sind, welches nicht unbedingt zum Mekka der Gründerszene zählt?
Meine Devise lautet „einfach machen“, „Lebe deinen Traum“. Ich stand damals mit dem Rücken zur Wand und wusste gar nicht, was bei einer Gründung alles schiefgehen kann. Eigentlich sehr blauäugig. Zu Beginn des Internetzeitalters gab es gar nicht so viele Ratgeber wie in der heutigen Wissensgesellschaft. Das war vielleicht auch mein Glück, nicht überbordend beeinflusst oder von der Idee abgehalten zu werden. Ich habe versucht, meine inneren Ängste zu überwinden, mich auf meine Stärken zu konzentrieren und einfach mein Ding zu machen. Das war sicherlich ein großes Risiko. Aber heute weiß ich, was ich kann und was nicht. Nichts motiviert mehr als Erfolg.
Warum gibt es in Deutschland im Verhältnis gesehen so wenige Gründer?
Die Gründe dafür sind vielschichtig: Wir verfügen hierzulande an den Universitäten und Forschungsinstituten über eine sehr gute Grundlagenforschung, die mit öffentlichen Mitteln gut gefördert wird. Uns gelingt es aber nicht in dem erwünschten Maße, die erzielten Ergebnisse dieser sehr guten Forschungsgrundlage in etwas Zählbares wie Startups umzumünzen. Wir bekommen quasi die PS nicht auf die Straße. Am Ende eines Forschungsprojekts müssen wir uns weitere Fragen stellen und uns nicht mit den Antworten zufrieden geben. Die Unis verfallen dann wieder in einen Förderantragsmodus, der viel Zeit kostet und nicht die richtigen Fragen stellt.
Ein weiterer Grund ist sicherlich die risikoscheue Einstellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Forschungsprojekte. Sie machen es sich vielleicht zu bequem in der wohlbehüteten Nische der Unis. Aber ohne Risikoaffinität kann kein Unternehmen gegründet und erst recht nicht zum Laufen gebracht werden.
Es kommt erschwerend hinzu, dass aus dem universitären Umfeld kaum Eigenkapital für Unternehmensgründungen stammt, ganz im Gegensatz zu den USA, wo es eine regelrechte Kreislaufwirtschaft beim Kapital gibt. Erfolgreiche Startups reinvestieren immer wieder im universitären Umfeld in neue Ideen und Unternehmen. Das Geld fließt immer wieder in Communitys, die in den USA ein starkes Netzwerk aus Unternehmern und Universitäten ausmachen. In Deutschland erwarten wir meistens staatliche Förderung. Es ist ein Bruch in der Logik und ein kulturelles Thema.
Wie ist das zu verstehen?
Bei Startups geht es vor allem auch um die Skalierbarkeit der Produkte. Im Vergleich zwischen der EU und den Vereinigten Staaten treten die Amerikaner viel aggressiver bei der Skalierung auf. Die USA verfügen allerdings über den Vorteil eines einheitlichen Binnenmarktes, einer einheitlichen Sprache, Kultur, Rechtsprechung, um ein paar Beispiele zu nennen. In der EU gibt es das gleich 27-mal. Versuchen Sie einmal, ein neues Produkt aus Deutschland in der EU einzuführen, Sie werden sehen, auf wie viele Hindernisse Sie stoßen.
Ein weitaus größeres Problem sehe ich in Deutschland in der Gesellschaft selbst. Wenn Sie erfolgreich sind, erleben Sie die Neiddebatte. Wenn Sie scheitern, ist die Schadenfreude groß. Gerade letzteres erschwert es ungemein, gesellschaftlich wieder auf die Füße zu kommen. Finanziell betrachtet, gibt es bei einem Scheitern inzwischen durchaus Mittel und Wege, wieder nach vorne zu kommen.
Deutschland war lange Zeit wirtschaftlich erfolgreich. Die Zahlen und Fakten sprechen mittlerweile eine andere Sprache: mangelnde Produktivität, schlechte Infrastruktur, teurer Standort. Was müssen wir ändern?
Deutschland hat leider seine gute Position in der Weltwirtschaft zum Teil verloren. Die Veränderung der geopolitischen Lage ist die eine Seite. Es gibt keine günstige Energie mehr aus Russland für die deutsche Wirtschaft, und der Freihandel, der für die exportorientierte Wirtschaft unabdingbar ist, ist durch die USA massiv bedroht. Die andere Seite ist der gestiegene Wettbewerbsdruck aus Asien, denn China und Indien haben IT- und ingenieurtechnisch mächtig aufgeholt. Deutschland hat viele Jahre Nischen bedient, hohe Qualität geliefert bei einer schwierigen Kopierfähigkeit seiner Produkte. Das hat sich makroökonomisch kolossal verändert, und wir geraten zunehmend mehr ins Hintertreffen. Was uns in Deutschland fehlt, ist der „Hunger“, verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Wir haben es uns in der Nische sozusagen bequem gemacht, der Staat soll es mit viel Geld richten, und wir verschließen die Augen vor den Problemen. Diese Einstellung muss sich grundlegend ändern. Raus aus der Komfortzone, mehr Radikalität und Tempo in der Umsetzung und nicht alles mit Geld zuschütten.
Das heißt, mit Geld allein, wie es die neue Bundesregierung versucht, ist es nicht getan?
Genauso ist es. Mit Geld allein können Sie ein Unternehmen nicht zum Laufen bringen, zumal wenn es nur staatliche Subventionen sind. Es hat keine Zukunft. Der Staat ist ein schlechter Unternehmer, was sich empirisch belegen lässt. Dies wohlwissend, dürfen wir aber auch nicht verlangen, dass der Staat in der Krise dann als der heilsbringende Investor auftritt. Eine in sich nicht schlüssige Logik.
Meine Befürchtung besteht darin, dass das Geld aus den Sondervermögen – nennen Sie es Subventionen oder Schulden – versickert und nicht dort ankommt, wo es gebraucht wird. Alle Bereiche melden bereits Ansprüche an, die Gefahr der Klientelversorgung ist gegeben. Niemand fragt nach der Treffsicherheit, nach dem Wirkungsgrad des eingesetzten Geldes. Welchen Nutzen haben wir davon, wenn wir zig Millionen oder Milliarden Euro in einen gewissen Bereich stecken und ihn subventionieren?
Zugegebenermaßen bin ich kein Freund von Subventionen. Das heißt aber nicht, dass sie für bestimmte Bereiche nicht notwendig wären. Schulen, Universitäten, also Bildung, Schiene, Straßen, Wasserwege, also Verkehrsinfrastruktur, Glasfaserausbau oder auch zukunftsträchtige Bereiche wie Energie, damit meine ich Fusionstechnologie oder Wasserstoffwirtschaft, sind öffentliche Aufgaben und müssen staatlich unterstützt werden. Bei Unternehmen sehe ich Subventionen eher sehr skeptisch.
Wenn man etwas in einem Unternehmen verändern will, dann muss das von innen herauskommen. Ineffiziente Strukturen sind auf Dauer einfach nicht überlebensfähig.