Gute Leistungen wie gegen Hansa Rostock helfen Hertha BSC, akute Problemfelder zu befrieden. Sie rücken aber auch weitere Spieler ins Schaufenster für andere Vereine.

Durch den verzögerten Anpfiff wegen der Rauchschwaden aus dem Gästeblock von Hansa Rostock ließ sich Hertha BSC nicht aus dem Konzept bringen. Das „Geduldsspiel“, wie es Trainer Pal Dardai prophezeite, war aber damit praktisch schon erfüllt – denn in den 90 folgenden Minuten am Freitag vergangener Woche fiel die Partie äußerst einseitig aus. Das lag zum einen an überraschend chancenlosen Rostockern, obwohl diese im Tabellenkeller noch jeden Zähler benötigen und in der Liga zuvor mit neun Punkten aus vier Partien einen echten Aufwärtstrend gezeigt hatten. Zum anderen natürlich an den Hausherren, die von Beginn an die Initiative ergriffen und dabei eine ordentliche Chancenverwertung an den Tag legten. Besonders erfreulich aufseiten der Berliner, bei denen Stammtorwart Tjark Ernst nach einmonatigem Ausfall wegen Hüftproblemen für Marius Gersbeck zwischen die Pfosten zurückkehrte, dass zwei Spieler herausragten, die keinen einfachen Start in die Saison hatten. Doch an diesem Freitagabend glänzten Palko Dardai als zweifacher Torschütze sowie Marten Winkler als doppelter Vorbereiter. Schon in der 18. Minute schlug das Duo erstmals zu, als der älteste Sohn des Hertha-Trainers eine Flanke zur Führung einköpfen konnte – und nach einer halben Stunde bereits erhöhte Hertha BSC dann durch Fabian Reese per Handelfmeter zum 2:0. Im zweiten Durchgang agierte die Dardai-Elf dann nicht mehr so sehr im „Hurra-Stil“, behielt dabei allerdings die Kontrolle und verfiel nicht in das häufig gesehene Muster, zwei ganz verschiedene Gesichter in einem Spiel zu präsentieren. Ein toller Sololauf von Winkler aus der eigenen Hälfte bis in den gegnerischen Strafraum mit abschließender Torvorlage für Palko Dardai machte nach einer Stunde im Grunde schon einen Haken an Herthas Heimsieg. Trainer Dardai konnte dann sogar in der Schlussphase ein wenig durchwechseln, gönnte unter anderem dem Top-Duo Winkler und Palko Dardai einen vorzeitigen Abgang sowie den von der Bank gekommenen Ibrahim Maza, Bilal Hussein, Derry Scherhant oder Toni Leistner ein paar Einsatzminuten. Herthas eigentlicher Kapitän und Abwehrchef kam dabei nach einem Monat erstmals wieder zum Einsatz und erlebte sein Debüt als Einwechselspieler. Überhaupt hatte der Trainer gegenüber dem 3:2 in Paderborn neben der Torwartposition weitere Stellen in der Startelf neu besetzt: Dazu gehörten Winkler sowie Marc Kempf und Deyovaisio Zeefuik. Nur im Fall von Pascal Klemens (Ohrverletzung) hatte Dardai sich dabei zu einer Änderung gezwungen gesehen, Linus Gechter und Florian Niederlechner mussten hingegen ebenso wie Jeremy Dudziak das Spiel komplett auf der Reservebank verfolgen. Den Schlusspunkt zum 4:0-Endstand durfte dann Haris Tabkovic setzen – Maza hatte den bosnischen Nationalspieler auf die Reise geschickt und der eroberte mit Treffer Nummer 19 vorerst die alleinige Spitzenposition in der Torjägerwertung der Zweiten Liga.
Zehn Punkte aus vier Partien
Mit zehn Punkten aus den vergangenen vier Partien und 15 erzielten Toren ist der Trend bei Hertha BSC aktuell also äußerst positiv – nach den dabei zuvor kassierten sieben Gegentreffern kam durch die „Null“ gegen Rostock dazu zusätzlich Freude auf. Die jüngste Entwicklung mildert außerdem andere Themen bei Hertha BSC ab – vor allem das des vorzeitigen Abgangs von Pal Dardai auf der Pressekonferenz vor dem Spiel in Paderborn. Der Vorfall hatte einen ganzen Prozess in Gang gesetzt: Zunächst besprachen sich die Verantwortlichen intern, dann gab es ein Treffen zwischen ihnen, Pal Dardai und Redakteuren des „Kicker“. „In diesem Zuge wurde der Vorfall von letzter Woche aufgearbeitet“, erklärte Sprecherin Vera Krings dann auf der Pressekonferenz vor dem Rostock-Spiel und entschuldigte sich im Namen des Vereins gegenüber den versammelten Medienvertretern. Die zuletzt guten Resultate dürften auch die offen gestellten Fragen nach der Zukunft des Trainers zumindest vorerst leiser werden lassen. Dennoch sind Zweifel angebracht, dass die Gräben stabil zugeschüttet werden konnten und nicht beim nächsten Anlass wieder aufbrechen. Je länger der sportliche Aufwärtstrend anhält, desto größer jedoch sind die Chancen auf eine gute Entwicklung diesbezüglich. Andererseits birgt die positive Tendenz auch Gefahren für die Perspektiven des Teams: Schließlich haben sich bereits einige Spieler in den Fokus anderer Vereine gespielt und so steht ein größerer Neuaufbau des Kaders zur nächsten Saison zu befürchten. Nach dem feststehenden Abgang von Bence Dardai zum VfL Wolfsburg rückte dabei mit Bruder Marton ein weiterer Filius des Übungsleiters in den Bereich der Spekulationen – der 22-Jährige ließ jedenfalls wissen, dass er seine Entscheidung über einen Verbleib bei Hertha BSC erst nach der Europameisterschaft fällen werde. Bei der angestrebten Verlängerung mit Gechter wiederum haben beide Seiten noch keinen Zeitdruck kommuniziert, während auch ein Abgang von Kempf erneut im Bereich des Möglichen liegen soll. Angesichts einiger Talente im defensiven Bereich wie Klemens oder auch Tim Hoffmann wäre hier allerdings der Verlust nicht so gravierend – zumindest, wenn man diese Youngster auch alle halten kann.

Vor diesem Hintergrund ist wohl auch zu verstehen, dass die Neuwahl des Präsidenten erst im November 2024 über die Bühne gehen soll – und nicht bereits auf der Mitgliederversammlung im Mai. Beobachter verstehen diesen letzte Woche vom Präsidium einstimmig beschlossenen Schritt als eine Bekräftigung des „Berliner Wegs“, der so auch die Planung für die wichtige nächste Saison bestimmen wird. Fabian Drescher, der bislang die Nachfolge des verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein kommissarisch übernommen hat, wird sich dem Vernehmen nach dann auch im Herbst zur Wahl stellen. Weitere nicht zu unterschätzende Faktoren hinsichtlich der Rückkehr zu Einigkeit und vielleicht sogar Harmonie können sich dazu einstellen: Da ist zum Beispiel das Spiel beim Karlsruher SC am Sonntag zu nennen, bei dem sich die befreundeten Vereine beziehungsweise Fans stets gegenseitig feiern. Und nicht zuletzt hat sich gegen Hansa Rostock auch einer wieder im Olympiastadion blicken lassen, den wohl jeder Herthaner vermisst hat: nämlich der allseits beliebte Entertainer Frank Zander, der schon durch seine bloße Anwesenheit für versöhnliche Stimmung zu sorgen weiß.