Schulabgänger und Studierende wissen teils wenig über die Vielfalt „grüner Berufe“ und Wege in Arbeitsplätze mit ökologischen Anteilen. Das liegt auch an der Politik. Ein bundesweites Portal zur Berufsorientierung lindert das Defizit.
Seit 2018 zeigt das Webportal „Netzwerk Grüne Arbeitswelt“ vor allem jungen Menschen, wie sie beruflich beim Klimaschutz mitmischen können. Die Website führt mit ihren Landingpages Informationen und Materialien zur Berufsorientierung im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz zusammen. Junge Menschen haben hier die Chance auf erste Eindrücke und Anlaufstellen. Sie erfahren so, was sie in ganz unterschiedlichen Berufsfeldern zum Klimaschutz beitragen können und welche Bereiche es gibt.
Krischan Ostenrath koordiniert das Netzwerk der Verbundpartner Wissenschaftsladen Bonn, Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, Zeitbild-Stiftung sowie Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen. Er geht davon aus, dass weit mehr als 60 Prozent des grünen Job-Angebots in Ausbildungsberufen liege. Ostenrath plädiert auch für objektive Aufklärung, da kein Berufsfeld durch und durch grün sei und nicht Idealismus, sondern pragmatisches Zupacken verlangt würde. Es gebe Informationsdefizite. „Unser Netzwerk entstand, weil wir mehr aufklären müssen“, sagt der Koordinator, der im Verein Wissenschaftsladen Bonn beheimatet ist. „Wir sind noch ein kleiner Fisch in einer großen Lücke.“ Keines der Bundesministerien fühle sich für gebündelte Auskünfte zu grünen Berufen „so recht zuständig“. Laut Ostenrath gibt es niemanden, der da den Hut aufhat.
Haben wir genügend Fachkräfte?
Derweil appelliert der renommierte Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler im Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Markus Janser: „Politiker sollten eine ausreichende Zahl an Fachkräften immer mitdenken, wenn Klimaschutzmaßnahmen getroffen werden.“ Zu neuen Vorgaben und Zielen gehöre stets die Frage: „Haben wir genügend Fachkräfte?“ Oder auch: „Wie können wir die benötigten Kompetenzen, die sogenannten Green Skills, aufbauen?“
Nichts wäre Janser zufolge schlimmer, als wenn viele Menschen die Energiewende wollten, aber zu wenige Fachleute bereitstünden, die sie umsetzen. Wenn beispielsweise an kalten Wintertagen eine kaputte Gasheizung gegen eine Wärmepumpe ausgetauscht werden sollte, aber kein Handwerker zu finden wäre, der sie zeitnah einbaut.
Ein Problem sieht Markus Janser auch darin, dass Ziele wieder infrage gestellt werden. Der Arbeitsmarktforscher sagt: „Es wäre hilfreich, wenn es eine klarere Linie gäbe beim Transformationspfad und in der Klimaschutzpolitik, damit sich alle Akteure darauf einstellen und die Warteschleife verlassen können.“ Wenn zuverlässig bekannt sei, was als nächstes komme, könnte das einen Schub in Investitionen auslösen sowie einen Anreiz bewirken, Leute intern weiterzubilden. „Es gibt ja andere Weiterbildungstöpfe. Man braucht vielleicht kein Green-Skills-Instrument, wenn die Leitplanken stehen“, sagt Janser. Dann würden Betriebe ihre Leute automatisch mehr in Richtung „Greenness“ weiterbilden. „Eine solche Investition muss wirtschaftlich so attraktiv und notwendig sein, dass es sich lohnt, Jobs anzupassen, weil es sonst schwierig wird, Stellen zu besetzen.“
Konkrete und einleuchtende Beispiele für das, was Jobs mit Umwelt- und Klimaschutzpotenzial ausmacht, finden sich auf der Website: www.energiewende-schaffen.de. Dort gibt es beispielsweise auch Materialien, um Klimaberufe ähnlich wie derzeit Digitalisierungsberufe in den Unterricht zur Berufswelt zu bringen. Erfahrungsberichte junger Leute, die bereits in Klimawandel-Berufen arbeiten, verschaffen zusätzliche Einblicke.
Eigeninitiative ist gefragt, bei Unternehmen und bei Menschen, die einen Beruf beziehungsweise Arbeit mit Sinn suchen. Dazu hat das Netzwerk grüne Berufe pädagogisch fundierte Regeln erarbeitet. Mithilfe eines digitalen Kompasses zum Anklicken, sortiert nach Regionen, wird es für Einzelne oder auch Schulklassen leichter, ein Unternehmen, Praktikum, Schnuppermöglichkeiten oder auch Infoveranstaltungen zu grünen Berufen und Ausbildungen zu finden. Jugendliche und Studierende können dabei auf einer interaktiven Karte herumreisen und lesen, wo sie in ganz Deutschland Anlaufstellen finden, um Berufe in Bereichen wie den Erneuerbaren Energien oder der Green IT kennenzulernen und um auszuprobieren, wie sie damit zurechtkommen.
Eigeninitiative ist gefragt
Schöne Einzelprojekte gibt es in puncto Information, Weiterbildung und Förderung. Vieles ist regional und branchenspezifisch fokussiert. Siehe die ehemalige Kohleregion Lausitz. Dort gibt es Schulungen in Richtung Erneuerbare Energien, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert, beispielsweise für Elektrofachkräfte.
Mehr als 450 Beschäftigte besuchten Qualifizierungen, die vom QLEE im vergangenen Jahr angeboten wurden. Das Institut für Betriebliche Bildungsforschung (IBBF), das LEAG-Konferenzcenter und der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) bieten als Verbund QLEE gemeinsam Qualifizierungsangebote für Beschäftigte der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes für die Transformation der Lausitz an. Von der Tagesveranstaltung bis hin zur 70-stündigen Qualifizierungsreihe erstrecken sich die Themengebiete von der technischen und planerischen Qualifizierung über Projektmanagement bis hin zu Grundkursen in erneuerbaren Technologien und Soft Skills. Auch eine Zukunftsakademie Lausitz für junge Leute gehört dazu.
Zu jeder politischen Absichtserklärung zum Klimaschutz oder gar zu Gesetzesvorhaben gehören Individuen, die Veränderungen umsetzen. Die für Wärme- und Energiewende als Erfinder, Ingenieurinnen, Handwerksfachkräfte oder Finanzierungs- und Verwaltungskundige fit gemacht werden. Die zum Teil zuvor andere Berufe hatten oder grüne Abzweigungen der ursprünglich eingeschlagenen Karriereroute einschlagen und ihre Erfahrungen und Kenntnisse mitbringen. Menschen, für die Veränderung ihres Arbeitsalltags Stress bedeutet – und denen deshalb öfter deutlich gesagt werden muss, dass sie in der grünen Transformation des Arbeitsmarktes gebraucht werden. Auch von Politikern.
„Wenn Städte wie Cottbus heute ein Problem haben, dann ist es sicher nicht mehr der Arbeitsmangel, sondern der Arbeitskräftemangel. Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte, und zwar viele. Die gibt es in Deutschland, aber viele wohnen auch woanders.“ Cottbus und die Lausitz hätten Vorteile wie günstige Wohnungen, gute Kinderbetreuung, die unberührte Natur direkt vor der Haustür. Wenn gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze dazu kämen, seien das überzeugende Argumente für die Region: So weit Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede, die er im Januar hielt, als das neue Instandhaltungswerk der Deutschen Bahn – ein Baustein der ökologischen Verkehrswende – in Cottbus in Betrieb genommen wurde.
Der Weg zu grünen Berufen kann also auch in alte Kohleregionen führen. Das macht Sinn.