In der heutigen Zeit müssen sich besonders weibliche Sportlerinnen sowie Sportjournalistinnen in dem aufgeheizten Business auf teils unangebrachte, beleidigende und sexistische Bemerkungen einstellen. Beispiele dafür gibt es zuhauf.

Es ist Freitagabend am 28. März dieses Jahres. Der SC Verl empfängt den Traditionsverein Rot-Weiss Essen in der 3. Liga. Endstand dieser Partie ist 3:0 für die Gastgeber. Über dieses Spiel wurde im Nachgang viel geredet. Aber nicht über das sportliche Endergebnis. Besonders die Schiedsrichterin rückte in den Fokus. Generell ist es nichts Neues, dass sich Fans aufregen, wenn Schiedsrichter keinen guten Tag haben und die ein oder andere Fehlentscheidung treffen. So weit, so normal. Dennoch war es an diesem Freitagabend in Verl anders. Die Schiedsrichterin Fabienne Michel hatte eben einen dieser weniger guten Tage. Dass Fans aus den Emotionen heraus dazu neigen, die Spielleitung zu beleidigen, ist längst bekannt. Meistens werden Rufe wie beispielsweise „Schieber, Schieber“ in Richtung der Unparteiischen gerichtet. Bei Michel gingen die Rufe von den Fans aus Essen schnell unter die Gürtellinie. „Hure, Hure“, hieß es aus dem Block. Ein glasklarer Fall von einer nicht hinnehmbaren Beleidigung. Der Deutsche Fußball Bund (DFB) veröffentlichte nach den Vorfällen eine Stellungnahme: „Der DFB-Kontrollausschuss hat auf Grundlage der vorliegenden Aufnahmen Ermittlungen aufgenommen. Rot-Weiss Essen ist in diesem Zuge gemäß der Rechts- und Verfahrensordnung angeschrieben worden und nun zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. Gerade die Unterstützung und der Schutz der Schiedsrichterinnen ist uns sehr wichtig und hat hohe Priorität.“
Nicht hinnehmbare Beleidigung
Die Kriminologin Dr. Thaya Vester, die sich seit einiger Zeit mit der Thematik Gewalt im Fußball beschäftigt, ordnet diese Beleidigungen äußerst kritisch ein: „Schiedsrichter haben ganz generell einen schlechten Stand und werden häufig angefeindet. Bei Fabienne Michel und allen anderen Schiedsrichterinnen kommt leider eine geschlechtsspezifische Komponente dazu, die bekommen nicht nur die typischen Sprüche zu hören, sondern eben Abwertungen, weil sie Frauen sind.“ Des Weiteren sieht sie ein generelles Problem: „Das geht sogar so weit, dass dieses Narrativ ‚das gehört zum Fußball dazu‘ sogar stellenweise von den Schiedsrichterinnen oder Frauen im Fußball verinnerlicht wird. Dass man schon davon ausgeht, dass man beleidigt wird und diesen Preis zahlen muss, um am System teilnehmen zu können, ist nicht sonderlich fortschrittlich.“
Nicht nur Schiedsrichterinnen, sondern auch Sportlerinnen müssen sich einiges anhören. Zum Beispiel gibt die deutsche Ex-Nationalspielerin und aktuelle TV-Expertin Tabea Kemme einen verstörenden Satz preis, den sie bei einem Gespräch über eine Sportlerin mitbekommen hatte: „Die ist auch richtig heiß, ne? Die würde ich auch mal wegbügeln wollen.“ Almuth Schult, ehemalige Nationaltorhüterin und jetzige TV-Expertin wurde in der Vergangenheit von einem Journalisten mit einer respektlosen und unverschämten Frage konfrontiert: „Wie fühlt sich das an, wenn man als eine der wenigen in der Mannschaft einen Mann liebt und keine Frau?“ Hierauf wurde ein Vorurteil angespielt, dass die meisten Fußballerinnen lesbisch seien. Eine weitere Bundesliga-Spielerin erhob in einem Interview anonym den Vorwurf gegen einen Trainer: „Er hat immer wieder Kommentare zu dem Hintern einer Mitspielerin gemacht.“
Doch nicht nur Sportlerinnen haben es sehr schwer, respektiert zu werden. Es gibt auch etliche Sportjournalistinnen, die Probleme haben, in der journalistischen Branche Fuß zu fassen. Ein aktuelles Beispiel ist hierfür Lena Cassel. Die Sportjournalistin veröffentlichte vor Kurzem ihr Buch. In diesem geht es im Speziellen um den schwierigen Weg, sich in einer im größten Teil männerdominierten Sportjournalistenwelt durchzusetzen. „Zu laut und zu bunt“. Diesen Satz bekam Lena Cassel von ihrem früheren Sportchef zu hören. Ein großes Problem sei es seiner Ansicht nach gewesen, dass Cassel mehr strahlen würde als ihr Gesprächsgast. Nichtsdestotrotz hat die jetzt 30-Jährige es geschafft, sich einen Namen in den aktuellen Sportmedien gemacht. Sie moderiert bei DAZN oder Amazon Prime, hat einen eigenen Podcast mit dem Namen „MML Daily“.
„Kriege viele Jobs nur, weil ich die Frau bin“

Blickt man auf Cassels Auftritt in den Sportmedien, lässt sich eine gewisse Vorbildfunktion für weitere angehende Sportjournalisten ableiten. „Wenn eine Frau in einer Talkshow sitzt, die plötzlich über den abkippenden Sechser philosophieren kann, wird vielleicht irgendwann nicht nur ein Platz mit einer Frau besetzt, sondern auch ein zweiter. Ich traue mich nicht, Nein zu sagen, weil ich eine Verantwortung für andere Frauen habe“, sagt Cassel. Doch es gibt auch andere Problematiken bei diesem Thema. Beispielsweise die Jobsuche. „Ich kriege ganz viele Jobs nur, weil ich die Frau bin. Ich würde mir wünschen, dass ich sie primär bekomme, weil ich wahnsinnig kompetent bin.“ Auch dies kann man als einen Punkt an der Gesamtproblematik bezeichnen. Einige Vorfälle gibt es im sportjournalistischen Alltag bereits seit Jahren. Beispielsweise wurde Saskia Aleythe, Journalistin bei der Süddeutschen Zeitung, einmal auf Twitter (jetzt X) von einem Berater angegriffen. Die Aussage „Vielleicht kochen lernen?“ ging dabei komplett daneben. Elisabeth Schlammerl, freie Journalistin bei der FAZ, wurde einmal von dem ein oder anderen Profi nicht im optimalen Maße respektiert: „Dass der eine oder andere Spieler versucht hat zu flirten, finde ich aus seiner Sicht normal, ich fühlte mich nicht sexuell belästigt, habe aber immer klar zu verstehen gegeben, dass es vergebliche Liebesmühe ist. Der frühere Trainer von 1860 München, Werner Lorant, sagte mal zu mir: ‚Für eine Frau verstehen Sie ja recht viel von Fußball.‘ Einerseits war das aus seinem Mund ein Kompliment, auf der anderen Seite zeigte es sein Weltbild.“
Sexismus, Frauen und Sport sind also durchaus noch ein Thema. Seit es Frauen im Sport gibt, gibt es auch solche Vorfälle. Mal kommen sie in die Öffentlichkeit, manchmal bleiben sie im Verborgenen. Doch der Hauptpunkt dieser Thematik ist doch eigentlich ganz klar: Die Sportlerinnen, Sportjournalistinnen, Funktionsträgerinnen und auch alle Frauen im Allgemeinen sollen diese Beleidigungen auf keinen Fall über sich ergehen lassen. Sie sollten niemals „normalisiert“ werden. Es sollte sich auch jede Frau trauen dürfen, die Stimme gegen Beleidigungen oder Unterdrückungen aller Art zu erheben. Es ist natürlich schwer, diesen Schritt unter möglicherweise großem Druck zu vollziehen. Aber gerade in der heutigen Zeit sollten nicht die Beleidigungen zur Normalität werden, sondern das „Sich dagegen wehren“ mehr und mehr an die Tagesordnung kommt. Damit sie als das gesehen werden, was sie sind: starke Frauen.