Für viele ist der Kanton das schönste Fleckchen der Welt. Die südlichste Region der Schweiz verwöhnt die Menschen mit jährlich über 2.000 Sonnenstunden, herrlichen Weinbergen, viel Geschichte und Kultur und einer atemberaubenden Landschaft.

Schon Peter Alexander (1926 – 2011) ließ sich einst von einem Dorf im Tessin verzaubern. Der Entertainer, Schauspieler und Sänger wohnte in Morcote mit seiner charmanten Architektur und seinen traditionellen Arkaden. Die glücklichsten Jahre seines Lebens habe er in dem kleinen Ort am Luganersee verbracht, sagte er mal. Wer sich Morcote und viele andere schöne Flecken anschauen möchte, profitiert von den Gästekarten, die Hotels im Tessin ausgeben und die von Ticino Turismo, dem ortsansässigen Tourismusverband, gesponsert werden. Urlauber können damit rund um die Uhr alle öffentlichen Transportmittel des bezaubernden Kantons benutzen.
An die Produkte von Bally, Schuhe, Jacken, Pullover, Hosen, erinnert sich wahrscheinlich noch so mancher. Klassische Linien in edlem Design. Die ästhetischen Trends bekommen mit der hauseigenen Bally Foundation ein neues Gesicht. In Lugano im Tessin arbeitet die Stiftung mit kreativen und visionären Künstlern zusammen, um Forschung und innovative Ideen über den Bereich der Mode hinaus voranzubringen. Sie setzt auf Themen wie Kunst und Kultur, Nachhaltigkeit und Digitalisierung und orientiert sich dabei am Zeitgeist. „Durch Ausstellungen, Künstlerresidenzen und eine Reihe von Veranstaltungen geben wir diesen Schwerpunkten Raum. Mit speziellen Forschungsprojekten wollen wir Bereiche der neuen Technologien in Bezug auf Kunst und Kreativität erforschen“, sagt Vittoria Matarrese, Direktorin der Stiftung in der Villa Heleneum direkt am Luganersee. Stellvertreterin Caterina Donati freut sich über die wachsende Anzahl der Besucherinnen und Besucher. „Letztes Jahr fanden rund 8.000 Gäste den Weg zu uns, dieses Jahr rechnen wir mit 10.000.“
Stiftung für Kunst und Kultur

In Bellinzona, nach Lugano die zweitgrößte Stadt des Kantons, ist der Besuch der Villa dei Cedri ein Muss. Auch hier geht es um Innovation und Verantwortung der Natur gegenüber. Das Museum ist in einem Gebäude von 1920 untergebracht. „Wir präsentieren mit unseren Ausstellungen die Kunst des Tessins, der Lombardei und der Schweiz ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, erklärt Direktorin Carole Haensler. Die gebürtige Elsässerin ist zugleich auch Präsidentin des Verbandes der Schweizer Museen. „In der Regel haben wir hier zwei bis drei Ausstellungen jährlich.“
Gästeführerin Claudia Maspoli-Blatter wartet vor dem Museum. Ein Besuch der prächtigen Burg von Bellinzona, der Fortezza, darf auch nicht fehlen. Von oben hat man eine wundervolle Aussicht auf die Umgebung und erfährt, dass die Festung von Mailänder Herzögen erbaut wurde und sich ihre volle Pracht im 15. Jahrhundert entfaltete. Bis zu 2.500 Soldaten konnten hier beherbergt werden. Sie schützten das Herzogtum Mailand immer wieder vor den Angriffen der Eidgenossen. Maspoli-Blatter weist auf die Bedeutung der Burg für die Region hin: „Im Jahr 2000 hat die Unesco die Festung zum Weltkulturerbe ernannt.“ Letztendlich sei die Anlage mit den drei Burgen, der Stadt- sowie einer Verteidigungsmauer, die das gesamte Tal gegen Norden absperrte, ein strategisch wichtiger Ort für die Überquerung der Alpen gewesen. „Sie ist das einzige Beispiel mittelalterlicher Militärarchitektur dieser Art in Europa“, ergänzt Maspoli-Blatter.

So viel Kultur macht durstig. Zur Kunst des Reisens gehört auch, die besten Weine des Tessins zu genießen. Die Fahrt geht zurück nach Morcote und dann hoch hinauf zur Traumaussicht über den Luganersee. Genau hier, an diesem paradiesischen Fleckchen Erde, liegt das Weingut Castello di Morcote von Gaby Gianini. „Bereits als ich 2008 das Weingut übernommen habe, war mir klar, dass ich auf Bioanbau umstellen will“, begründet sie ihre Entscheidung, heute einen der außergewöhnlichsten Weine des Tessins zu produzieren. „Seit drei Jahren produzieren wir biodynamisch.“ Der Gedanke dahinter sei der ganzheitliche Umgang mit Erde und Pflanzen und die tägliche Entscheidung zum Wohle des Rebberges. Wie mutig Gaby Gianini war, zeigt ihre Familiengeschichte: Großvater Massimo hatte das Weingut Anfang des 20. Jahrhunderts gekauft. Zusätzlich betrieb er Landwirtschaft. Gianinis Vater jedoch konnte sich ein Leben als Winzer nicht vorstellen und verpachtete den Weinberg.
Besuch in einem Weingut

Als junge Frau hatte sich auch Gaby Gianini nicht für Weinbau interessiert, zog das Leben in Mailand und Lausanne dem in der Natur vor. Schließlich erfuhr sie, dass ihr Vater das heimische Gut verkaufen wollte, und reagierte schockiert: „Ich hatte immer eine Verbindung zu diesem magischen Ort. Ihn wegzugeben, kam für mich nicht infrage.“ Aus dieser schicksalhaften Konstellation und gegen den Willen ihrer Familie entstand allmählich eines der schönsten Weingüter im Tessin. Der frühere Kuhstall beherbergt heute die Barrique-Fässer, auf denen genau vermerkt ist, woher das Holz stammt. Daneben stehen mannshohe Ton-Amphoren. „Darin lagert unser Chardonnay. Wir wollen fruchtige, frische Weine keltern, nicht schwere und holzige. Wir wollen Eleganz.“
Die findet sich auch im modernen Degustationsraum mit der passenden Sitzgruppe vor dem offenen Kamin. Wandert der Blick vom Feuer zum Fenster, breitet sich 500 Höhenmeter weiter unten der Luganersee aus. Önologin Benedetta Molteni ist seit der vierten Ernte mit im Team und hat bereits Erfahrung auf angesehenen Weingütern gesammelt. Die Gäste erleben Weingenuss pur und haben die Wahl zwischen klangvollen Namen wie Castello di Morcote Bianco, Riserva, Fuoco, Bianca Maria, Chardonnay Amphora, Favola, Il Moro oder Rubino. Wer möchte, kann auch den hauseigenen Grappa probieren. „Mein Vater war schon immer von Weinen begeistert. Die übrige Familie jedoch nicht“, sagt Molteni zwischen den Weinproben. „Ich wollte entweder Landwirtschaft oder Weinbau studieren. Letztendlich inspirierte mich mein Vater zu Letzterem.“
Herstellung von Zincarlin-Käse

Zum Weingut, das jährlich nicht mehr als 50.000 bis 60.000 Flaschen produziert, gehören auch noch ein paar Esel und die idyllische Burgruine Castello di Morcote. Gerade im Sommer sei sie die perfekte Party-Location oder ideal für Hochzeiten. Verlässt man das Weingut zu Fuß, erreicht man nach gut zehn Minuten das hauseigene Boutique-Hotel „Relais Castello di Morcote“. Managerin Maria Martha Iacachury zeigt die unterschiedlichen, mit viel Liebe zum Detail eingerichteten Zimmer. „Der perfekte Ort, um zu relaxen. Hier ist es viel ruhiger als im unteren Teil des Dorfes, und die Aussicht auf den Luganersee bezaubert.“ Die gebürtige Argentinierin zeigt auf die feudale Badewanne mitten in der Suite im obersten Stock, von der aus sich See und gegenüberliegende Berghänge bewundern lassen. „Für das perfekte romantische Wochenende!“, lächelt sie.
Schon mal was von Zincarlin-Käse gehört? Der pikante Rohmilchkäse wurde im 19. Jahrhundert in fast jeder Familie im nahen Muggiotal produziert. Fast wäre dieses kulinarische Erbe für immer verschwunden, hätte es nicht Frauen wie Marialuce Valtulini gegeben. Die 74-Jährige hat das Rezept von ihrer Mutter übernommen. Dazu gehört, die pyramidenförmigen Laibe täglich mit Weißwein abzuwaschen. Mittlerweile hat sich der Zincarlin zu einem Slow-Food-Preisträger entwickelt. Der Abstecher nach Salorino lohnt sich, denn nur hier können Interessierte den Reifeprozess in jahrhundertealten, natürlichen Felsenkellern erleben.
Rita Laudato aus Chiasso hat eine Nachtschicht hinter sich. Ab 1 Uhr morgens bereitet die Käserin mehrere Hundert Liter Milch auf, die nachts aus der Molkerei geliefert werden. Sie produziert rund 15 eigene Käsesorten und auch Mousse, Joghurt und andere Leckereien laktosefrei und ohne Ei. Oft arbeitet sie von kurz nach Mitternacht bis 20 Uhr abends, um alles zu schaffen. Die Käserei ist ihr Herzenswunsch, erst im Alter von 45 Jahren hat sie mit der Ausbildung begonnen. Vorher hat sie als Buchhalterin, Goldschmiedin und Anstreicherin gearbeitet. Jetzt hat die 57-jährige Schweizerin ihre Erfüllung gefunden.