Das Saarland diskutiert über den Transformationsfonds – auch der Mittelstand, der ebenfalls davon profitieren soll. Die Unternehmen sehen jedoch Risiken und fühlen sich über die Transformation nicht gut informiert.
Grüner Stahl, grüner Wasserstoff, grünes Licht zur Unterstützung der großen Industrieansiedlungen: Das Geld aus dem für das Saarland so wichtigen Transformationsfonds kann an die Unternehmen fließen. Eine entscheidende Grundlage für investive Maßnahmen in fordernden Zeiten, um der Dekarbonisierung und Digitalisierung auf die Sprünge zu helfen und dem demografischen Wandel und der drohenden Deglobalisierung etwas entgegenzusetzen. Doch wo sieht sich der Mittelstand als das so viel gepriesene Rückgrat der deutschen Wirtschaft sowie die von der Politik so gebetsmühlenartig geforderte Start-up-Szene in diesem Fonds wieder? Wo und wie können die kleinen und mittleren Unternehmen im Saarland vom Transformationsfonds profitieren?
Antworten darauf gab der saarländische Finanzminister Jakob von Weizsäcker in einer Diskussionsrunde mit Unternehmensleitern aus dem Mittelstand, der Start-up-Szene und der Wissenschaft. Von Weizsäcker war Gast bei der Auftaktveranstaltung des Wirtschaftsnetzwerks „Win Saar“ Mitte Januar in der VIP-Lounge des Ludwigparkstadions in Saarbrücken mit weit über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Finanzminister optimistisch
Der Finanzminister dämpfte von vornherein die Erwartungshaltung, dass der Staat für alles und jedes finanziell einspringen könne. „Auch die Privatwirtschaft ist gefordert, insbesondere bei Innovationen selbst aktiv zu werden.“ Die Palette sei lang, angefangen bei neuen Geschäftsmodellen und Kooperationen über neue Produkte und Märkte bis hin zur Kreislaufwirtschaft, an kreativen Lösungen des innovationsfreudigen Mittelstands fehle es schließlich nicht, gab sich von Weizsäcker optimistisch. „Wir werden durch die Transformation nicht nur klimaneutral sein, sondern auch wirtschaftlich stärker aus ihr hervorgehen.“ Bei den drei großen Bereichen Industriepolitik, Infrastruktur und Innovationen warb er um Verständnis, dass zwar ein Großteil des drei Milliarden Euro schweren Fonds für zukunftsträchtige Industrieansiedlungen und die dringend benötige Wasserstoff-Infrastruktur benötigt würde, aber gut 200 Millionen Euro sollen für den Mittelstand fließen. Zudem profitieren kleine und mittlere Unternehmen in Summe von der Modernisierung und Stärkung des Wirtschaftsstandorts Saarland.
Doch von Weizsäcker zeigte sich selbstkritisch genug, dass auch Land und Kommunen stärker gefordert seien, die Digitalisierung zum Beispiel durch bundesweit koordinierte, einheitliche Software-Projekte in den Finanzämtern zu beschleunigen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Bearbeitung von Steuererklärungen selbst für die Körperschaftssteuer wäre ein dringend benötigter Beitrag zum Fachkräftemangel, verändere aber auch das Anforderungsprofil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und da sei die derzeitige Besoldungsstruktur ein gewaltiger Hemmschuh. „Wir können zurzeit nicht marktgerecht bezahlen mit Verweis auf die vielen unbesetzten IT-Stellen im Öffentlichen Dienst. Da ist dringender Handlungsbedarf gegeben.“
Heiko Sonnekalb ist Geschäftsführer der Dr. Arnold Schäfer GmbH in Saarlouis, zu der unter anderem die Bartz-Gusswerke und der Rollladenhersteller Lakal gehören, also ein klassischer Mittelständler mit 500 Mitarbeitern und 120 Millionen Euro Jahresumsatz. Sonnekalb kennt die Risiken des Strukturwandels. „Bisher war der Wandel kunden- und marktgetrieben, heute ist er politikgetrieben und das birgt ein großes Unsicherheitspotenzial. Das ist Gift für Unternehmen. Teure Energie, steigende CO2-Bepreisung und keine entsprechende Infrastruktur belasten uns zunehmend mehr. Die Angst als Traditionsunternehmen hinten runterzufallen ist bei mangelnder Unterstützung groß.“
Christine Simon, Geschäftsführerin der Walor Stahlbau und Montage in Saarbrücken, sieht zwar den „grünen“, also mithilfe von grünem Wasserstoff produzierten Stahl als Chance für das Saarland, sieht aber ihr Unternehmen von der Politik nicht abgeholt. Zu abstrakt sei der Fonds und ihre Belegschaft könne mit dem Begriff „grüner Stahl“ wenig anfangen. Sie warnt bereits vor einem Ausschütten der bereitgestellten Gelder in Gießkannenform. „Das bringt nichts, wenn es nicht zielgerichtet ist.“ Mehr Investitionen in die Digitalisierung des Staates verlangt Esther Jacob, Geschäftsführerin des Bildungsdienstleisters Sikos in Neunkirchen und Sprecherin der jungen Unternehmen im Saarland. Ihr Unternehmen gehört mit zu den ersten Dienstleistern im Land, die Künstliche Intelligenz im Bildungsbereich einsetzen. In Zukunftsbereichen seien Investitionen vielfach besser aufgehoben als allein 180 Millionen Euro in Personal zu stecken.
Geschäftsführerin und Mitgründerin Carolin Ackermann vom Start-up Seawater Cubes in Saarbrücken sieht Handlungsbedarf beim Land, vor allem wenn es um die Geschwindigkeit bei Entscheidungen geht. Immerhin sieht der Fonds 250 Millionen Euro für die Start-up-Wirtschaft, Forschung und Transferstellen im Saarland vor. Ein Positionspapier des Start-up-Verbands Saarland, wofür die Gelder sinnvoll und effizient verwendet werden können, liege dem Ministerium für Digitales vor, so Ackermann. „Vielleicht geht es jetzt schnell voran und wir dürfen uns in Kürze über Mittelzuwendungen freuen.“ Gelder, die auch der Universität und Forschungsinstituten zugutekommen könnten. Prof. Dr. Frank Mücklich, leitender Materialforscher an der Universität des Saarlandes, rückte den Gedanken der Kreislaufwirtschaft in den Mittelpunkt. Die Entwicklung kreislauffähiger Prozesse würde angesichts knapper Ressourcen und großer internationaler Abhängigkeiten enorm an Bedeutung gewinnen, für ihn ein wichtiger Beitrag, um aus dem Krisenmodus zu kommen.
Unternehmen skeptisch
Mehr Verständnis für die Belange des Klein- und Mittelstands, mehr Tempo bei der Digitalisierung der Ämter, zielgerichtete Unterstützung und Transparenz, schnellere Genehmigungsverfahren und weniger Bürokratie – so die wesentlichen aber altbekannten Forderungen der Wirtschaftsvertreter an den Finanzminister, der zwar Abhilfe versprach, aber auch auf den Knackpunkt des Fonds, der Jährigkeit, verwies. „Wir müssen die investiven Ausgaben so hinbekommen, dass wir nicht ständig in Konflikt mit der Verfassung geraten. Das gilt für Deutschland und das Saarland gleichermaßen. Es geht um die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit des Landes.“ Investive Maßnahmen über einen längeren Zeitraum gegen die Krise könnten nicht jedes Jahr unter Parlamentsvorbehalt getroffen werden, das entspreche nicht der wirtschaftlichen Realität. Er verwies dabei auf die in den Fonds eingezogene Obergrenze von bis zu zwei Prozent, sprich 60 Millionen Euro, um Gelder bereitzustellen, wenn beispielsweise die Genehmigung eines Förderantrags noch nicht vorliege. Von Weizsäcker geht allerdings davon aus, dass in nächster Zeit viele Anträge eingehen und das bei immer weniger Personal.
Der Finanzminister betonte zudem, dass neben dem Transformationsfonds auch Gelder aus dem Kernhaushalt zur Förderung von Ansiedlungen, der Infrastruktur und der energetischen Sanierung bereitgestellt würden. Es wäre im Endeffekt sogar teurer, wenn die Sanierung öffentlicher Gebäude immer weiter zurückgestellt würde. Und auch der Neubau des Cybersicherheits-Forschungszentrums Cispa in St. Ingbert in dreistelliger Millionenhöhe sei ein gutes Geschäft für das Land, denn der Bund übernehme 90 Prozent der Kosten.
Den Vorwurf, Land und Kommunen würden bei der Transformation nicht immer an einem Strang ziehen, wollte der Finanzminister aber so nicht stehen lassen. „Es geht nicht so sehr um die Frage des ob, sondern um die Frage, wie unterstützt werden kann.“ Das sei in einer Demokratie mit Verweis auf die Opposition durchaus legitim. Es gehe schließlich um das gemeinsame Interesse, das Land zukunftsfähig zu machen.