Der 1. FC Saarbrücken belohnt sich nicht für eine starke Auswärtsleistung und gibt den sicher geglaubten Sieg bei Dynamo Dresden in letzter Sekunde aus der Hand.
Wer die Bilder unmittelbar nach Schlusspfiff sah, hätte meinen können, der 1. FC Saarbrücken hätte in Dresden eine sportliche Hinrichtung erlebt. Wie vom Blitz getroffen sanken die meisten Spieler nach dem Schlusspfiff zu Boden, vor der Bank stand das Funktionsteam und schüttelte ungläubig den Kopf. „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir ein richtig gutes Auswärtsspiel gemacht haben“, wird Trainer Rüdiger Ziehl eine halbe Stunde später sagen, nachdem der erste Frust verflogen ist.
Bei den heimstarken Dresdnern, die vor heimischem Publikum noch kein Spiel verloren haben, sah der FCS bis zur zweiten Minute der Nachspielzeit wie der sichere Sieger aus. Doch den letzten Dresdner Standard konnten die Blau-Schwarzen nicht mehr verteidigen. „Wir haben alles reingehauen, aber in der einen Situation haben wir vielleicht zu früh abgeschaltet“, sagte Kai Brünker, der sein Team nach gut einer Stunde in Führung gebracht hatte. So konnte der eingewechselte Innenverteidiger David Kubatta aus einem Meter Entfernung doch noch für den Dresdner Ausgleich sorgen. Zuvor hatten die Saarländer zwei Kopfballduelle verloren. „Man kann gegen einen solchen Gegner nicht immer alles verteidigen. Der Gegner hat viel Körperlichkeit auf den Platz gebracht“, sagte Ziehl, der aber auch mit Lob nicht sparte: „Mit der Art und Weise, wie wir aufgetreten sind, vor allem auch fußballerisch, bin ich sehr zufrieden. Wir hätten schon in der ersten Halbzeit führen müssen. Wir holen das in der zweiten Halbzeit nach mit einem schön rausgespielten Tor. Wir haben danach lange Zeit gut verteidigt. Aber wir können auf der Leistung aufbauen. Das muss der Weg sein, um darauf aufzubauen“, sagte Ziehl, gestand aber ein: „Es fühlt sich schon an wie eine Niederlage.“
Doch die Art und Weise, wie sich die Saarländer im „Elbflorenz“ präsentierten, war beeindruckend. „Wir waren einfach die bessere Mannschaft heute. Wir hätten zur Halbzeit deutlich führen müssen. Das müssen wir uns ankreiden“, sagte Angreifer Julian Günther-Schmidt, der durch die Verletzung von Amine Naifi und die Freistellung von Kasim Rabihic (familiäre Gründe) in die Startelf rückte: „Wir haben wenig zugelassen, eigentlich über 90 Minuten gut verteidigt. Einen ruhenden Ball kannst du immer mal kassieren, gerade bei einer Mannschaft wie Dresden. Aber auf der Leistung können wir aufbauen. Wir haben ein super Fußballspiel gemacht.“
Die Einschätzung gilt auch für den Pforzheimer selbst, der seit gefühlt einem Jahr seiner Form hinterherläuft. Viele hatten „Günni“ schon abgeschrieben. In Dresden meldete er sich eindrucksvoll zurück. „Ich glaube, ich habe gezeigt, dass ich einen Platz in der Mannschaft haben will. In der ersten Halbzeit muss ich natürlich ein Tor machen. Aber bei mir gilt es für das gesamte Team. Auf dieser Leistung kann ich aufbauen“, sagte der 30-Jährige, der einräumte: „Man hat in der einen oder anderen Situation gemerkt, dass mir die Spielpraxis gefehlt hat. Am Ende war der Akku leer und ich musste daher raus.“
Stürmer im Winter auf dem Wunschzettel
Die Leistung der Blau-Schwarzen war so beeindruckend, weil die personelle Situation durchaus angespannt war. Erstmals blieb ein Kaderplatz frei, insgesamt fehlten Ziehl sieben Akteure. In Dresden mussten dann auch noch Philip Fahrner und Simon Stehle angeschlagen vom Feld. Günther-Schmidt, Richard Neudecker und Elijah Krahn, die anschließend gingen, standen schon seit Wochen nicht mehr über 90 Minuten auf dem Platz. Vor allem in der Offensive darf in den verbleibenden vier Spielen bis zur Winterpause nichts mehr passieren. Amine Naifi wird bis zum Saisonende ausfallen, Patrick Schmidt in diesem Jahr ebenfalls kein Spiel mehr machen. „Wir schauen uns um“, sagte Ziehl, der schon vor Wochen bei einem Spiel des 1. FC Kaiserslautern zu Gast war, auch um die Möglichkeit einer Ausleihe des letztjährigen Drittliga-Torjägers Jannik Mause auszuloten: „Ein hochinteressanter Mann für jeden Verein“, sagt Ziehl dazu, schränkte aber ein: „Aber es ist nichts, was sehr realistisch erscheint.“
Der Coach hatte im Sommer stets betont, bis zum Ende der Transferperiode nach einem weiteren Stürmer Ausschau zu halten. Stattdessen kam kurz vor Toresschluss das italienische Talent Jacopo Sardo, der bisher nur im Landespokal auf dem Feld stand. „Nein“, sagt Ziehl eindeutig auf die Frage, ob der Mittelfeldakteur eine Rolle auf einer vorderen Position spielen könnte: „Er ist ein Zentrums-Akteur, der auf seiner Position sehr viel Konkurrenz hat. Sein Problem ist, dass er noch immer fast kein Wort Deutsch spricht. Letztlich gilt für ihn, wie für alle anderen auch: Wer gut trainiert, wird auch spielen.“ Am Sonntag kommt Rot-Weiss Essen in den Ludwigspark. Manch einer hatte das Team von der Hafenstraße als Aufstiegskandidat auf der Rechnung. Doch derzeit dümpelt das Spiel in der hinteren Tabellenhälfte. „Vom Kader her ist es eine gute Mannschaft. Man sollte nicht glauben, dass es ein Selbstgänger wird“, kündigte Ziehl an.