E-Mobilität hat in Deutschland noch immer einen schweren Stand. Sie ist nach wie vor geprägt von Vorurteilen einerseits und einer starken Verbrenner-Lobby andererseits. Doch gibt es wirklich eine realistische Alternative?
Das Auto ist bekanntermaßen des Deutschen liebstes Kind. Nicht selten gönnen viele Autoliebhaber ihrem Fahrzeug nur das Beste vom Besten, egal was es kostet. Viele sparen eher beim Lebensmitteleinkauf als beim hochwertigen Motoröl. Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland laut dem Internetportal „Statista“ 257 Millionen Euro mit Autopflegemitteln umgesetzt. In Deutschland gibt es zudem noch immer kein generelles Tempolimit – ein Alleinstellungsmerkmal in der Welt, wie die Fachzeitung „Auto Motor und Sport“ recherchiert hat. Zwar gibt es einige wenige weitere Länder, in denen es ebenfalls kein generelles Tempolimit gibt, doch dort sorgen die Beschaffenheit der Straßen und der gesamten In-frastruktur von ganz alleine dafür, dass man nicht allzu schnell fahren kann. „Freie Fahrt für freie Bürger“ lautete in den 70er-Jahren ein Slogan des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC), der bis heute in vielen Köpfen fest verankert ist.
Diese Liebe der Deutschen zum Auto gilt aber in erster Linie dem guten alten Verbrenner. Emotionen weckt ein Auto bei vielen nur, wenn der Motor richtig röhrt, grollt und grummelt. Nach Angaben einer aktuellen McKinsey-Umfrage vom vergangenen Monat erwägen zwar 30 Prozent der Deutschen den Kauf eines batterieelektrischen Fahrzeugs und damit sieben Prozentpunkte mehr als noch ein Jahr zuvor. Dennoch soll für 52 Prozent der potenziellen Käufer auch der nächste fahrbare Untersatz einer mit Verbrennermotor sein.
Norwegen ist klarer Vorreiter
Ganz anders sieht das bei unseren skandinavischen Nachbarn aus. Die Nordlichter – allen voran die Norweger – setzen in puncto Elektromobilität Standards. Im vergangenen Jahr waren in Norwegen fast neun von zehn neu zugelassenen Fahrzeugen (89 Prozent) rein elektrisch. 114.400 von 128.691 Neuzulassungen waren reine E-Autos. Bereits in diesem Jahr sollen nur noch E-Autos zugelassen werden. In Dänemark waren mehr als die Hälfte der Neuzulassungen reine E-Autos, und auch in Schweden (34 Prozent) und Finnland (29 Prozent) sind es deutlich mehr als bei uns.
Doch warum ist der Anteil gerade in Norwegen so exorbitant hoch? Ein Land, dessen Durchschnittstemperatur bei 6,1 Grad liegt − wo jeder weiß, dass E-Autos im Winter doch eine deutlich geringere Reichweite haben. Viele Norweger sehen das E-Auto sogar im Vorteil, da fast alle E-Autos mit einer Wärmepumpe ausgestattet sind. Man steigt also schon vor Abfahrt in ein warmes Auto, das gleichzeitig den Schnee darauf schmelzen lässt. Zudem ist Allradantrieb bei vielen E-Autos Standard und Winterreifen sind in diesen Gefilden ohnehin Pflicht. Gleichzeitig wurde der Ausbau der Ladeinfrastruktur vorangetrieben, sodass es genügend Lademöglichkeiten gibt.
Langfristige Konzeption fehlt
Auch wenn wir von unseren nordischen Nachbarn lernen können, so ist das Modell Norwegen tatsächlich nicht eins zu eins auf Deutschland umsetzbar. Wer sich in Norwegen ein Auto kaufen möchte, muss zwangsläufig auf ein ausländisches Modell zurückgreifen, denn Norwegen hat keine eigene Automobil-Industrie. Beim Autokauf werden entsprechend bis zu 30 Prozent Steuern fällig. Während die deutsche Bundesregierung Rücksicht auf die eigene Automobil-Industrie nehmen muss, die noch immer als der Motor der deutschen Wirtschaft gilt, kann die norwegische Regierung frei agieren. Und diesen Gestaltungsspielraum nutzt sie kräftig. Zum einen wurden E-Autos in den vergangenen Jahren zeitweise ganz von Steuern befreit, Verbrenner dafür stärker besteuert. Das führte dazu, dass etwa ein bei uns teurer Tesla preislich vergleichbar wurde mit einem herkömmlichen VW Golf. Zudem wurden E-Autos in Norwegen lange Zeit von Maut-Gebühren befreit, durften kostenlos Fähren benutzen, gratis parken und auch die Busspuren im Berufsverkehr nutzen. Das alles hat die Nachfrage nach E-Autos bei den Norwegern natürlich massiv angeregt. Hinzu kommt, dass vor allem asiatische Autobauer – allen voran chinesische – Norwegen als Testmarkt für ihre Modelle und vor allem als Tor zum europäischen Markt entdeckt haben und dort entsprechend stark vertreten sind.
Und Deutschland? Bekanntermaßen hatte die Ampel-Regierung nach dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt von einem Tag auf den anderen das Förderprogramm für E-Autos beendet, weil plötzlich ein 60-Milliarden-Euro-Loch gestopft werden musste – und damit dem Projekt Verkehrswende den Strom abgestellt. In der Folge brachen die Absatzzahlen für E-Autos massiv ein, weil E-Autos in der Anschaffung noch immer deutlich teurer sind als Verbrenner. Vielfach außer Acht gelassen wird dabei allerdings, dass sich die Kostenunterschiede über die Nutzungsdauer amortisieren, da E-Autos deutlich seltener gewartet werden müssen und weniger anfällig für Reparaturen sind. Wer zudem zu Hause laden kann, spart jede Menge „Sprit“-Kosten. Zudem sind E-Autos weiterhin steuerbefreit.
Die neue Bundesregierung spricht sich in ihrem Koalitionsvertrag für den Ausbau der E-Mobilität in Deutschland aus, bleibt aber abgesehen von der Erhöhung des Freibetrags für elektrische Dienstfahrzeuge eher vage. Hier könnte Deutschland ganz konkret von Norwegen lernen. Statt eines klaren Bekenntnisses zur Verkehrswende und damit zu einem verlässlichen, langfristigen Plan mit eindeutigen Rahmenbedingungen für die kriselnde Automobil-Industrie, spricht die deutsche Regierung weiter von Technologie-Offenheit – und bremst damit eine echte Verkehrswende aus. Fossile Kraftstoffe sind endlich, synthetisch hergestellte E-Fuels sind für den Massenmarkt realistisch gesehen schlicht unbezahlbar, weil zu aufwendig in der Herstellung. Doch ohne klaren und verlässlichen Plan läuft die deutsche Autobranche Gefahr, ganz den Anschluss an die internationale Konkurrenz zu verlieren.
Dabei ist – Stand heute – klar, dass die geplante und bewusst gewollte CO2-Preissteigerung fossile Treibstoffe immer teurer werden lässt. Zum 1. Januar 2027 beginnt der freie Emissionshandel ETS II. Dann bestimmt nicht mehr die bundesdeutsche Politik den Preis für jede ausgestoßene Tonne CO2, sondern der freie Markt. Steigt der CO2-Preis, werden auch Benzin und Diesel entsprechend teurer. Lag der Preis pro Tonne im Sommer 2023 noch bei 30 Euro, sind es aktuell 55 Euro. Zum Start des freien Handels 2027 rechnen Experten mit einem Startpreis von 73 Euro pro Tonne. Darauf zu hoffen, dass der Preis fällt, ist kein Zukunftsplan. So kann der Traum von der freien Fahrt für freie Bürger sehr schnell ein unbezahlbarer werden.