Emmanuel Macron hat in den letzten Jahren seiner Präsidentschaft noch einiges vor. Frankreichs ökologischer Umbauplan kommt mit Zuckerbrot statt Peitsche. Der französische Staatschef will Anreize schaffen – und gibt dafür Milliarden aus.
Während der britische Premier den Fuß vom Gas des ökologischen Umbaus von Großbritannien nimmt und Deutschland über die genaue Ausgestaltung und Zumutungen streitet, implementiert nun auch Frankreich seine grüne Strategie. So soll bis 2030 der CO2-Ausstoß gemäß den Zielen der EU um 55 Prozent gesenkt werden. Emmanuel Macrons „planification écologique“ soll den europäischen Partnern zeigen, dass das Ziel auch ohne eine kostenintensive Bürde für den Steuerzahler erreichbar ist.
Als Teil eines großen Klimaschutzplans will das Land nun beispielsweise E-Autos für breite Schichten der Bevölkerung erschwinglich machen. Wie der Präsident ankündigte, soll es für Menschen mit geringerem Einkommen ab kommendem Jahr ein Leasing von E-Automodellen ab 100 Euro pro Monat geben. Das Angebot soll sich auf in Europa produzierte Fahrzeuge beschränken. Die genauen Modalitäten werden demnach noch ausgearbeitet. Wie Macron sagte, solle die Zahl der in Frankreich produzierten E-Autos bis 2027 auf eine Million Fahrzeuge jährlich steigen. Das Paket soll auch die französische Automobilindustrie fördern. Renault und Stellantis produzieren seit Jahren immer weniger Autos in Frankreich.
Klimaschutz ohne Lasten
Um den Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel zu fördern, wolle Frankreich außerdem in 13 Ballungsräumen Schnellbahn-Netze einrichten, kündigte Macron an. In der Grenzstadt Straßburg ist so ein regionales Schnellbahnnetz kürzlich an den Start gegangen. Dafür plant der Staat mit Investitionen von 700 Millionen Euro. Und wie Deutschland will auch Frankreich beim Heizen auf Wärmepumpen umstellen – weg von Gasthermen und Nachtspeicherheizungen. Ein Drittel der Franzosen heizt noch mit Strom, denn der war bei einer Zahl von 56 Atomkraftwerken im Land besonders billig. Bis 2027 sollten in Frankreich jährlich jedoch nun eine Million Wärmepumpen produziert und 30.000 Monteure ausgebildet werden, so der Präsident.
Die Maßnahmen sind Bestandteil eines milliardenschweren Ökologieplans französischer Prägung. Ziel sei es, auf den Klimawandel und seine Folgen zu reagieren, die Biodiversität zu schützen und mit beschränkten Ressourcen auszukommen, sagte Macron. Ein Etappenziel sei, den CO2-Ausstoß Frankreichs bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Neben Sparsamkeit bei der Nutzung von Energie und Wasser geht es auch um technische Innovationen sowie einen Verhaltenswandel bei Produzenten und Konsumenten. Ein „grünes Budget“ sieht alleine im kommenden Jahr Ausgaben von 40 Milliarden Euro vor. Das ist auch nötig. Denn Frankreich erlebt mittlerweile nicht nur in heißen Sommern die bittere Realität des Klimawandels, 40.000 Haushalte vor allem im Süden des Landes müssen am Ende des Sommers auf Trinkwasser verzichten. Stattdessen werden sie von Tankwagen oder aus Flaschen versorgt. Und was für viele mindestens genauso schlimm ist, Wasser für den Swimmingpool ist tabu.
Mit seinem Plan zum Umbau der französischen Haushalte und der Wirtschaft setzt der französische Präsident auf die Kraft des Marktes und möglichst wenig Staatsintervention. Selbst Öl- und Gasboiler, die in Frankreich an der Tagesordnung sind, sollen weiter zu kaufen sein – Wärmepumpen aber werden künftig finanziell gefördert. Macrons Plan steht und fällt mit der Resilienz des französischen Stromnetzes. Das Land setzt im weltweiten Vergleich am stärksten auf Atomkraft, um seine ökologischen Ziele zu erreichen. Die letzten Kohlemeiler sollen 2027 vom Netz gehen. In den vergangenen Jahren aber hatte Frankreich mit seinen Atommeilern zu kämpfen. Sie sind mittlerweile technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand, 2022 musste das Land reichlich Strom aus Deutschland und den anderen europäischen Nachbarn importieren; auch mangels Wasser, das zum Kühlen der Reaktoren gebraucht wird – mehr als die Hälfte der Meiler war abgeschaltet. Der hoch verschuldete und daher in diesem Jahr erneut verstaatlichte Energieriese EdF soll nun mindestens sechs neue Atomreaktoren planen.
Die Kosten für den neuesten Meiler in Flamanville aber explodieren und liegen heute bei über 13 Milliarden Euro. Baubeginn war 2007, die geschätzten Baukosten lagen bei 3,3 Milliarden Euro. Eine Erfolgsgeschichte ist die atomare Stromerzeugung in Frankreich derzeit nicht.
Atomindustrie unter Druck
Von Windkraft verspricht sich Macron ebenfalls Rückenwind, im Herbst soll über den Zubau an Offshore-Windenergie entschieden werden. Ein neuer Windpark vor der Normandie soll 2.000 Gigawatt und damit Strom für 850.000 Haushalte liefern. Dagegen protestieren jedoch die ansässigen Fischereibetriebe. Noch stehen vor Frankreichs Küste wenige Windräder im Vergleich zu Deutschland, zu groß der Glaube an die Macht des Atoms. Fotovoltaik ist nach zähem Ringen an die Kommunen delegiert, sie sollen Flächen für Wind- und Solarkraft ausweisen. Parkplätze ab 1.500 Quadratmetern Fläche müssen mit Fotovoltaik überbaut werden Nichtwohngebäude mit einer Grundfläche von mehr als 500 Quadratmetern müssen Solaranlagen auf dem Dach anbringen oder es begrünen.
Der Plan Macrons bezweckt zweierlei: Einerseits will er es besser machen als das Nachbarland. Macrons expliziter Hinweis, dass Gasheizungen keinesfalls verboten werden, zeugt davon. Zweitens erinnert er sich noch sehr gut an die Gelbwesten, die wegen erhöhter Benzinpreise monatelang das Land lahmlegten. Die kürzlich in Kraft getretene Rentenreform hat dem reformunwilligen Land bereits alles abverlangt – den Rest soll nun der Markt richten.