Die deutsche Fitness-Branche hat ihre erzwungene Corona-Schwächephase längst überwunden. Sie peilt für dieses Jahr dank kräftiger Mitgliederzuwächse das Level der Vor-Pandemie-Zeit an.
Die Corona-Restriktionen mit behördlich verfügten monatelangen Schließungen hatten die hiesigen Fitnessstudios hart getroffen. Doch inzwischen hat die Branche, an der 12,4 Prozent der deutschen Bevölkerung durch aktives Training teilhaben, längst wieder in die Fahrtrinne Richtung Boom zurückgefunden. Experten gehen von einem Erreichen des hohen Vor-Pandemie-Levels schon im Laufe des Jahres 2023 aus. Dank diverser Studien, die jährlich vom Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV) in Kooperation mit der Consulting-Firma Deloitte sowie der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) herausgegeben werden, sowie kontinuierlicher Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach sind so ziemlich alle aktuellen Fakten rund um die Branche bekannt. Demnach ist der Besuch eines Fitnessstudios die beliebteste sportliche Aktivität der Bundesbürger. Rund jeder achte Deutsche ist zahlendes Mitglied eines der derzeit 9.149 Studios. Insgesamt belief sich die Zahl der Mitglieder Ende 2022 auf 10,3 Millionen, was einen Zuwachs von einer Million Mitglieder im Vergleich zum Jahresausklang 2021 bedeutete.
Starke Zuwächse bei den Älteren
Nicht einmal „König Fußball“ kann da mit seinen hierzulande 7,2 Millionen Vereinsmitgliedern mehr mithalten! Auch die drittplatzierten Turnvereine mit ihren 4,6 Millionen Mitgliedern werden von der zu einer Volkssport-Disziplin aufgestiegenen Fitness-Branche klar in den Schatten gestellt, die 2022 mit ihren insgesamt 162.500 Mitarbeitern einen Netto-Umsatz von 4,9 Milliarden Euro erwirtschaften konnte. Und es sind längst nicht mehr nur vornehmlich Jugendliche, die die Kernklientel der Fitnessstudios bilden.
Denn die Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen, die lange die Spitzenposition in der Mitgliederstruktur behauptet hatte, wurde laut den neuen „Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft“ von der etwa gleichstarken Gruppe der 30- bis 40-Jährigen und den 40- bis 50-Jährigen eingeholt, alle drei Gruppen kommen jeweils auf gut 22 Prozent. Auch die Altersgruppe der 50- bis 60-Jährigen ist unter den Mitgliedern mit 15,6 Prozent schon sehr gut vertreten. Selbst bei den Über-60-Jährigen ist das Interesse an Fitnessclubs mit 8,4 Prozent inzwischen sogar größer als in der Gruppe der Unter-20-Jährigen (8,3 Prozent).
Das Durchschnittsalter der Mitglieder beträgt 40,6 Jahre. Knapp ein Viertel der Mitglieder hat das fünfte Lebensjahrzehnt schon überschritten, wobei speziell in dieser Altersgruppe die wissenschaftliche Erkenntnis, dass der natürliche, altersbedingte Muskelschwund durch regelmäßiges Krafttraining in Fitnessstudios gestoppt werden kann, für den wachsenden Zulauf verantwortlich sein dürfte. Repräsentativen Umfragen zufolge pflegen fünf Millionen Mitglieder, ihr Fitnessstudio mehrmals wöchentlich zum Trainieren aufzusuchen. Wobei Frankfurt am Main bundesweit die Stadt mit dem höchsten Anteil der in Fitnessstudios aktiven Bevölkerung darstellt. Hamburg ist das Bundesland mit der höchsten Mitgliederquote, gefolgt von Bremen und dem Saarland.
Muskelschwund stoppen
Seit Jahren ist in der Branche der Trend zu beobachten, dass sich die Anlagenbetreiber zunehmend als Gesundheitsanbieter zu positionieren versuchen. Das lässt sich auch an der vermehrten Anbindung von Physio-Praxen an bestehende Fitnessstudios oder an den immer häufigeren Kooperationen zwischen physiotherapeutischen Einrichtungen und Sportstudios ablesen. Auch viele Firmen nutzen im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements die wachsende Gesundheitskompetenz fortschrittlicher Studios, um durch entsprechende Kooperationen ihren Mitarbeitern einen Zugang zu Fitness- und Gesundheitsangeboten zu ermöglichen. 42,5 Prozent der Fitness-Anlagen profitieren schon von dieser Zusammenarbeit mit Unternehmen. Das Herausstreichen des Gesundheitsaspektes war bei den Fitnessstudios noch nie so stark ausgeprägt wie im Jahr 2022. Die Positionierung als Gesundheitsanbieter lag mit 43,7 Prozent sogar sehr deutlich über der früher üblichen schwerpunktmäßigen Positionierung im Bereich Training mit 31,2 Prozent. Weiteren Bereichen wie Lifestyle mit 19,5 Prozent und Wellness mit 5,6 Prozent wurde von den Studio-Betreibern nur eine vergleichsweise untergeordnete Bedeutung beigemessen. Mit der bewussten Ausrichtung auf den Gesundheitsaspekt trägt die Branche einem gewandelten Konsumenten-Verhalten Rechnung: Einer aktuellen Studie zufolge möchten Menschen sowohl fortgeschrittenen als auch jüngeren Alters heute vor allem aus gesundheitlichen Gründen trainieren.
Je nach Geldbeutel und Gusto haben Fitness-Interessierte die Wahl zwischen verschiedenen Angeboten, von günstigen Studio-Ketten über Mittelklasse-Studios bis hin zu Premium- oder Special-Interest-Anbietern. 2022 erreichten die Kettenbetriebe erstmals einen Marktanteil von deutlich über 40 Prozent, obwohl nach wie vor die Einzelbetriebe (mit weniger als fünf Anlagen) den größten Anteil zum Gesamtumsatz der Branche beitragen. Dazu kommen noch die sogenannten Mikroanlagen, bei denen es sich um Special-Interest-Studios mit – in der Regel – Konzentration auf eine einzige Trainingsform handelt. In jüngster Zeit werden diese Mikroanlagen auch häufig als „Boutique-Studios“ bezeichnet, unabhängig davon, ob sie sich auf Yoga, Pilates, Cycling, Kampfsport oder auf die derzeit mega-trendigen Angebote EMS und Crossfit-Boxen spezialisiert haben. Vor allem das Elektromyostimulations-Training (EMS), bei dem die Sporttreibenden während eines Workouts kleine Stromstöße zur Stimulation und zum schnelleren Wachstum der Muskeln verpasst bekommen, ist mit aktuell 1.434 reinen sogenannten EMS-Studios (trotz einem recht hohen monatlichen Mitgliedsbeitrag von im Schnitt fast 100 Euro) im Bereich der Mikroanlagen stark auf dem Vormarsch, mit Ende 2022 rund 200.000 Mitgliedern. Wachsenden Zulauf können auch die sogenannten Crossfit-Boxen verzeichnen, in denen im Rahmen eines Powertrainings der ganze Körper durch einen Mix aus Kraft-, Bodyweight- und Ausdauer-Elementen aufgebaut wird.
Die Top Ten der mitgliederstärksten Kettenbetriebe, die allein 4,5 Millionen Mitglieder haben (gegenüber sechs Millionen Aktiven in sämtlichen Kettenbetrieben) ist seit geraumer Zeit einigermaßen stabil geblieben. Die Spitzenposition mit rund 1,2 Millionen Mitgliedern belegt die RSG Group (mit ihrer Kernmarke McFit, dem als Discounter-Vorreiter und hierzulande bekanntesten Studiobetreiber, oder auch mit ihrer Premium-Marke John Reed), gefolgt von FitX, Clever Fit (was die Zahl der Anlagen betrifft mit 450 sogar Spitzenreiter), Easyfitness und der Life Fit Group. Die auf Frauenfitness spezialisierte Kette Mrs. Sporty ist zwar nicht in den Top Ten vertreten, erfreut sich aber hierzulande eines hohen Bekanntheitsgrades, direkt hinter McFit.
Die Mitgliedsbeiträge, die bis 2021 kontinuierlich gesunken waren, wurden 2022 – mit Bezug auf die hohen Inflationsraten und Energiepreise – größtenteils kräftig erhöht und pendelten sich bei einem monatlichen Durchschnittswert von 44,86 Euro ein. Wobei der Obolus bei Einzelbetrieben bei 53,77 Euro lag, bei Kettenbetrieben bei 36,44 Euro und bei Mikrobetrieben bei 84,37 Euro.
Viele neue Angebote
Im digitalen Bereich haben viele Studio-Betreiber noch gehörigen Aufholbedarf, weil Wearables, Sport- und Fitness-Apps vielen Nutzern nicht mehr ausreichen und ein exakter digitaler Aktivitätsverlauf mit dem genauen Tracken sämtlicher Trainingseinheiten inzwischen ganz oben auf der Kundenwunschliste steht.
Generell erfreuen sich in den Studios die Installationen für das Krafttraining, die freien Gewichte sowie die Ausdauer- und Cardiogeräte noch immer der größten Beliebtheit. Aber EMS und Crossfit holen inzwischen gehörig auf. Dazu gibt es einige brandneue Trends wie Hyrox, eine Kombination von Ausdauerläufen, High Intensity Interval Training (HIIT) und funktionellem Kraftsport, oder auch HILIT (High Intensity Low Impact Training), bei dem sich die klassischen HIIT-Übungen mit niedrigeren Belastungen abwechseln; auf intensive Cardio-Workouts können dabei sanftere Einheiten aus Yoga oder Pilates folgen.
Für die sogenannte Best-Ager-Gruppe 50+ gibt es zwar in manchen Studios schon spezielle Kurse, aber viele der älteren Sporttreibenden möchten sich nicht so gerne ausgrenzen lassen, sondern wünschen sich neben Zusatzangeboten wie Sauna oder Massagen lieber ein auf ihre Möglichkeiten zugeschnittenes Trainingsprogramm mit Cardiofitness, Yoga, Tanzen (es muss ja nicht unbedingt das intensive Zumba sein) oder Balance- und Koordinationsübungen. Isotonische Getränke dürften dabei zum Auffrischen des Körpers wohl genügen – auch wenn die ehrgeizigsten Best-Ager zum schnelleren Muskelaufbau wohl sicherlich wie ihre jüngeren Mitstreiter zu den beliebten Nahrungsergänzungsmitteln wie Eiweiß- und Proteinpulver, Kreatin oder BCAA-Aminosäuren (ESN) greifen dürften.