Verlieren verboten: Das Heimspiel gegen den VfL Bochum ist für Union Berlin essenziell wichtig. Beim Gegner ist ein Spieler in Topform, der womöglich zur nächsten Saison nach Köpenick wechselt.
Kevin Stöger ist nicht nur Fußballprofi, sondern auch sein eigener Agent. Mit Fußballclubs verhandelt der Mittelfeldspieler eigenständig über Verträge, was im Profigeschäft unüblich ist. „Ich weiß, was ich will, also führe ich die Gespräche allein“, sagte Stöger einmal dazu: „Trotzdem bin ich natürlich im Austausch mit Leuten, die mir einen Rat geben.“ In seinem Fußballerleben hatte Stöger bereits reichlich Gelegenheit, sein Verhandlungsgeschick zu verbessern. Nie blieb er länger als zwei Jahre bei einem Verein, meist folgte nach Vertragsende ein ablösefreier Wechsel zu einem neuen Club. Das wirkt sich in der Regel positiv auf das Gehalt und das mögliche Handgeld aus. Und auch jetzt steht der 30-Jährige nach zwei Jahren beim VfL Bochum vor einem ablösefreien Transfer. Doch diesmal ist die Situation etwas knifflig. Denn bei dem aufnehmenden Verein soll es sich laut übereinstimmenden Medienberichten um den 1. FC Union Berlin handeln, und die Eisernen und die Bochumer stecken beide tief im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga. Was die Stöger-Personalie noch brisanter macht: An diesem Sonntag (5. Mai) treffen beide Teams im womöglich entscheidenden Duell um den direkten Klassenerhalt im Stadion an der Alten Försterei aufeinander. Dadurch wird die ohnehin angespannte Stimmung vor dem Keller-Duell nochmal extra angeheizt.
Alle Augen richten sich auf Kevin Stöger
Nach einem Bericht der „Sport Bild“ wechselt Stöger nach Berlin, sollten die Unioner die Klasse halten. Schon in der vergangenen Winter-Transferperiode sollen die Verantwortlichen aus Köpenick ein Auge auf Bochums Topscorer (7 Tore und 8 Assists in 28 Ligaspielen) geworfen haben, doch damals konnte der Transfer noch nicht realisiert werden. Zu wichtig war und ist Stöger für das Spiel des VfL. Der ehemalige Junioren-Nationalspieler Österreichs spielt aktuell die beste Saison seiner Karriere – das bewies er auch beim 3:2-Heimsieg vor einer Woche gegen die TSG Hoffenheim mit zwei Treffern und viel Spielwitz. Durch den ersten Sieg unter dem neuen Trainer Heiko Butscher und Unions Nullnummer bei Borussia Mönchengladbach sind die Bochumer nach Punkten mit den Berlinern gleichgezogen. Kein Wunder, dass das Getuschel um den möglichen Stöger-Wechsel vor dem direkten Duell unüberhörbar wurde. „Ich bin mit dem VfL ganz eng im Austausch. Würde es etwas zu verkünden geben, dann würde ich es machen. Es ist nicht soweit“, sagte der Offensivspieler und betonte: „Ich werde bis zum Schluss alles geben für den VfL Bochum. Ich bin hier hergekommen, um zweimal die Klasse zu halten. Wir haben uns ein gemeinsames Ziel gesteckt, ich auch persönlich und das werde ich auch erreichen.“
Die Bochumer haben ihrem Leistungsträger natürlich auch ein Vertragsangebot vorgelegt, doch wirklich große Chancen scheinen sie damit nicht zu haben. „Ich habe zunächst mit dem VfL gesprochen. Ich habe aber auch klar kommuniziert, dass ich mir andere Sachen anhöre. Dann werde ich mit meiner Familie schauen“, sagte Stöger, der in seiner Zeit in Bochum seinen Marktwert von 1,6 auf geschätzte 4 Millionen Euro erhöhen konnte. In Stögers Situation stellt sich automatisch die Frage, wie er in das Duell mit seinem vermutlich nächsten Arbeitgeber geht. Gemessen an seinen Aussagen aus der jüngeren Vergangenheit dürfte klar sein, dass er dabei keine Rücksicht nehmen wird. „Wir haben ein großes Ziel mit dem VfL Bochum und das ist der Klassenerhalt“, sagte Stöger. Da er auch Teil des Mannschaftsrats ist, dürfte ein Nachlassen – und sei es nur für ein paar Prozent – überhaupt nicht infrage kommen. „Ich bin ein erfahrener Spieler und kenne den Verein ziemlich gut. Jeder aus der Mannschaft weiß, dass er auf mich zukommen kann und ich bereit bin, Verantwortung zu übernehmen.“ Zumal der Österreicher noch immer Resthoffnungen hegt, von Nationaltrainer Ralf Rangnick für die Fußball-EM im kommenden Sommer in Deutschland nominiert zu werden. „Natürlich ist es ein großer Traum von mir, für Österreich zu spielen. Ich habe die Junioren-Nationalmannschaften durchlaufen, ein Spiel für die A-Nationalelf fehlt mir allerdings noch“, sagte Stöger.
Sollte Union die Klasse halten und damit die Voraussetzung für den Stöger-Transfer schaffen, wäre es irgendwie auch eine Rückkehr zur „alten“ Transferpolitik. Vor der Champions-League-Qualifikation und den Großinvestitionen in gestandene Profis wie Robin Gosens (13 Millionen Euro), Diogo Leite (7,5), Yorbe Vertessen (5), Kevin Volland (4) und Lucas Tousart (3) hatten die Eisernen auf vorwiegend ablösefreie Spieler gesetzt. Allein schon aus wirtschaftlichen Zwängen. Mit dieser Strategie hatten sie großen Erfolg, Spieler wie Danilho Doekhi, Kevin Behrens, Rani Khedira, Max Kruse, Robin Knoche und Sheraldo Becker waren allesamt ohne einen Euro Ablöse zu Union gewechselt und konnten dort ihren Marktwert zum Teil erheblich steigern. Dass die Club-Verantwortlichen in den vergangenen zwei Transferperioden – allen voran im Sommer – Fehler gemacht haben, steht außer Frage. „Uns ist nicht alles gelungen, was wir vorhatten. Am Ende stellt man fest: Man liegt nicht immer richtig mit Transfers“, gab Geschäftsführer Oliver Ruhnert unlängst zu: „Trotzdem glaube ich nach wie vor an das Potenzial des Kaders.“ Doch darf er die Zukunft überhaupt weiter gestalten?
Ruhnerts Zukunft ist offen, zumal der 52-Jährige in der Vergangenheit auch immer wieder mit einem Wechsel zu einem anderen Verein oder in die Politik kokettiert hatte. „Wir machen diese Saison zu Ende und sprechen dann weiter. So haben wir es auch in der Vergangenheit immer gemacht“, sagte Ruhnert zu seiner eigenen Zukunft: „Wir sprechen wie immer nach der Saison.“ Klar ist, dass der einst als Ruhnert-Nachfolger auserkorene Michael Parensen diese Aufgabe nicht übernimmt. Vom Ex-Profi, der auf der Geschäftsstelle verschiedene Bereiche durchlaufen und dort zuletzt als Technischer Direktor angestellt war, hat sich der Club wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die künftige Ausrichtung getrennt.
Seit Wochen zweigleisig planen
So oder so würden er und sein Team „schon seit Wochen zweigleisig“ planen, so Ruhnert, sprich: für die erste und zweite Liga. Lizenzprobleme gibt es für beide Fälle nicht, der Club steht nach drei Jahren internationalem Geschäft hintereinander auf finanziell gesunden Füßen. Doch der Kader, der durchaus mit dem Anspruch auf Europacupplätze zusammengestellt worden ist, dürfte erneut personelle Änderungen erfahren. Einige Spieler sind trotz des Absturzes in den Bundesliga-Keller europaweit begehrt, der kopfball- und zweikampfstarke Abwehrspieler Doelki wird zum Beispiel bei einigen Premier-League-Clubs gehandelt und könnte Union eine stattliche Ablöse einbringen, mit der der Umbruch im Kader refinanziert werden könnte.
Bei einem Abstieg wären aber all diese Überlegungen obsolet. Nach den Spielen zu Hause gegen den VfL Bochum und eine Woche später beim 1. FC Köln wissen die Köpenicker, ob sie im Saisonfinale daheim gegen den SC Freiburg schon vor dem Anpfiff mit den Fans das glückliche Ende einer verkorksten Saison feiern können. Oder ob sie in einem letzten Showdown um den Klassenerhalt nochmal alles aus sich herausholen müssen. Kevin Stöger wird genau hinschauen.