Wien zwischen den Weltkriegen: Viele Menschen verarmten damals, einige wurden reich. Unter Letzteren befand sich Isidor Geller, aus einer orthodox-jüdischen Familie in einem armen Schtetl in Galizien stammend. Als junger Mann kam er nach Wien, studierte und wurde innerhalb kurzer Zeit wohlhabend, anerkannt und einflussreich. Isidors Urgroßnichte ist die Berliner Journalistin Shelly Kupferberg. Sie hat sich auf die Spur ihres Wiener Verwandten gesetzt. Daraus ist ihr erstes Buch geworden, das zwischen Sachbuch und Roman changiert.
Erst recherchierte sie aus rein privatem Interesse, um zu erfahren, was mit den Reichtümern geschehen war, die Kommerzialrat Dr. Isidor Geller in seiner riesigen Wohnung in einem Wiener Palais gesammelt hatte. Und warum ihr Urgroßonkel die Zeichen der Zeit nicht deutete und rechtzeitig aus Österreich auswanderte.
Isidor war ein vollkommen assimilierter Jude. Deshalb mutmaßt die Autorin, er habe sich dadurch in der trügerischen Sicherheit des Unangreifbaren gewähnt. Shelly Kupferberg versucht sich in ihrem Erstlingswerk so weit wie möglich an historische Fakten zu halten. Wo es Lücken in der Recherche gibt, überbrückt sie diese mit Imaginationen, wie es gewesen sein könnte.
Die Autorin zeichnet ihren markanten Verwandten, wie er sich in den Briefen und auf alten Fotos selbst darstellt: Als Dandy und Patriarch, der herrisch und streng sein konnte, aber auch seine Bediensteten großzügig beschenkte. Was diese nicht davon abhielt, ihn 1938, womöglich schon vorher, an die Nazis zu verraten. Isidors Absturz kommt jäh: Bereits im März 1938 wird er von den Nazis brutal in „Schutzhaft“ genommen, wo er sich eine Blutvergiftung zuzieht und noch im selben Jahr stirbt.
Es wird beim Lesen spürbar, dass nicht allzu viel von und über Isidor überliefert ist, doch das tut dem Buch als Impression vom jüdischen Österreich keinen Abbruch.