Es ist zwar müßig, solche Fragen zu stellen, manchmal drängen sie sich aber förmlich auf. Welche Stationen sind prägend im Leben eines Menschen und wie wird aus ihm das, was er am Ende ist? Wie viel Eigenverantwortung kann man jedem Einzelnen zuschreiben?
Vielleicht wäre auch für Siegesmund Wehrmann alles anders gekommen, wäre aus ihm ein zufriedener, liebevoller, ein anderer Mensch geworden. Etwa, wenn er einen anderen Vornamen gehabt hätte, über den sich niemand lustig gemacht hätte, wenn er einen verständnisvollen Vater gehabt hätte, wenn er nicht im Ersten Weltkrieg gekämpft hätte, wenn er danach aus Liebe statt aus Pflicht geheiratet hätte. Stattdessen wird er zu einem wütenden Mann, der nicht dazugehört. Die Ehe wird zum Albtraum, auch für seine Kinder. Siegesmund ist aufbrausend und trinkt, seine Frau verachtet ihn. Wo er – in einer Zeit, in der sich auch politisch alles immer weiter zuspitzt, – wirklich hinwill, weiß er selbst nicht. Auch wenn ihm der aufstrebende Hitler suspekt ist, lässt sich Wehrmann in den braunen Zeitgeist gleiten. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bröckelt dann unaufhaltsam auch das letzte kleinbürgerliche Fundament.
Axel Svehlas Roman zeichnet das beklemmende Porträt einer dysfunktionalen Familie und der Wut eines Abgehängten im Strudel der Geschichte – und er zeigt, wie sich in düsteren Wohnzimmern Dinge zusammenbrauen, die am Ende fatale Folgen haben können. Dieses Thema im historischen Gewand ist aktueller denn je. Axel Svehla erzählt die Geschichte in eigenem Ton, gleichsam nüchtern wie in der schonungslosen Darstellung fast schon poetisch.
Der Autor wurde 1953 in Berlin geboren, wuchs in Norddeutschland und im Rheinland auf. Nach dem Studium von Germanistik, Politologie und Geschichte führten ihn weitere Stationen nach Belfast, zum Dokumentationszentrum Emslandlager und als Redakteur und Moderator zum Radio sowie nach Berlin als Redakteur für das SFB Radio B2 und das rbb-Magazin „Kontraste“.